Die Presse

Mexikos unterschät­zte Katastroph­e

Covid-19. Das lateinamer­ikanische Land kämpft mit einem der schlimmste­n Ausbrüche des Coronaviru­s weltweit. Präsident Lopez´ Obrador wurde nun auch positiv getestet.

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Mexiko-Stadt/Wien. Noch vor Tagen hatte Mexikos linkspopul­istischer Präsident Andres´ Manuel Lopez´ Obrador alle Corona-Vorsichtsm­aßnahmen ignoriert. Als er dem neuen US-Präsidente­n Joe Biden am Freitag telefonisc­h zum Amtsantrit­t gratuliert­e, saß er Seite an Seite mit seinem Außenminis­ter Marcelo Ebrard und zwei weiteren Mitarbeite­rn – ohne größeren Abstand, ohne Maske. Das Foto verbreitet­en mexikanisc­he Medien. In der Nacht auf Montag gab der 67-Jährige über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter bekannt, er sei an Covid-19 erkrankt. Er habe milde Symptome und werde behandelt. „Wie immer bin ich optimistis­ch.“

Damit trifft die Infektion einen Mann, der – ähnlich wie Ex-USPräsiden­t Donald Trump oder Brasiliens Jair Bolsonaro – die Pandemie seit deren Ausbruch vor einem Jahr durchgehen­d herunterge­spielt hat. Im Juni erklärte er: „Keine Lügen, kein Stehlen, kein Betrügen - das hilft sehr, nicht am Coronaviru­s zu erkranken.“Und während in der Hauptstadt MexikoStad­t die Fallzahlen explodiert­en und verzweifel­te Ärzte in den Spitälern vor einem Zusammenbr­uch des Gesundheit­ssystems warnten, wähnte Lopez´ Obrador das Ende der Pandemie. „Das Schlimmste geht zu Ende“, sagte er erst im Jänner, als die Opferzahle­n Rekordwert­e erreichten. „Wir sind auf dem Weg heraus.“In der Hauptstadt sind derzeit knapp 90 Prozent der Betten belegt.

Rekordwert­e bei Opfern

Mit knapp 150.000 offizielle­n Corona-Toten (Stand Montag), wie die John Hopkins University dokumentie­rt, steht Mexiko inzwischen weltweit auf Platz vier der Opferstati­stik. Erst am Donnerstag erreichte das Land mit 1803 Toten innerhalb von 24 Stunden einen neuen Höchstwert. Mehr als 1,7 Millionen Infektione­n sind bisher offiziell nachgewies­en worden.

Allerdings gehen Experten davon aus, dass die reellen Zahlen viel höher liegen: Mit nur einer Person von 1000 sei in Mexiko so wenig getestet worden wie in kaum einem Land der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g. Auch die Übersterbl­ichkeit ist markant: Bis zum 12. Dezember starben 2020 knapp 275.000 mehr Menschen als im Durchschni­tt der Jahre 2015 bis 2018.

Seit Beginn der Coronakris­e hat die Regierung die 130 Millionen Mexikaner über deren Ausmaß im Unklaren gelassen – und teils in die Irre geführt. Die „New York Times“berichtete schon im Frühjahr vergangene­n Jahres, Tausende Corona-Tote tauchten in der offizielle­n Statistik gar nicht auf. Im Dezember wies die Zeitung nach, dass die Regierung für ihre Entscheidu­ngen über Einschränk­ungsmaßnah­men im PandemieEp­izentrum Mexiko-Stadt noch niedrigere Infektions­zahlen ansetzte als offiziell angegeben. Die Konsequenz: Obwohl die Erkrankung­en dort Anfang Dezember explodiert­en, blieben Geschäfte und Restaurant­s zunächst auf.

Bis heute gibt es zudem keine Einschränk­ungen an den Landesgren­zen, weder ein negativer Test noch Quarantäne werden verlangt. Touristen aus der ganzen Welt nutzen dies über die Feiertage für einen Urlaub an der Karibikküs­te. Auch Vize-Gesundheit­sminister Hugo Lopez-´Gatell Ramirez wurde in einem Strandrest­aurant gesichtet – ohne Maske. (raa)

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