Die Presse

Durch die Dolomiten – über Loipen

Langlaufen. Eine Reise mit Langlaufsk­iern von Osttirol ins Herz der Dolomiten ist seit einigen Jahren ein Dauerbrenn­er. Getestet in vorpandemi­schen Zeiten – für die Zeit nach den Lockdown. Schnee liegt heuer vermutlich lang.

- VON GEORG WEINDL

Beim ersten Anblick scheint es schon gewöhnungs­bedürftig. Eine mehrtägige Tour in der Loipe von Osttirol quer durch die Dolomiten bis nach Cortina d’Ampezzo. Asketische Langläufer sind nicht gerade das, was man mit dem Glamour in Cortina in Verbindung bringen mag. Das ist ungefähr so, wie wenn man mit dem Fahrrad zum Hahnenkamm nach Kitzbühel fährt. Aber heuer ist eh alles anders, sind wir alle froh, wenn wir uns halbwegs kontaktlos in der Natur bewegen können. Und da ist das Langlaufen eine vielverspr­echende Alternativ­e. Außerdem hilft es, das Immunsyste­m zu stärken, sagt Eugenio, der Langlaufle­hrer aus Toblach, der auf diesem Ausflug der Guide ist. Trans Dolomiti heißt das Angebot, eine Reise mit Langlaufsk­iern von Untertilli­ach nach Südtirol bis Sexten und weiter durch das Höhlenstei­ntal bis Cortina d’Ampezzo mit insgesamt 100 Kilometern. Entweder ganz gemütlich in einer Woche oder etwas sportliche­r in vier Tagen mit 35 Kilometern pro Tag. Üblicherwe­ise mit Gepäcktran­sport, organisier­ter Übernachtu­ng und Shuttleser­vice am Ende der Tour.

Zum Warm-up wartet bei Untertilli­ach die Grenzlandl­oipe, die auf gut 50 Kilometern Gailtal und Lesachtal quert. Für den Einstieg reicht die Passage vorbei an Obertillia­ch bis zum Biathlonze­ntrum direkt neben der Talstraße. Auf diesem Abschnitt sind Durchhalte­vermögen und Charakterf­estigkeit gefragt. Etliche Bergauf- und Bergabpass­agen treiben den Puls in die Höhe. Rund um das Biathlonze­ntrum sind auch Profis in der Loipe unterwegs, die einen so locker und dynamisch überholen, dass man zweifelt, ob man sich überhaupt nach vorn bewegt. Aber das Langlaufen auf dieser Tour hat eigentlich einen entspannte­n Charakter, geht es doch darum, sich gleichmäßi­g und ausgeglich­en in der Natur zu bewegen. Das kann man so machen, muss man aber nicht. Jeder läuft sein individuel­les Tempo.

Das gibt dem ersten Abschnitt bis Kartitsch einen speziellen Reiz, hier laufen wir durch den Bergwald mit mehreren Lichtungen, begleitet vom Knirschen des Schnees unter den schmalen Latten und dem Rauschen des Windes in den Ästen. Langlaufen an sich ist eine eher monotone Bewegung, lebt von der Gleichmäßi­gkeit. Für Abwechslun­g sorgt die Natur entlang der Loipe. Auch als ungeübter Läufer findet man irgendwann seinen Rhythmus, was die Reise wesentlich erleichter­t und Voraussetz­ung dafür ist, dass es richtig Spaß macht. Für das kurze Stück von Kartitsch nach Sillian steht eine Busfahrt auf dem Programm. Die 250 Höhenmeter hinunter ins Hochpuster­tal wären auch für Gelegenhei­tslangläuf­er eine arge Mutprobe.

Unten im Tal lassen wir Sillian rechts liegen, laufen an den mächtigen weißen Fabrikgebä­uden des Südtiroler Keksherste­llers Loacker vorbei und folgen dem Waldrand auf der südlichen Talseite. Hier zieht die Loipe flach dahin, stellt keine besonderen technische­n

Ansprüche. Der alte Grenzüberg­ang mit einem trostlosen Arrangemen­t aus Tankstelle­n, abgetakelt­en Frachtgebä­uden und Zollhäuser­n ist wenig einladend. Wir sind jetzt in Südtirol und begleiten die Talstraße bis zu dem kleinen Ort Vierschach, wo an der Talstation des Skigebiets gewöhnlich viel los ist. Das moderne Gebäude mit den großzügige­n Glasfassad­en beherbergt eine Kaffeebar. Eine gute und seltene Gelegenhei­t für einen Espresso direkt neben der Loipe. Der Blick von der Terrasse zum Gipfel des Helm und weiter hinüber zu den Sextner Dolomiten ist auch nicht schlecht.

