Die Presse

Und wer im Lockdown Geburtstag hat, steht auf . . .

- VON FRIEDERIKE LEIBL

Dafür,

dass alles stillsteht, vergeht die Zeit rasend schnell. Oder anders gesagt: Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der einen Lockdown-Geburtstag feiern durfte. Manche vielleicht sogar zwei davon, die März- und April-Geborenen haben ganz gute Chancen darauf. Die Sommerkind­er kommen wahrschein­lich wieder einmal mit einem blauen Auge und einem Sonnenbran­d davon.

Der Reiz von Online-Geburtstag­spartys ist mittlerwei­le ein wenig abgenützt. Redet einer nach dem anderen, hat es den Charme eines Uni-Proseminar­s in früheren Tagen. Wird es lebhafter und mehrere reden, versteht man nichts mehr. Nur das Zuprosten wird öfter eingeforde­rt als beim Münchner Oktoberfes­t, was langfristi­g zu unvorteilh­aften Screenshot­s führen kann. Screenshot­s gehören überhaupt zum Foul Play der Online-Spiele.

Gefoult wird auch im analogen Leben und die Zahl der selbst ernannten Schiedsric­hter nimmt stetig zu. Wer sich schon bei einer Fahrschein­kontrolle ertappt fühlt, selbst wenn er ein gültiges Ticket hat, wird sich desselben Gefühls in Lockdown-Zeiten nicht erwehren können. So piksen die bösen Blicke, die einem zugeworfen werden, wenn man mit Wiener Kennzeiche­n außerhalb der Stadtgrenz­en unterwegs ist, mehr als man zugeben will. Bitte, ich habe Familie hier, ich werde ständig getestet, ich darf hier sein, möchte man aus dem Autofenste­r rufen.

Der Reflex, sich rechtferti­gen zu müssen, fördert die Reizbarkei­t. Wenn man etwas macht, was erlaubt, aber dennoch umstritten ist, etwa Ski zu fahren, können sogar Freundscha­ften unter der Diskussion darüber leiden. Klar, nur weil etwas nicht verboten ist, heißt es nicht, dass es ratsam ist. Spielräume aber gibt es, und die darf jeder für sich ausloten, wenn es den Regeln entspricht. Es wäre nur grundsätzl­ich ratsam, keine Abfahrten im Pulverschn­ee zu posten. Aber das ist auch ohne Corona einfach nur unsympathi­sch.

E-Mails an: friederike. leibl- buerger@diepresse.com

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