Vom Loipenstar zum Einsiedler
Langlauf. Sprint-Dominator Johannes Høsflot Klæbo lebt aus Corona-Angst völlig isoliert, der WM-Test bringt ihn zurück in den Weltcup. Gibt der Norweger Kritikern die sportliche Antwort?
Falun/Wien. Das Eremitenleben ist im nordischen Wintersport nicht ganz neu. Biathlon-König Ole Einar Bjørndalen war der aktuellen Zeit lange voraus, der Norweger schottete sich stets im eigenen Wohnmobil ab und verzichtete wegen Hygienebedenken auf den Handschlag zur Begrüßung. Auf noch extremeren Spuren wandelt nun Landsmann Johannes Høsflot Klæbo. Der Langlauf-Jungstar hat größte Sorgen wegen der unabsehbaren Langzeitfolgen einer Corona-Infektion und lebt deshalb schon seit Monaten in einer Art Dauerquarantäne.
Die Wohnung in Trondheim hat Klæbo gegen ein Chalet im Skigebiet Skeikampen getauscht, verlässt es nur für das Training. Auch Eltern, Bruder und Freundin haben dort nur selten, und wenn ausschließlich nach „Sicherungstagen“und negativem PCR-Test Zutritt. Partnerin Pernille muss ihre Uni-Kurse ausnahmslos virtuell absolvieren, besuchen durfte sie ihn über Weihnachten trotzdem nicht. „Es ist traurig, das so zu sagen, aber sie ist gezwungen, so zu leben wie ich“, erklärte der 24-Jährige.
Den Weltcup hat der Sprintsieger der Vorsaison nach dem Gewinn des Ruka-Triples Ende November wie das gesamte norwegische Team (und anfangs auch Schweden und Finnland) boykottiert. Das Sicherheitsprotokoll der FIS ist ihm nicht streng genug. Sogar einen WM-Verzicht stellte er zunächst in den Raum.
Keine Reue
Inzwischen ist die Titelverteidigung für den dreifachen Weltmeister (Sprint, Teamsprint, Staffel) in Oberstdorf (ab 23. Februar) jedoch das erklärte Ziel, dafür springt er über seinen eigenen Schatten. Eine Woche nach seinen Teamkollegen gibt Klæbo heute (11.15 Uhr, live, Eurosport2) in Falun sein Weltcup-Comeback. „Es ist schon eine Weile her. Es wird gut sein, zurückzukommen, ich freue mich“, sagte der zweimalige Gesamtweltcupsieger, der die knapp 450 Kilometer nach Schweden im Auto absolvierte. Dass die Norweger in der Pause nichts verlernt haben, zeigte das vergangene Wochenende. In Lahti siegten Therese Johaug und Emil Iversen jeweils im Einzel und mit den Staffeln.
„Es war nicht leicht, den anderen zuzuschauen, ich wäre lieber mit ihnen gelaufen“, meinte Klæbo. Als jüngster Tour-de-Ski-Sieger (2019) und dreimaliger Olympiasieger in Pyeongchang avancierte er zum Shootingstar, der den Langlaufsport auf Jahre dominieren könnte. Dass er sich nun in Eigenregie dem Vergleich mit der Konkurrenz auf der Weltcupbühne entzieht, sorgt auch für Kritik. „Es ist nicht gut für unseren Sport, dass die besten Athleten nicht an
Ort und Stelle sind. Auch nicht für Klæbo“, meinte der Deutsche Markus Cramer, der mit Alexander Bolschunow (RUS) einen der Profiteure der norwegischen Absenz betreut. Klæbo aber steht zu seinem eigenwilligen Weg. „Ich würde lieber langlaufen gehen, kein Zweifel. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Entscheidungen, die ich getroffen habe, richtig sind.“
Norwegen schließt Grenzen
Mit den Corona-Sorgen ist Klæbo in Norwegen jedenfalls nicht allein. Seit Mitternacht hat das Land wieder seine Grenzen für Ausländer geschlossen. Die ersten Sportevents (Skispringen und Kombination in Lillehammer) wurden bereits abgesagt, die Raw-Air-Serie, Biathlon oder das Weltcupfinale der Langläufer in Oslo wackeln. Auch den Loipenstar wird erst die Impfung aufatmen lassen: „Dann hätte ich keine Sorgen, die nächsten Jahre wieder mit ganzem Herzen langlaufen zu gehen.“In der Zwischenzeit kann die Konkurrenz aufholen, in seinen neuesten Video-Blogs erklärt Klæbo übrigens seine Skitechnik.
Mit drei Prozent weniger Lungenkapazität gewinne ich nicht mehr.
Johannes Høsflot Klæbo Norwegischer Langläufer