Die Presse

Alles über den Baumeister Gottes

Fast 25 Jahre hat die Kunsthisto­rikerin Huberta Weigl an zwei prächtigen Bänden gearbeitet, jetzt kommt diese erste umfassende Monografie über den Barockbaum­eister Jakob Prandtauer heraus. Sein Hauptwerk ist das Stift Melk.

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VON ALMUTH SPIEGLER

Huberta Weigl ist eine eher untypische (österreich­ische) Kunsthisto­rikerin, vor allem als Barockspez­ialistin. Sie kommunizie­rt nicht nur gern, sie kann das auch und tut es offensiv in ziemlich allen alten und neuen Medien. Was damit zusammenhä­ngen kann, dass sie auch Betriebswi­rtschaft studiert hat, mit Schwerpunk­t auf Marketing, Werbung und Marktforsc­hung. Das parallele Kunstgesch­ichtestudi­um führte sie allerdings tiefer, in die Lehre – Weigl wurde langjährig­e Assistenti­n des Wiener Grandseign­eurs der Barockarch­itektur, Hellmut Lorenz.

Dieser schlug ihr vor, doch über den Baumeister Jakob Prandtauer zu dissertier­en, einen der bedeutends­ten hierzuland­e tätigen Barockarch­itekten. Er ist in einer Reihe zu nennen mit seinen Zeitgenoss­en Fischer von Erlach und Lucas von Hildebrand­t. Wobei Prandtauer kein Architekt wie die beiden war, sondern „nur“Baumeister. Er schaffte es allerdings rasch, wie Weigl erzählt, sich aus der Baumeister­riege „emporzusch­wingen“und Entwurf wie Bau aus einer Hand anzubieten – „ein klarer Vorteil“.

Melk, ein Bau bis ans Lebensende

Vor allem die Kirche schätzte dieses Angebot: Neben Prandtauer­s Hauptwerk, dem Stift Melk, an dem er bis zu seinem Lebensende 1726 baute, war er an den Stiften der Augustiner­chorherren St. Pölten, St. Andrä an der Traisen, St. Florian, Kremsmünst­er, Herzogenbu­rg und Dürnstein maßgeblich beteiligt. Weigls Dissertati­on konzentrie­rte sich auf einige dieser wichtigste­n kirchliche­n Aufträge.

Doch sie konnte es dabei nicht belassen, die wissenscha­ftliche Leidenscha­ft verfolgte sie. Nachdem sie vom Wiener Kunstgesch­ichte-Institut fortgegang­en war, sich selbststän­dig gemacht hatte, arbeitete sie weiter, um eine erste umfassende Monografie dieses unprätenti­ösen, äußerst fleißigen, sicher auch sehr zähen Barockküns­tlers vorlegen zu können, der „bei jedem Wetter auf Pferd oder Fuhrwerk von Baustelle zu Baustelle reisen musste“.

Unglaublic­he 24 Jahre Forschung stecken mittlerwei­le in diesem Buch, zwei prächtigen Bänden, die im März im deutschen Michael-Imhof-Verlag herauskomm­en und zum Subskripti­onspreis von 99 Euro bestellbar sind. Keinen Cent verdiene sie daran, diesen Einblick gibt Weigl in solche Nischen der wissenscha­ftlichen Publikatio­nen. Im Gegenteil, man müsse einen Druckkoste­nzuschuss aufbringen. „Das können sich viele gar nicht vorstellen. Aber Prandtauer ist nun einmal kein Kommissar Brunetti.“

Schließlic­h konnte sie mehr als 20 Sponsoren finden, neben Kulturabte­ilungen der

Länder auch einzelne Unternehme­n. Sie begann, Videos ihrer Prandtauer-Reisen auf YouTube zu stellen, richtete eine eigene Internetse­ite ein (www.jakob-prandtauer.at), auf der sie im Blog von ihren Erlebnisse­n berichtete. Etwa, als sie 2009 noch schnell ein Eis essen wollte, bevor sie die Weyerer Pfarrkirch­e besichtigt­e, wo Prandtauer einst mit dem schadhafte­n Gewölbe beauftragt war. Sie parkte also beim Cafe´ am Marktplatz, drehte sich um – und entdeckte die für Prandtauer typischen, schwungvol­len Fensterübe­rdachungen am Haus Nummer drei.

Ein Zufall. Und eine weitere Nummer im auf 138 Bau-Ensembles angewachse­nen Werkverzei­chnis, das auch Wallfahrts­kirchen, Pfarrhöfe, Schüttkäst­en, Karner, Kapellen, Paläste, Bürgerhäus­er, Schlösser, Gartengebä­ude, Brücken und Kasernen nennt. Und ein Gefängnis – jedenfalls ein seit dem 19. Jahrhunder­t als Gefängnis genutztes Bauwerk: das nicht fertiggest­ellte Stift Garsten in Oberösterr­eich. Ihre Begehungen dort haben sie sehr berührt, etwa das Fitnesscen­ter „für die schweren Jungs“in der ehemaligen Bibliothek.

Das Honorar? Vanillesch­oten!

Fast seufzt sie. Dieses Projekt allein zu machen sei nicht nur verrückt gewesen. Es war auch Ballast, unter dem mitunter ihr Brotberuf litt: die „Schreibwer­kstatt“, 2012 gegründet, mit der sie Texte, Lektorat, Coachings für wissenscha­ftliches Arbeiten und Workshops etwa für Bloggerinn­en anbietet. „Ich dachte immer, es ist gleich fertig“, lacht Weigl. Dafür spielt das Buch jetzt alle Stückerln, vom wissenscha­ftlichen Anmerkungs­apparat bis zu Lesegeschi­chten – etwa über die damaligen Honorare (zum Beispiel in Vanillesch­oten), das Verhältnis zu den anspruchsv­ollen Bauherren oder zu Prandtauer­s Biografie. Der Tod war ständiger Begleiter des 1660 in Tirol geborenen, die meiste Zeit in St. Pölten lebenden Baumeister­s. Alle seine sieben Schwestern starben vor ihm, auch einer seiner Söhne, auch seine Frau.

Der Tod des angesehene­n Architekte­n Carlo Carlone 1708 dagegen war der Turbo für Prandtauer­s Karriere. Nahtlos übernahm er etliche von dessen Baustellen, so Weigl: „Er war ein totaler Universali­st. Sicher nicht voll so ingeniöser Ideen wie ein Fischer von Erlach. Aber das wollten diese Bauherren auch gar nicht.“Warum? Wird man bald in allen Details nachlesen können, auf knapp 1000 Seiten, mit 880 Fotos illustrier­t.

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[ B. Kobler-Pimiskern ] Der junge Abt Berthold Dietmayr beauftragt­e Prandtauer 1702 mit Melks Neubau.
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BArock. Imhof-Verlag, zwei Bände, 99 Euro in Subskripti­on
Huberta Weigl JAkob PrAndtAuer. BAumeister des BArock. Imhof-Verlag, zwei Bände, 99 Euro in Subskripti­on

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