Wie die Pleitewelle verhindert wird
Rettungsplan. Die Lockerung im Handel und in den Schulen ist vor allem ein Signal an die Wirtschaft. Nun gilt es, eine Insolvenzwelle zu verhindern. Kurzarbeit und Pleitenmoratorium dürften neuerlich verlängert werden.
Wien. Die Lockerung des Lockdowns fällt wie erwartet sehr dosiert aus. Der Handel darf nächste Woche wieder aufsperren, die Sicherheitsbestimmungen sind allerdings noch strenger als zuvor. Es dürfen nur noch halb so viele Kunden eingelassen werden. Händler befürchten bereits lange Menschenschlangen vor den Geschäften, ähnlich wie in den wenigen Einkaufstagen vor Weihnachten. Mit der teilweisen Öffnung der Schulen und den damit verbundenen Auflagen werden vermutlich mehr die berufstätigen Eltern als die Schüler entlastet. Die Wirtschaft braucht dringend positive Signale. Denn für viele Unternehmen beginnt die Stunde der Wahrheit.
„Es droht kein Insolvenz-Tsunami“, betont Ricardo-Jose´ Vybiral. Der Chef des Kreditschutzverbands 1870 rechnet damit, dass die Marktbereinigung in mehreren Etappen erfolgen wird. Etappe eins hat bereits begonnen.
Das Ende der Kreditstundungen
Am Sonntag sind die gesetzlichen Kreditstundungen ausgelaufen. Eine Insolvenzwelle wird es deshalb nicht geben. Die Nachfrage nach Stundungen ist schon vor Ablauf der Frist deutlich zurückgegangen. Während am Höhepunkt der Krise im Frühjahr 2020 mehr als 20 Milliarden Euro gesetzlich und 30 Milliarden privat gestundet wurden, waren es zuletzt nur noch 6,48 Milliarden gesetzlich und 7,59 Milliarden Euro privat. Ab Sommer begann das Volumen zu sinken, im Oktober und November wurde auf einen Schlag viel zurückgezahlt, sagt Franz Rudorfer, Bankenvertreter in der Wirtschaftskammer: „Viele haben sich zu Beginn der Krise auf Verdacht mit Liquidität eingedeckt, um Reserven zu haben. Man hat ja nicht gewusst, wie sich das alles entwickeln wird. Aber es war immer nur als Übergangslösung gedacht.“Zehn Monate – das Moratorium galt ab April 2020 – wären lang genug gewesen, sagt Rudorfer.
In der Regel dürften die staatlich vorgeschriebenen Stundungen zwischen der Bank und den Kreditnehmern verlängert werden. „Es muss sich niemand Sorgen machen. Wenn es auch nur irgendwie möglich ist, werden die Kredite weiterhin gestundet“, sagt Rudorfer. Laut Finanzministerium wurden per Dezember insgesamt 98.500 Kredite gestundet.
Ganz ohne Insolvenzen wird es nicht abgehen. Experten rechnen heuer mit 20 bis 25 Prozent mehr Firmenpleiten als vor der Krise. Knapp 5000 Insolvenzen gab es 2019, voriges Jahr waren es – dank Milliarden an staatlichen Hilfen – nur 3000. Heuer werden also mehr als 6000 Unternehmenspleiten erwartet.
Kurzarbeit wird wieder verlängert
Eines der teuersten und wichtigsten Instrumente im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Pleiten ist die Kurzarbeit. Seit März 2020 gibt es sie, und es ist ein offenes Geheimnis, dass sie bis Ende Juni verlängert werden wird (siehe Seite 13). Doch Arbeitsmarktexperten sind sich einig, dass mit zunehmender Dauer die positiven Effekte nachlassen und Kurzarbeit sogar schaden kann: Weil Arbeitskräfte gebunden werden, die woanders gebraucht würden. Und Unternehmen auf Aufträge verzichten, um die Beihilfe nicht zu verlieren. Das kostet Wirtschaftswachstum. Die Stimmen, die einen Ausstieg aus der
Kurzarbeit fordern, werden lauter. Ende Jänner waren in Österreich 470.000 Menschen in Kurzarbeit. Das Arbeitsmarktservice hat bisher 5,9 Milliarden Euro Kurzarbeitsbeihilfe an die Betriebe ausgezahlt. Für heuer sind sieben Milliarden Euro budgetiert. Voriges Jahr erhielten 1,2 Millionen Arbeitnehmer Kurzarbeitsgeld.
Die Verlängerung der Kurzarbeit wird auch dazu führen, dass die zweite kleine Insolvenzwelle in den Sommer und Herbst verschoben wird.
Mehr Insolvenzanträge
Die insolvenzrechtlichen Lockerungen für Unternehmen mit coronabedingten Problemen laufen nach jetzigem Stand am 31. März aus. Insbesondere wird dann der Insolvenzgrund der Überschuldung, der befristet ausgesetzt wurde, wieder gelten. Kapitalgesellschaften (einschließlich GmbH & Co. KG), deren Schulden die Aktiva übersteigen, müssen dann wieder Insolvenz anmelden, wenn sie keine positive Fortbestehensprognose stellen können. Auch Insolvenzanträge durch Gläubiger werden in solchen Fällen wieder möglich.
Spätestens ab dem Sommer könnte das zu mehr Pleiten führen – es sei denn, es kommt doch noch zu einer Verlängerung der Gnadenfrist. Dem Vernehmen nach diskutiert man das hinter vorgehaltener Hand.
Aber auch ohne Prolongierung könnten sich Finanzamt und Sozialversicherung noch eine Zeit lang mit Insolvenzanträgen zurückhalten: Sie sind nämlich als Gläubiger privilegiert, wenn sie Unternehmen ihre covidbedingten Zahlungsrückstände abstottern lassen. Von 1. April 2021 bis 30. Juni 2022 sind solche Ratenzahlungen und die laufenden Abgaben anfechtungsfrei gestellt – das bedeutet, der Insolvenzverwalter kann dieses Geld nicht zurückverlangen, sollte das Unternehmen doch noch pleitegehen. Was juristisch zwar umstritten ist, jedoch die Bereitschaft für Ratenvereinbarungen um einiges erhöhen dürfte.