VW ID.4: Ist das schon E-Mobilität fürs Volk?
Neuvorstellung. Kann alles, tut alles – nun soll VWs Elektroplattform mit SUV-Appeal punkten.
Die Elektrozukunft hat man sich ursprünglich anders vorgestellt. Wie genau? Schwer zu sagen, aber jedenfalls: anders. Was in den vergangenen Jahrzehnten probiert und ausgetüftelt wurde – praktisch jeder großer Hersteller hatte elektrische Versuchsprogramme laufen –, bemühte sich, nicht wie ein normales Auto auszusehen. Experimentell, futuristisch – das war schon dem Thema geschuldet. Genauso wie die Kleinheit: Dass man etwas anderes als schmal gepickte City-Formate elektrifizieren würde, im Wissen um die Grenzen der Speicherfähigkeit von Batterien, auf die Idee kam erst Tesla, zuerst mit einem Roadster, dann mit einer ausgewachsenen Limousine. Mit Batterien, die allein so schwer sind, wie es magere Kleinwagen als Ganzes sein könnten.
In diesem Geist ist der VW ID.4 zu sehen – als bestmögliches Imitat eines konventionellen Autos, um die Schwelle für den Umstieg möglichst niedrig zu legen. Dass Autokäufer auf etwas von dem gewohnten Komfort verzichten würden, das gibt die Zielgruppenanalyse augenscheinlich nicht her.
An der Ladesäule
Und doch sind Abstriche zu machen, und zwar die bestens bekannten bei der Reichweite. Auch mit dem größeren der künftig verfügbaren zwei Akku-Packs ausgestattet (77 kWh netto), ergeben sich nur 360 Kilometer, dies allerdings „realitätsnah“. Wir würden meinen: Locker für Stadt und Umland, doch zu viel Autobahn sollte nicht dabei sein. Bei winterlicher Fahrt von Wien nach Salzburg oder umgekehrt sollte man sich beim Tempo sicherheitshalber an Pferdetransporter halten. Wer unterwegs nachlädt, kann dies mit bis zu 125 kW Leistung tun – jedenfalls vom Auto her. Denn oft schon haben wir an der Ladesäule nur einen kleinen Teil davon herausbekommen, weil nebenan schon andere am Saft nuckelten, was den Stromfluss reduziert. Werden tatsächlich 125 kW spendiert, ist die Batterie laut VW in 38 Minuten auf 80 Prozent geladen, soweit die Bedingungen der Norm entsprechen.
Aber wer mit einem E-Auto dieser Kategorie liebäugelt, der hat seine persönlichen Berechnungen wohl schon angestellt – die Langstrecke wird nicht das bevorzugte Revier sein, und regelmäßiges Laden ist durch eine Wallbox zu Hause und/oder an der Arbeitsstätte leicht zu haben.
Am großen Gummiband
Dann kann man sich an dem ID.4 in all seiner Pracht erfreuen. Wie schon der ID.3 im Golf-Format ist das kompakte SUV mit Heckantrieb in gleicher Stärke (150 kW, entspricht 204 PS, Drehmoment: 310 Nm) motorisiert. Mit dem größeren Aufbau und etwas über 2,1 Tonnen Leergewicht ist der Vierer erwartungsgemäß nicht ganz so vehement spritzig wie der Dreier, aber es ergibt sich dennoch ein Zug wie am großen Gummiband, Beschleunigung und Durchzug sind stets mühe- und ansatzlos. Auf Schneefahrbahn konnten wir den ID.4 auf die Schnelle nicht entführen, rechnen aber mit einem ausreichenden Maß an Traktion trotz des Heckantriebs, für die Regelsysteme bei Elektromotoren eine leichte Übung. Schwer vorstellbar, wozu man Allrad und 225 kW Leistung benötigen sollte, doch eine solche GTX getaufte Variante ist für den April angesagt, Preis noch offen.
Gut gedämmt
Viele Rekuperationsstufen sucht man im ID.4 vergeblich; wer dem Ein-Pedal-Fahren nahekommen will, muss den Wahlhebel von D auf B stellen. Viel mechanisch bremsen muss man so oder so nicht, das vermitteln schon die Trommelbremsen hinten – völlig ausreichend, Scheibenbremsen würden dort mangels Bedarfs nur versulzen.
Der ID.4 ist hochwertig verarbeitet, was man auch an der massiven Geräuschdämmung ermessen kann. Ein E-Motor, dessen Magnet mit bis zu 14.000 Umdrehungen in der Minute rotiert, ist ja keineswegs lautlos, dennoch ist im VW nichts davon zu hören oder zu spüren, anders als in Plug-in-Hybriden, die wir unlängst fuhren.
Der Erholungswert einer solchen leisen, überaus geschmeidigen Fortbewegung ist beim ID.4 eindeutig auf der Habenseite. Auch der schöne, luftige Innenraum, der mehr an einen Van erinnert denn ein SUV. Wie opulent das Interieur eingerichtet ist, liegt wie gewohnt am Budget, wobei, um den aktuellen Einstiegspreis zu relativieren, das Komplettpaket („Max“) um 56.790 Euro eine Orientierung gibt. Nur bei diesem ist etwa die Wärmepumpe inkludiert, die Abwärme der Akkus zum Beheizen des Innenraums nutzt.
Bedenken bezüglich der Batterie-Haltbarkeit sucht VW mit einer Garantie zu zerstreuen, sie gilt acht Jahre oder 160.000 Kilometer auf mindestens 70 Prozent der Ursprungskapazität, was sich gerade als informeller Industriestandard durchsetzt. Ob das schon zum Mainstream führt, oder doch noch Golf und Tiguan, bleibt offen.