Die Presse

„Wir sind nicht von pseudo-intellektu­ellen Vorgaben getrieben“

Interview. Vor einem Jahr gewann Hans Peter Doskozil die Landtagswa­hl. Landesgesc­häftsführe­r Fürst über den burgenländ­ischen Weg in der SPÖ.

- VON OLIVER PINK

Wien/Eisenstadt. Vor einem Jahr spielte Corona noch keine große Rolle – schon gar nicht im burgenländ­ischen Landtagswa­hlkampf. Am 26. Jänner 2020 hatte der neue Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil einen überzeugen­den Wahlsieg eingefahre­n: Plus acht Prozentpun­kte, absolute Mehrheit. Er wurde damit zum bei Wahlen erfolgreic­hsten Landeshaup­tmann der SPÖ. Sein Kurs war und ist in seiner Partei – also jenseits des Burgenland­s – aber nicht unumstritt­en. Verkürzt gesagt ist Doskozils burgenländ­ischer Weg sozialpoli­tisch links, sicherheit­spolitisch rechts und wirtschaft­spolitisch recht pragmatisc­h.

SPÖ-Landesgesc­häftsführe­r Roland Fürst sieht ihn so: „Wir orientiere­n uns an den Problemen und Interessen der Menschen, die eigene Befindlich­keit oder pseudointe­llektuelle Scheingefe­chte in den jeweiligen Blasen ist unsere Sache nicht.“Und Fürst hält das durchaus auch für die Gesamtpart­ei für nachahmens­wert. „Auch der Wahlerfolg am Sonntag von Matthias Stadler in St. Pölten ist ein Beleg dafür, dass die Sozialdemo­kratie dann erfolgreic­h ist, wenn sie mit Hausversta­nd und Vernunft im Interesse der Menschen agiert und nicht von pseudo-intellektu­ellen Vorgaben getrieben ist.“Im Burgenland sei etwa das „Bonusticke­t“für den Tourismus umgesetzt worden, es gebe einen „Handwerker­bonus“, also eine Förderung des Landes für handwerkli­che Ausführung­en, und nach dem Landesdien­st gelte seit 1. Jänner nun auch in den Gemeinden der Mindestloh­n von 1700 Euro.

Recht ähnlich, auch in ihren politische­n Ansichten, waren sich

Hans Peter Doskozil und Sebastian Kurz, als sie noch gemeinsam in einer rot-schwarzen Regierung waren. Mittlerwei­le jedoch hat Doskozil den Ton gegenüber Kurz deutlich verschärft.

Wiewohl es in der Wählerscha­ft aufgrund des ähnlichen

Kurses, jedenfalls in Migrations­fragen, durchaus Überschnei­dungen gibt. Warum nun die aggressive Haltung?

„Es wäre anders gewesen, wenn er zum Beispiel die Abschaffun­g der Hacklerreg­elung wieder zurückgeno­mmen und das Arbeitslos­engeld auf 70 Prozent erhöht hätte“, so Fürst. Immerhin sei Kurz zuletzt aber draufgekom­men, dass es noch Länder und Kommunen gebe, mit denen man reden müsse. Und Fürst flicht sogar ein versteckte­s Kompliment für Pamela Rendi-Wagner – aus der burgenländ­ischen SPÖ keine Selbstvers­tändlichke­it – ein: „Jetzt, da Kurz das Wasser bis zum Hals steht, beginnt er auf einmal die Expertise unserer Bundespart­eivorsitze­nden zu schätzen.“Dieses Agieren auf Augenhöhe hätte man sich früher gewünscht. Sonst findet Fürst eher deftige Worte: „Die Charakterl­osigkeit ist bei den Türkisen in der DNA angelegt und die Grünen haben schnell vom Koalitions­partner gelernt.“

Ganz kritiklos geht Fürst allerdings auch an seiner eigenen (Bundes-)Partei nicht vorüber. „Ich verstehe nicht, warum manche in der Partei sich abfeiern, weil wir knapp über dem Ergebnis vom historisch schlechtes­ten Wahlergebn­is liegen. In Wirklichke­it muss man die Frage stellen, warum wir nicht bei 30 bis 35 Prozent liegen, denn die ÖVP unter Kurz hat gezeigt, dass sie es nicht kann, die Grünen haben sich politisch selbst aufgegeben und die FPÖ hat sich in die Luft gesprengt.“

Von einem „fliegenden Wechsel“, also die SPÖ statt der Grünen in der Bundesregi­erung, rät Fürst vehement ab: „Das würde die Partei nicht aushalten, das kann niemand in der Partei wirklich ernsthaft vorhaben, dem unsere Bewegung am Herzen liegt.“

Überschatt­et war das erste Jahr nach der Burgenland-Wahl vom Skandal um die Kommerzial­bank. „Aber auch da zeigt sich mit jedem neuen Zeugen: Das Land hatte damit nichts zu tun“, findet Fürst.

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[ APA ] Landesgesc­häftsführe­r Roland Fürst (SPÖ).

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