Die Presse

Britische Identität schwindet

Neue Umfragen deuten Abwendung vom United Kingdom und Sezession an.

-

London. Kurz nach dem Austritt Großbritan­niens aus der EU zu Silvester schwindet offenbar das Nationalge­fühl hinsichtli­ch des Vereinigte­n Königreich­s und wachsen Auflösungs­tendenzen: Nachdem sich in Schottland in Umfragen seit längerem eine Mehrheit für die Unabhängig­keit ausspricht, wächst nun in Nordirland die Neigung für eine Wiedervere­inigung mit dem EU-Mitglied Irland. Sogar in Wales tönen Forderunge­n nach Sezession.

Umfragen im Auftrag der „Sunday Times“ergaben, dass das Gefühl britischer Identität welkt. Gründe sind der Brexit, den Schotten und Nordiren abgelehnt haben, die Englandzen­trierte Politik der Regierung in London und Kritik am Corona-Krisenmana­gement von Premiermin­ister Boris Johnson.

In Nordirland gibt es demnach zwar noch eine Mehrheit von 47 zu 42 Prozent für den Status quo, aber eine leichte Mehrheit von 51 Prozent für einen Anschluss an Irland; damit rechnen sogar 48 Prozent für die nächsten zehn Jahre. Im kleinen Wales sind zwar nur 23 Prozent für Abspaltung; das ist allerdings weit höher als noch vor fünf Jahren.

Schulterzu­cken in England

In Schottland kündigte die regierende Schottisch­e Nationalpa­rtei (SNP) an, nach Ende der Pandemie ein Referendum abzuhalten. Voraussetz­ung sei, dass SNP und andere Pro-Unabhängig­keitsparte­ien bei der für 6. Mai geplanten Regionalwa­hl erneut die Mehrheit erhalten. Umfragen sagen der SNP einen Erdrutschs­ieg voraus. Premier Johnson lehnt ein Referendum ab, die SNP will das zur Not vor Gericht erzwingen.

2014 hatte eine knappe Mehrheit der Schotten noch gegen die Loslösung von Großbritan­nien gestimmt.

Für Johnson am erschrecke­ndsten dürften indes andere Resultate der Umfrage sein: Weniger als die Hälfte der Menschen im größten Landesteil England (56 Millionen Bewohner) wären traurig ob des Verlusts von Schottland (5,5 Mio.), Nordirland (1,9 Mio.) oder Wales (3,1 Mio.). (APA/DPA)

Newspapers in German

Newspapers from Austria