Botticellis geheimnisvoller Werber
Kunstmarkt. Ein Rekordpreis für den Renaissancemaler Sandro Botticelli wurde am Donnerstagabend in New York erzielt. „Der junge Mann mit Medaillon“aber gibt Rätsel auf.
Caterina Sforza wollte ihren Augen nicht trauen. Gerade war sie mit wehenden dunkelblonden Locken, nur notdürftig geflochten und mit breiten Bändern nach hinten gebunden, der Fechtstunde enteilt. Die außereheliche Tochter der Mailänder Herzogsfamilie galt als vorzügliche Fechterin, sie soll die Burg Forl`ı, in der sie neben Imola herrschte, sogar selbst gegen Verschwörer verteidigt haben.
Jetzt aber hatten ihre Hände anderes zu tun. Sie hielt endlich das Porträt in Händen, das sie lang schon ersehnte: Ein wenig müde, denkt sie, blickt er mich an. Die Wangen aber sind rosig, die Lippen sanft geschwungen, die Haare reichen in schweren Wellen bis zur Schulter. Aber was trägt er da nur in Händen? In einem kleinen, konvexen Spiegel, eingelassen in ein Medaillon, entdeckte sie stauend sich selbst! Das perfekte Doppelporträt einer verborgenen Liebe, gemalt vom berühmtesten Maler von Florenz, Sandro Botticelli. Nur wenig später sollten Caterina und Giovanni di Pierfrancesco de Medici, der Gesandte der mächtigen Florentiner Bankiersfamilie, mit dem sie so galant über eine Getreidelieferung verhandelt hatte, in den Stand der Ehe treten, heimlich.
Ein Dutzend brillante Porträts
So könnte es gewesen sein. Oder auch ganz anders. Niemand kennt die Geschichte hinter dem „Bildnis eines jungen Mannes mit Medaillon“, das gestern bei Sotheby’s in New York versteigert wurde. Auf 80 Millionen Dollar, etwa 70 Millionen Euro, war das (meist) Sandro Botticelli in seiner Hochphase um 1480 zugeschriebene Porträt geschätzt. Die 100-Millionen-Marke, vielleicht sogar der Titel „teuerstes auktioniertes Porträt“(statt Klimts „Goldener Adele“also), schien also zumindest in Reichweite. Nach nur viereinhalb Minuten stand der Preis mit 92 Millionen Dollar fest, immerhin ein Rekord für ein Werk des Renaissancemalers, von dem fast nie etwas auf den Markt kommt, von dem nur etwa ein Dutzend seiner brillanten Porträts erhalten sind.
Wenig wusste und weiß man schließlich auch über diese nur knapp 60 cm hohe, 40 cm breite Pappelholztafel, von der uns dieser Knabe von vielleicht 17, 18 Jahren so gleichmütig betrachtet. Wie wenig Raum ihm nur bleibt, nahezu eingeklemmt zwischen der erstaunlich reduzierten Architektur des Bildes, zwischen dem schlichten Fensterrahmen im Hintergrund und der schmalen, steinernen Brüstung im Vordergrund, die der Mittelfinger seiner linken Hand keck überragt. Als strecke er einen Fühler aus, hinein in unsere Welt, unsere Zeit. In seinen Händen, wo sich laut These des Kunsthistorikers David Alan Brown vielleicht einmal Caterina oder eine andere Holde spiegelte, hält er seit dem 19. oder sogar 20. Jahrhundert erst das Fragment eines gotischen Altarbilds, das Bildnis eines mangels
Attribute nicht zu identifizierenden Heiligen. Viele Überlegungen haben dieses manchen Experten fast zu perfekt, „zu botticellieske“Bild schon begleitet, das erstmals 1950, als es in die Sammlung von Sir Thomas Merton einging, die eindeutige Zuschreibung an Botticelli erhielt.
Zuletzt hing es als Dauerleihgabe im Metropolitan Museum, war u. a. in der Botticelli-Ausstellung im Frankfurter Städel zu sehen. Besitzer war die Privatstiftung des New Yorker Immobilienmilliardärs Sheldon Solow, der kurz vor seinem Tod im November noch verkünden ließ, dass er das Bild verkaufen wolle. Er selbst hatte es 1982 für gut eine Million damalige Dollar ersteigert.