Die Geschichte einer serbischen Spontanimpfung
Belgrad. Der Korrespondent der „Presse“ließ sich im Corona-Impfmuffelland impfen. Ein persönlicher Bericht.
Ins Impfzentrum in der serbischen Hauptstadt können Djole, meinen Automechaniker, keine zehn Pferde locken. Nein, impfen lassen gegen Corona werde er sich auf keinen Fall, offenbarte er mir, als ich jüngst mein ausgebeultes Vehikel bei ihm abholte.
„Ich glaube an die Verschwörungstheorien. Corona ist eine von den Großmächten fabrizierte Epidemie“, verkündete er mit düsterer Miene. „Die wollen die Weltbevölkerung um eine Milliarde Menschen reduzieren“, erwiderte er auf meinen Einwand, dass die großen Industriestaaten doch am meisten unter der Corona-Pandemie zu leiden hätten.
Sieben Millionen Einwohner zählt der Balkanstaat. Doch nur 480.000 davon haben sich bisher als impfwillig registrieren lassen. Impf-Ungeduld isst nach einer bereits überstandenen Infektion hingegen die Seele des Balkan-Korrespondenten dieser Zeitung auf. Schon am erstmöglichen Tag hatte ich vor zwei Wochen digital mein Interesse am Nadelstich registrieren lassen – und unter fünf angegebenen Möglichkeiten sicherheitshalber die in der EU zugelassenen Biontech/Pfizer- und Moderna-Impfstoffe gewählt.
Die „Kavallerie“aus China
Das verhaltene Interesse und die Impfskepsis der Serben machten es möglich: Bereits nach einer Woche wurde mein 85-jähriger Schwiegervater Momcilo wie von ihm gewünscht mit dem BiontechSerum geimpft. Doch auch zum EU-Anwärter Serbien gelangt der Impfstoff in immer kargeren Dosen. Mitte Jänner landete dafür ein Flugzeug aus Peking im serbischen „Bruderstaat“. An Bord: Eine Million Ampullen von Sinopharm.
Der Sinopharm-Vorteil der Verfügbarkeit wog für mich bald den Nachteil einer offiziell um 15 Prozent geringeren Schutzwirkung im Vergleich zur kaum erhältlichen US-deutschen Konkurrenz auf. Als es diesen Samstag hieß, man könne sich nun auch ohne Anmeldung oder Aufforderung die Nadel setzen lassen, machte ich mich am Sonntagmorgen spontan zur Impfung in die Belgrader Messehallen auf. Andere hatten dieselbe Idee: Eine endlose Schlange unangemeldeter Besucher stand auf dem Parkplatz vor den weißen Eingangszelten zum Impfzentrum.
Sie hätten fast schon ein Coronajahr durchgehalten, „dann stehen wir das auch noch durch“, sagte das fröhliche Paar vor mir.
Im Schneckentempo ging es zum Ziel. In weiße Overalls gehüllte Helferinnen verteilten Anmeldeformulare und wärmenden Tee. Nach knapp drei Stunden saß ich schließlich vor einer maskierten Ärztin, die sich nach Allergien, eingenommenen Medikamenten und
Vorerkrankungen erkundigte. Säuberlich stempelte sie danach selbst mein in Serbien unübliches Impfbüchlein ab – und kündigte die Auffrischungsimpfung in drei Wochen an: „Sie erhalten rechtzeitig einen Termin – und müssen dann nicht mehr lange warten.“
Schneller als bei den Schwaben
Während sich in den letzten zwei Wochen mehrere meiner Belgrader Bekannten impfen lassen konnten, kenne ich in der deutschen Heimat bis auf einen Arzt persönlich noch keine Corona-Geimpften.
„Man könnt neidisch werden“, seufzt meine 81-jährige Mutter im Schwabenland nach meiner serbischen Blitzimpfung ins Telefon. Jüngst habe sie im Rathaus gefragt, ob es schon Pläne gebe, wo und wann unmotorisierte Bürger ihrer Landgemeinde sich denn einmal impfen lassen könnten. „Wir wissen auch nichts. Rufen Sie das Landratsamt an“, war die Antwort.