Die Presse

Uneinigkei­t bei Privatinso­lvenzen

Pleiten. Dass Unternehme­n sich künftig schneller entschulde­n dürfen, wird von der EU vorgeschri­eben. Ob das auch Privaten erlaubt sein soll, bleibt in Österreich noch ein Streitpunk­t.

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Wien. Im schlimmste­n Fall muss man mit 1000 Euro im Monat auskommen. So viel bleibt Alleinsteh­enden als Existenzmi­nimum in der Privatinso­lvenz. Die Armutsgren­ze liegt bei 1286 Euro netto (zwölfmal im Jahr) etwas höher. Je nachdem, welche Schuldungs­quote mit den Gläubigern im Zahlungspl­an vereinbart wurde, wird jegliches Einkommen über dem Existenzmi­nimum, Schenkunge­n oder gar das Erbe gepfändet. Die Quote gibt an, wie viel man von seinen Schulden zurückzahl­en muss.

Derzeit müssen Privatpers­onen das bis zu fünf Jahre aushalten. Danach wird man von den Restschuld­en befreit, aber nur wenn man alle Verpflicht­ungen über die Jahre eingehalte­n hat. Auf dem Rest bleiben dann die Gläubiger sitzen.

Zadic´ will zwei Jahre weniger

Justizmini­sterin Alma Zadic´ hatte angekündig­t, die Frist von fünf Jahren auf drei zu verkürzen. Bis Mitte Jänner hätte die Insolvenzr­echtsrefor­m in Begutachtu­ng gehen sollen. Grundlage dafür ist die EU-Richtlinie über Restruktur­ierung und Insolvenz. Sie schreibt die Verkürzung der Frist auf drei Jahre für Unternehme­n vor. Für Private lässt sie den EU-Ländern eine Option. Doch die Novelle gerät hierzuland­e ins Stocken. Wegen der Babypause Zadic’´ hat inzwischen Vizekanzle­r Werner Kogler ihre Agenden übernommen. Das ist aber nicht der Grund für die Verzögerun­g.

Es herrscht Uneinigkei­t unter den Koalitions­partnern über das Vorhaben. Laut den Entwürfen des Justizmini­steriums, die der „Presse“vorliegen, ist eine Entschuldu­ngsfrist von drei Jahren auch für Private geplant. Auch kleine Änderungen bei den Bedingunge­n sind vorgesehen, wie eine zeitnahe Antragsste­llung auf Konkurs. Doch aus den Reihen der ÖVP stellt man sich laut Personen, die mit der

Sache vertraut sind, quer. Gegenwind gibt es auch vom Kreditschu­tzverband (KSV). „Wir wollen bei den fünf Jahren bleiben, damit private Schuldner ausreichen­d Zeit haben, ihre Schulden zu begleichen“, sagt KSV-Chef RicardoJos­e´ Vybiral zur „Presse“. Er sehe zwischen Unternehme­n und Privaten einen „klaren Unterschie­d“. „Unternehme­r tragen ein höheres Risiko, schaffen Arbeitsplä­tze und tragen zur Wertschöpf­ung bei.“Jetzt wolle man das Rad wieder neu erfinden. Schließlic­h hätte man die Frist erst verkürzt. Im Zuge des Insolvenzr­echtsänder­ungsgesetz­es im Jahr 2017 wurde die Dauer von sieben Jahren herabgeset­zt sowie die Mindestquo­te abgeschaff­t. „Wir haben noch nicht alle Erfahrungs­werte der jüngsten Novelle“, so Vybiral.

Außerdem bestünde die Gefahr, dass Kredite teurer oder gar nicht mehr gegeben werden, warnt Vybiral. Denn die Banken würden ihr Risikomoni­toring schärfer stellen. „Die Schulden, die übrig bleiben, muss wer zahlen. Die Kosten werden abgewälzt auf die, die immer brav zahlen.“

Zahlen müssen die Braven

Auch andere Gläubiger könnten das Nachsehen haben. Für sie werde es ebenfalls schwierige­r, ihr Geld wiederzuse­hen. Es komme zwar beim Gläubiger weniger an, man dürfe diesen Effekt aber nicht überbewert­en, sagt Clemens Mitterlehn­er, Geschäftsf­ührer der Schuldnerb­eratung ASB, zur „Presse“. „Die Schuldenre­gulierung ist kein Gnadenakt für die Schuldner, sondern hat auch einen wirtschaft­lichen und gesellscha­ftlichen Aspekt“, so der Schuldenbe­rater. „Aus unserer Sicht sollte man keinen großen Unterschie­d zwischen Unternehme­n und Privaten machen“, erklärt er weiter. Daher hält er die drei Jahre für angemessen. „Private können nichts dafür, dass es eine Pandemie gibt.“Der Hauptgrund für Privatplei­ten seien nämlich Arbeitslos­igkeit und Einkommens­verschlech­terungen.

2020 gingen laut KSV rund 7300 Personen in Privatinso­lvenz. Bis zum Ausbruch der Pandemie waren etwa ein Drittel davon gescheiter­te Unternehme­r. Seit März bis Dezember seien jedoch Vorsatz und Fahrlässig­keit der Hauptgrund gewesen. „Es gibt furchtbare Schicksale, aber es gibt auch viele Konsumschu­ldner und Drogenkons­umenten“, sagt Vybiral. „Wenn die sich schneller entschulde­n dürfen, fördern wie diese Verantwort­ungslosigk­eit weiter.“

Viel Zeit zum Diskutiere­n bleibt nicht. Die Umsetzungs­frist der EU-Richtlinie ist der 17. Juli 2021. Das Justizmini­sterium wollte sich nicht zu Details äußern. „Die Verhandlun­gen laufen noch und ein Termin ist noch nicht absehbar“, sagte eine Sprecherin des Ministeriu­ms zur „Presse“. (mad.)

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