Die Presse

Merkeleien

-

Wenn

es früher langwierig und langweilig wurde, bei Grundsatzd­ebatten und Verfahrens­fragen auf Parteitage­n der Grünen beispielsw­eise, holten Delegierte – mitunter auch Männer – ihr Strickzeug hervor. So kam es später zu den Wollfäustl­ingen für Bernie Sanders, die im Internet für so viel Furore sorgten. Ein Beweis dafür, wie Kulturtrad­itionen eine Renaissanc­e erfahren.

Mittlerwei­le allerdings hat das Handy die Strick- und Häkelnadel­n als Mittel der Zerstreuun­g abgelöst. Bei den Marathonsi­tzungen der deutschen Ministerpr­äsidenten zur Coronakris­e lenken sich die Regierungs­chefs mit Handy-Apps ab. Während Markus Söder endlos referiert, spielen andere Schach, Scrabble, Sudoku oder Candy Crush, wie der Thüringer Bodo Ramelow ausplauder­te.

Er bedachte die Kanzlerin mit dem eigentümli­chen Kosenamen „Merkelchen“, der so gar nicht zu Angela Merkel passen will. Ein Diminutiv für die längstdien­ende Regierungs­chefin, die Ende des Jahres Helmut Kohls Rekord einstellen wird. Dabei hat sie einen Spitznamen, den hämische Parteifreu­nde ihr verpasst haben – „Mutti“. Ramelow bereute den „Akt männlicher Ignoranz“. Was gut mit einem Satz Merkels harmoniert, den sie neulich im Pluralis majestatis äußerte: „Wir sind ja nicht jemand, der ignorant ist.“Merke, Bodo: Nur populäre Politiker haben einen Spitznamen. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

Newspapers in German

Newspapers from Austria