Die unverhoffte Rettung einer Platane
U-Bahn-Bau. Nach Protesten wird der 80-jährige Baum in den nächsten zwei Wochen umgepflanzt.
Wien. Es wird kein einfaches Unterfangen und womöglich ist in Wien überhaupt noch nie ein derart hoher Baum umgepflanzt worden, aber: Jene Platane in der Josefstädter Straße, die, wie berichtet, in den nächsten Wochen dem U-BahnAusbau hätte weichen müssen, wird nun doch nicht gefällt.
Sondern vielmehr ausgegraben und einige Hundert Meter weiter wieder eingepflanzt: Darauf haben sich die Wiener Linien in einem Gespräch mit Naturschützern vom Kuratorium Wald und dem Baumchirurgen Martin Saller geeinigt. Möglich wurde die Rettung nicht nur, weil sich der für den öffentlichen Verkehr zuständige Stadtrat, Peter Hanke (SPÖ), für den Erhalt der Platane starkgemacht haben soll.
Sondern auch, weil Baumchirurg Saller die Umsiedelung des rund 80 Jahre alten Baums – vom Standort beim Cafe´ Eiles einige Hundert Meter weiter auf den Schmerlingplatz vor dem Justizpalast kostenlos planen und durchführen wird. „Es fühlt sich gut an, wenn man Gutes tut.“Denn genau wegen der hohen Kosten für das Umpflanzen – 500.000 Euro – hatten die Wiener Linien diese Option eigentlich verworfen.
Da Saller die BaumrettungsAktion nun gratis macht, sind die Kosten für die Wiener Linien (und damit für den Steuerzahler) überschaubar: Die Wiener Linien stellen nur die erforderlichen Fahrzeuge – einen 130-Tonnen-Kran und einen Tieflader – zur Verfügung. Und sorgen dafür, dass trotz engen Zeitplans der Bauarbeiten nun ein Zeitfenster von zwei Wochen für die Umsiedelung zur Verfügung steht.
Einfach wird diese nicht, „es ist noch nie so ein großer Baum verpflanzt worden“, sagt Saller. Erschwerend kommt hinzu, dass zum Abtransport eigentlich ein 100-Tonnen-Tieflader nötig wäre, der aber auf der Zweierlinie wegen der darunterliegenden U-BahnTunnel nicht fahren darf.
Die Umsiedelung muss mit einem Tieflader erfolgen, dessen Gewicht samt Baum 60 Tonnen nicht überschreiten darf. Damit dies gelingt, „müssen wir den Wurzelballen ein bisschen kleiner machen“, sagt Saller. Zudem wird nun auch die Baumkrone der Platane etwas verkleinert. Weiters werden Suchschlitze in die Erde gegraben, „um herauszufinden, wie tief die wichtigsten Wurzeln des Baums gehen“.
Stehender Transport
Steht all dies fest, wird die Platane mittels der sogenannten Rammtechnik versetzt: Mehrere Rammeisen werden dafür in die Erde eingebracht, „der Baum wird wie in einem Trog ausgehoben, die Wurzeln mit einer Diamantsäge abgeschnitten“, so Saller.
Ein Kran befördert den Baum dann auf den Tieflader. Wegen der Höhe von rund 22 Metern wird der Baum aber nicht – wie sonst üblich – umgelegt, „wir müssen ihn stehend transportieren“. Das ist nicht unheikel, weshalb es an dem Transporttag (ein genaues Datum gibt es noch nicht) jedenfalls windstill sein sollte und der Tieflader auch mit nur rund fünf km/h unterwegs sein wird.
Die Chancen, dass die Platane den Transport übersteht und am neuen Standort überlebt, seien groß, sagt Saller, „sonst würde ich das nicht machen“. Es sei wichtig, dass ein derart alter, hoher Baum gerettet wird – auch für das Klima in der Stadt: An Sommertagen „verdunstet ein derartiger Baum an einem Tag 1500 bis 1800 Liter Wasser, das entspricht dem Wert von 2500 Jungbäumen“.