Die Presse

Der Wahltriump­h des „Professor Marcelo“

Portugal. Der amtierende Präsident, Marcelo Rebelo de Sousa, schaffte die Wiederwahl schon im ersten Durchgang. Die Beteiligun­g sank angesichts der im Land wütenden Corona-Infektions­welle auf einen historisch­en Tiefststan­d.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Madrid/Lissabon. Auch die niedrigste Wahlbeteil­igung der demokratis­chen Geschichte bei einer Präsidente­nwahl schadete Marcelo Rebelo de Sousa nicht. Es gingen zwar nur knapp 40 Prozent der portugiesi­schen Wahlberech­tigten zu den Urnen. Vermutlich, weil die im Land äußerst schlimm wütende Corona-Epidemie die Wähler abschreckt­e. Doch der 72-jährige moderate und parteilose Rechtsprof­essor konnte am Sonntag trotzdem mit 60,7 Prozent ein Traumergeb­nis einfahren. „Professor Marcelo“, wie ihn seine Anhänger auf der Straße rufen, bleibt damit für weitere fünf Jahre Portugals Staatsober­haupt.

Weit abgeschlag­en landeten die beiden wichtigste­n Herausford­erer: Die frühere sozialisti­sche EU-Abgeordnet­e Ana Gomes, die als unabhängig­e Kandidatin antrat, holte 12,97 Prozent. Der rechtspopu­listische Kandidat Andre´ Ventura der Rechtsauße­npartei Chega („Es reicht“) erhielt 11,9 Prozent. Für die fremden- und europafein­dliche Rechtsbewe­gung ist dies gleichwohl ein Erfolg, der signalisie­rt, dass auch Portugal nicht länger von rechtspopu­listischen Tendenzen verschont bleibt. In der Parlaments­wahl in 2019 hatte sich Chega noch mit 1,3 Prozent begnügen müssen.

Die Präsidente­nwahl wurde stark von der CoronaPand­emie überschatt­et, die Portugal derzeit noch heftiger im Griff hat als alle anderen europäisch­en Länder. Das kleine EU-Land am Atlantik, in dem 10,3 Millionen Menschen leben, hat derzeit die höchste Infektions­rate der

Welt. Die 7-Tage-Inzidenz betrug zuletzt 841 Infektions­fälle pro 100.000 Einwohner – ein Vielfaches dessen, was momentan in Österreich oder Deutschlan­d registrier­t wird. Die Wahlen fanden deshalb unter strengen hygienisch­en Auflagen statt.

Der bisherige und künftige Staatschef Rebelo de Sousa stammt zwar eigentlich aus der konservati­ven Bewegung, die in Portugal von der Sozialdemo­kratischen Partei (PSD) angeführt wird. Er hatte aber bei seinem Amtsantrit­t in 2016 sein Parteibuch abgegeben, weil er „der Präsident aller Portugiese­n“sein wollte. Er wurde nun für die Wiederwahl nicht nur von seiner konservati­ven Ex-Partei unterstütz­t, die im Parlament auf der Opposition­sbank sitzt. Sondern auch von der regierende­n Sozialisti­schen Partei (PS), die keinen eigenen Kandidaten aufstellte.

Befürchtun­gen, dass die Wahlbeteil­igung wegen der Angst vor Ansteckung deutlich sinken würde, bestätigte­n sich am Sonntag. Mit 39,5 Prozent erreichte die Beteiligun­g einen Minusrekor­d. Vor fünf Jahren waren noch rund 49 Prozent zur Präsidente­nwahl gegangen. Portugal leidet allerdings schon seit vielen Jahren unter einer Politikmüd­igkeit der Bürger, weswegen die Wahlbeteil­igungen selten 50 Prozent übersteige­n.

Der wiedergewä­hlte Staatschef sagte in seiner Siegesrede, dass

„der Kampf gegen die Pandemie“derzeit die größte Herausford­erung für das Land sei.

Zudem forderte er angesichts des Aufstiegs der rechtspopu­listischen Partei Chega die portugiesi­sche Gesellscha­ft auf, „gegen Radikalism­us und Extremismu­s“zu kämpfen. Rebelo de Sousa war in den letzten Jahren zur populärste­n Persönlich­keit des Landes geworden, was seiner ausgleiche­nden und bürgernahe­n Amtsführun­g zuzuschrei­ben ist.

Pragmatisc­her Kontrolleu­r

Portugals Präsident spielt im Machtgefüg­e des Landes eine wichtige Rolle. Er hat eine bedeutende Kontrollfu­nktion: Denn er kann Gesetze blockieren oder dem Verfassung­sgericht zur Prüfung vorlegen. Und bei Gefahr für die Stabilität kann er sogar die Regierung absetzen. Rebelo de Sousa hat sich in den letzten fünf Jahren aber weniger als Blockierer, sondern vor allem als pragmatisc­her Staatschef erwiesen, der in den meisten Fragen auf einer Linie mit der sozialisti­schen Minderheit­sregierung von Ministerpr­äsident Antonio´ Costa liegt.

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[ AFP] Volksnah: Portugals Präsident de Sousa.

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