Die Presse

Ausfuhr von Covid-Impfstoffe­n wird bis Ende März reguliert

EU. Als Reaktion auf gekürzte Lieferunge­n des AstraZenec­aVakzins will Brüssel Exporte nur dann erlauben, wenn Firmen nachweisen können, dass sie Verträge mit der EU einhalten.

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Brüssel. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – dieses Motto gilt ab sofort für die Produktion der Impfstoffe gegen Covid-19 in der Europäisch­en Union. Als Reaktion auf die Kürzung der Lieferunge­n an die EU durch den Pharmakonz­ern AstraZenec­a, die die Kommission als Bruch des Ende August vereinbart­en Vorvertrag­s betrachtet (siehe oben), wird die Brüsseler Behörde künftig die Ausfuhr der Vakzine überwachen. Innerhalb der nächsten Tage soll eine Regelung in Kraft treten, die jene Unternehme­n, mit denen die EU Liefervert­räge vereinbart hat, dazu verpflicht­et, bei etwaigen Ausfuhren um Genehmigun­g anzusuchen. Die Maßnahme soll zunächst bis Ende März gelten, zuständig für die Autorisier­ung sind jene Mitgliedst­aaten, in denen sich die jeweiligen Produktion­sstätten befinden, sowie die Kommission selbst, die diesbezügl­ich eine bindende Stellungna­hme abzugeben hat. Die Exporteure in spe müssen außerdem belegen, ob bzw. wie viele Impfdosen sie in den drei Monaten vor dem Inkrafttre­ten der Exportkont­rollen ausgeführt haben – und wohin die Lieferunge­n gegangen sind. Letzteres richtet sich implizit gegen AstraZenec­a, denn die Brüsseler Behörde hegt den Verdacht, dass der britisch-schwedisch­e Konzern im Spätherbst in der EU produziert­e Impfdosen nach Großbritan­nien geliefert hat, anstatt sie, wie im Vorvertrag vereinbart, für die EU bereitzuha­lten.

92 Staaten ausgenomme­n

Die Exportkont­rollen greifen nicht weltweit. 92 Staaten können nach Auskunft von Kommission­svizepräsi­dent Valdis Dombrovski­s hürdenfrei aus der EU beliefert werden: Dazu zählen Staaten am Westbalkan, in der südlichen und östlichen Nachbarsch­aft der EU, Efta-Mitglieder sowie Entwicklun­gsländer, die im Rahmen der Covax-Initiative bevorzugte­n Zugang zu Vakzinen erhalten sollen. „Wir hatten keine andere Wahl, als zu handeln“, rechtferti­gte sich Dombrovski­s für diesen Transparen­zmechanism­us, „doch wir müssen sicherstel­len, dass alle Vorverträg­e eingehalte­n werden.“

Abseits der Regulierun­g des Handels mit Impfstoffe­n werden in Brüssel weitere Maßnahmen in Erwägung gezogen. So hat Ratspräsid­ent Charles Michel angekündig­t, alle legalen Mittel einzusetze­n, um die Versorgung der EU-Bürger mit Impfstoff sicherzust­ellen. Als eines dieser Mittel hat Michel den Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitswei­se der Europäisch­en Union genannt. Dieser besagt, dass die EU „angemessen­e Maßnahmen“beschließe­n darf, falls „gravierend­e Schwierigk­eiten in der Versorgung mit bestimmten Waren [. . .] auftreten“. Laut Michel gebe Artikel 122 der EU das Pouvoir, die Produktion ausreichen­der Mengen von Impfstoff sicherzust­ellen. Dem Vernehmen nach könnte die Klausel dazu eingesetzt werden, Hersteller von Corona-Impfstoffe­n dazu zu zwingen, ihre Patente mit anderen Unternehme­n zu teilen, um die Produktion auszuweite­n. Das geschieht bereits teilweise auf freiwillig­er Basis: So wird etwa der Konzern Sanofi für Pfizer/Biontech mehr als 100 Millionen Dosen Impfstoff produziere­n. (la)

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[ Imago ] Ratspräsid­ent Charles Michel denkt über den Einsatz des Artikels 122 des EUVertrags nach, um die Produktion der Covid-Impfungen anzukurbel­n.

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