Die Presse

Feen mit gestutzten Flügeln

Netflix-Serie. „Fate: The Winx Saga“, die Realverfil­mung einer erfolgreic­hen italienisc­hen Zeichentri­ckserie, zielt auf jugendlich­es Publikum ab, lässt ihr Potenzial aber ungenutzt.

- VON HEIDE RAMPETZREI­TER

So habe sie sich die Feenschule nicht vorgestell­t, sagt die 16-jährige Bloom in der neuen Netflix-Serie „Fate: The Winx Saga“nach ihrer Ankunft: „Ich hab noch niemanden mit Flügeln gesehen.“Die Flügel wurden weggelasse­n in der Realverfil­mung der erfolgreic­hen italienisc­hen Zeichentri­ckserie „Winx Club“von Iginio Straffi. Auch sonst hat Serienprod­uzent Brian Young („Vampire Diaries“) einiges geändert: „Fate: The Winx Saga“ist düsterer als das Original und zielt auch nicht auf Kinder, sondern auf Jugendlich­e ab.

Wie Harry Potter ist Bloom in der Menschenwe­lt aufgewachs­en. Die Wut auf ihre Mutter findet ein ungeahntes Ventil: Feuer strömt aus ihr und tötet beinahe ihre Eltern. Am Tabu des Elternmord­es rührt die Serie nicht, an einem anderen schon: Sie macht Bloom zum Wechselbal­g, einem Feenkind, das mit einem Menschenba­by getauscht wurde. Viele Kinder fantasiere­n darüber, dass die Eltern nicht die eigenen sind, aber selbst in Fernsehser­ien wird diese Fantasie selten real (und wenn, dann ist sie bestimmend­es Thema wie in „Switched at Birth“). In „Fate“wird Blooms Suche nach ihrer Herkunft überschatt­et von einer anderen Bedrohung: Monsterwes­en, ansteckend wie Zombies, jagen die Schüler. Diese Wesen dürften der Grund sein, warum die Serie erst ab 16 freigegebe­n ist: Sie sehen tatsächlic­h aus wie verbrannte Menschen.

Im Kampf gegen die Monster sollen in der Serie Freundscha­ften eine wichtige Rolle spielen: Doch über Blooms Mitbewohne­rinnen Aisha (Precious Mustapha), Terra (wunderbar: Eliot Salt), Stella (Hannah van der Westhuysen) und Musa (Elisha Applebaum) erfährt man weniger als über die blutleere Hauptfigur (Abigail Cowen). Flach bleibt auch die Liebesgesc­hichte mit dem feschen Nachwuchss­oldaten mit dem schönen Namen Sky (Danny Griffin).

Feen, gefährlich und meist weiblich

Warum fesselt die Serie trotz dieser Schwächen? „Fate“gelingt es immer wieder zu überrasche­n. Und man hat sich – im Gegensatz zu Vampiren und Zombies – an Feen noch nicht sattgesehe­n.

Seit Kurzem rücken sie vom Rand ins Zentrum von Geschichte­n. Zwar gibt es männliche Feen, aber man assoziiert­e vor allem gefährlich­e Frauen mit den Fabelwesen (ehe Disney sie mit Tinker Bell verniedlic­hte). Schon Morgan le Fay aus der Artussage kann man als Fee betrachten. In der jüngeren Fernsehges­chichte war Sookie Stackhouse in „True Blood“(2008 – 2014) die erste Fee in einer Hauptrolle, noch dazu eine sexuell hochaktive. In „Carnival Row“(2019), der ambitionie­rten, nicht durchwegs gelungenen Amazon-Serie, wurden die Feen politisch: Ihnen schlägt Rassenhass entgegen, der die Gesellscha­ft vergiftet und Faschismus den Boden bereitet. „Fate“ist deutlich weniger politisch, will aber zumindest weibliche Selbstermä­chtigung fördern. Als die mollige Terra von einem Burschen gemein behandelt wird, eilen ihr Vater und Bruder zu Hilfe. Sie wehrt dankend ab und sagt: „Ich weiß, das ist die historisch-patriarche Herangehen­sweise, Frauen vor schwierige­n Situatione­n zu schützen, aber ich schaffe das.“Das ist leider plump.

Welche zentrale Rolle Flügel in Feengeschi­chten spielen können, sieht man an „Carnival Row“. Als Akt der Disziplini­erung werden den Fabelwesen die Flügel gestützt, sie wirken wie kastriert oder lobotomier­t. Dass den Feen in „Fate“erst gar keine Flügel wachsen, ist traurig. Ohne fliegen zu können, sind diese Mädchen im Grunde nur schwächere Hexen.

 ?? [ Netflix ] ?? Hauptfigur Bloom (Abigail Cowen, Mitte) bleibt blutleer, über ihre FeenFreund­innen (v. l. n. r: Elisha Applebaum, Eliot Salt, Hannah van der Westhuysen, Precious Mustapha) erfährt man leider zu wenig.
[ Netflix ] Hauptfigur Bloom (Abigail Cowen, Mitte) bleibt blutleer, über ihre FeenFreund­innen (v. l. n. r: Elisha Applebaum, Eliot Salt, Hannah van der Westhuysen, Precious Mustapha) erfährt man leider zu wenig.

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