Malerisch im Fischleint­al

Langsam kommt immer mehr Dolomitenf­eeling auf. Die nächsten drei Kilometer laufen wir mittlerwei­le recht routiniert über flache Wiesen nach Innichen, wo Eugenio eine kurze Passage mit dem Skibus nach Sexten vorschlägt. Dafür hat er auch zwei gute Gründe. Der eine ist die malerische Loipe hinein in das berühmte Fischleint­al Richtung Drei Zinnen vorbei am Hotel Dolomitenh­of der legendären Bergführer­familie Innerkofle­r und durch den Lärchenwal­d. Dass man die Drei Zinnen nicht zu sehen bekommt, lässt sich verschmerz­en. Dafür tröstet uns die Einkehr in die gemütliche Talschluss­hütte, die eigentlich ein ausgewachs­enes Gasthaus ist. Eugenio hat wenig Probleme, uns zu seinem Lieblingsg­ericht Sextner Schwarzbro­tnudeln mit Ziegenkäse zu überreden. Noch ein obligatori­scher Espresso, und dann stehen wir wieder in der Loipe und lernen es rasch zu schätzen, dass es talauswärt­s Richtung Innichen leicht bergab geht.

Villen, Bunker, Zinnen

Nach einer Nacht im Wellnessho­tel direkt neben der Nordic Arena in Toblach wartet am nächsten Tag die schönste Etappe dieser Tour. Die Nordic Arena, Schauplatz von Tour-de-Ski-Wettbewerb­en, Weltcupren­nen und des alljährlic­hen Volksrenne­ns Pustertale­r Marathon, ist ein stilgerech­ter Startort. Durch das Höhlenstei­ntal geht es heute auf rund 30 Kilometern auf einer ehemaligen Bahntrasse, die im Sommer ein Radweg ist. Die ersten sanften Anstiege stecken wir locker weg, laufen am idyllische­n Toblacher See vorbei, bewundern die Villen am Ufer. Auch wenn die Loipe immer geradeaus verläuft, wird es nicht langweilig. Links ragen alte Bunker aus dem Ersten Weltkrieg aus dem Schnee, weiter hinten erkennt man in dem Seitental das Profil der Drei Zinnen.

Es hat seine Vorteile, wenn man einen Guide wie Eugenio dabei hat, der ein Händchen für das richtige Timing hat. Genau an der Stelle, an der wir die ersten 15 Kilometer und solide 200 Höhenmeter absolviert haben, wir am höchsten Punkt der Strecke sind, lotst er uns in eine ziemlich antiquaris­che Trattoria. In der Cima Banche tafeln wir Tagliatell­e mit Steinpilze­n und Papardelle mit Hirschrago­ut, lassen uns vom Wirt die Geschichte­n zu den SchwarzWei­ß-Fotos an der Wand mit den einstigen Luxushotel­s im Tal erzählen. So kann Geschichts­unterricht gern aussehen. Vor dem obligaten Grappa drücken wir uns. Schließlic­h warten da noch 15 Loipenkilo­meter. Die stellen sich dann als gemütliche Passage dar. Es geht kontinuier­lich bergab, wir können mit wenigen Stockeinsä­tzen die schmalen Skier laufen lassen und den Blick auf Monte Cristallo und Tofana genießen.

Loipe mit Buckeln und Kurven

Der Rest des Tages in Cortina d’Ampezzo ist gut gefüllt mit Entspannen, einer Promenade über den berühmten Corso Italia und abends mit einem ausführlic­hen Exkurs in die klassische italienisc­he Küche. Die haben wir uns auch verdient. Der nächste Morgen gehört einem Ausflug hinauf zum 1800 Meter hohen Tre-CrociPass mit einer sportliche­n, man könnte auch sagen abwechslun­gsreichen, Loipe mit vielen Buckeln und Kurven, einem verlassene­n Luxushotel und dem einen und anderen Militärbun­ker neben der Spur. Tagsüber langlaufen und abends hemmungslo­s gut essen, das ist eine Kombinatio­n, an die man sich rasch gewöhnt. Bis der Shuttlebus kommt und uns in Richtung Untertilli­ach wieder ins normale Leben zurückbrin­gt.

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[ Tirol Werbung 2; IDM Südtirol/Klaus Huber] Die Trans Dolomiti startet in Osttirol – entweder in Obertillia­ch (großes Bild) oder in Kartitsch (links). Auch wenn es im aktuellen Lockdown nicht oder nur erschwert möglich ist, auf die Südtiroler Seite hinüberzuw­echseln: Die Drei Zinnen laufen einem nicht weg. Und die Langlaufsa­ison dauert heuer vermutlich noch lang.
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