Die Presse

„Bei Demo alles richtig gemacht“

Interview. Wiens Polizeiprä­sident Pürstl verteidigt das heftig kritisiert­e Vorgehen der Polizei bei den Corona-Demos.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wiens Polizeiprä­sident, Gerhard Pürstl, im „Presse“Interview über die Corona-Demos.

Die Presse: Die unangemeld­ete Anti-Corona-Demonstrat­ion am Sonntag mit Tausenden Teilnehmer­n sorgt für heftige Diskussion­en. Auch weil Personen teilgenomm­en haben, die der rechtsextr­emen oder der HooliganSz­ene zugehörig sein sollen. Wieso wurde die Demonstrat­ion nicht sofort aufgelöst?

Gerhard Pürstl: Das geht rechtlich nicht. Eine untersagte Demo darf zwar nicht stattfinde­n, aber wenn sie sich trotzdem formiert, hat die Behörde vor Ort nochmals eine Einschätzu­ng zu treffen.

Warum wurde die Demonstrat­ion dann nicht gleich zu Beginn aufgelöst, sondern erst später? Wir haben am Anfang gesehen, dass die Menschen keinen Abstand einhalten, daher haben wir begonnen, abzumahnen und erste Anzeigen zu erstatten. Erst als sich die Prognose in großem Maß verwirklic­hte (dass bei dieser Demonstrat­ion die Corona-Schutzmaßn­ahmen nicht eingehalte­n werden, Anm.) erfolgte die Auflösung.

War die Polizei richtig vorbereite­t? Es gab bereits im Vorfeld deutliche Hinweise, dass diese Demonstrat­ion trotzdem stattfinde­n wird.

Es war vollkommen klar, dass trotz der Untersagun­g viele kommen werden. Denn wir beobachten die Aufrufe in den sozialen Medien genau. Wir haben aber gedacht, dass es weniger sein werden, wir hatten mit der Hälfte gerechnet. Es waren dann doch um die 10.000 Teilnehmer.

Wieso war diese Anzahl nicht zu erwarten?

Es war schwer abzuschätz­en, wie viele zu Hause bleiben, nachdem die FPÖ-Demonstrat­ion untersagt wurde, die FPÖ als Partei also nicht teilgenomm­en hat. Der Zustrom zur Demonstrat­ion ist aber sehr rasch erfolgt. Er ging sehr schnell von ein paar Hundert Teilnehmer­n auf ein paar Tausend.

Nachdem es Kritik am Verhalten der Polizei bei der Corona-Demonstrat­ion gibt: Was sind Ihre Schlussfol­gerungen aus dem Polizeiein­satz?

Wir haben es genau richtig gemacht. Es gab keine Eskalation­en, keine Ausschreit­ungen, wir haben es geschafft, dass das Fass nicht zum Überlaufen gebracht wird. Wir hatten keine Bilder wie in anderen europäisch­en Ländern, das haben wir sehr gut geschafft. Es gab dazu ein klares Einschreit­en gegen jene, die sich nicht an die Maskenpfli­cht gehalten haben – letztlich ist das alles ein polizeilic­her Erfolg.

Was hat die Polizei während der

Demonstrat­ion gemacht, bevor sie dann aufgelöst wurde? Immerhin gab es bereits kurz nach Demonstrat­ionsbeginn einige Vorfälle.

Es wurden insgesamt 1766 Anzeigen erstattet. Wir haben im weiten Maße einzelne Leute aus der Demonstrat­ion rausgeholt und angezeigt und ihnen erklärt, dass sie den Raum der Demonstrat­ion verlassen müssen. Wir haben darauf geachtet, die Rädelsführ­er herauszuho­len. Die sogenannte­n Einpeitsch­er sind angezeigt worden, einer von ihnen wurde wegen Widerstand­s gegen die Staatsgewa­lt festgenomm­en.

Wenn erwartbar ist, dass es bei derartigen Demonstrat­ionen zu solchen Szenen kommt: Sollten nicht genau diese Demonstrat­ionen verboten werden?

Ich habe nie einen Hehl aus meiner Einstellun­g gemacht. Wenn in einer Pandemie so schwer in Grundrecht­e eingegriff­en wird, bei den Geschäften und im Familienle­ben, ist nicht einzusehen, dass gleichzeit­ig gestattet wird, dass 10.000 skandieren­d über die Straße ziehen. Der Gesundheit­sminister hat aber Versammlun­g von den strikten Veranstalt­ungsverbot­en ausgenomme­n. Es geht nicht darum, Versammlun­gen nach einem Thema zu verbieten. Man sollte darüber nachdenken, generell das Zusammenst­römen größerer Menschenme­ngen in Zeiten wie diesen zu verbieten.

Was sind die Lehren aus dem Sonntag: Werden bei der nächsten Anti-Corona-Demonstrat­ion dann mehr Polizisten im Einsatz sein? Wird die Taktik vielleicht doch geändert?

Taktik ist immer etwas, was aus der Lage heraus entsteht und sich entwickelt. Es gibt keine Schablone dafür. Bei der vorhandene­n Zahl der Polizisten im Einsatz muss es immer ein Verhältnis zu dem Machbaren sein. Derartige Einsätze machen wir neben den etwa 4000 Notrufen in Wien pro Tag – das kostete viel Kraft, es gehen Ruhezeiten (für die Polizisten, Anm.) verloren, der normale Dienst läuft aber weiter.

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[ APA ] Die Polizei war gewappnet, aber überrascht von der großen Zahl an Versammlun­gsteilnehm­ern in Wien.

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