„Bei Demo alles richtig gemacht“
Interview. Wiens Polizeipräsident Pürstl verteidigt das heftig kritisierte Vorgehen der Polizei bei den Corona-Demos.
Wiens Polizeipräsident, Gerhard Pürstl, im „Presse“Interview über die Corona-Demos.
Die Presse: Die unangemeldete Anti-Corona-Demonstration am Sonntag mit Tausenden Teilnehmern sorgt für heftige Diskussionen. Auch weil Personen teilgenommen haben, die der rechtsextremen oder der HooliganSzene zugehörig sein sollen. Wieso wurde die Demonstration nicht sofort aufgelöst?
Gerhard Pürstl: Das geht rechtlich nicht. Eine untersagte Demo darf zwar nicht stattfinden, aber wenn sie sich trotzdem formiert, hat die Behörde vor Ort nochmals eine Einschätzung zu treffen.
Warum wurde die Demonstration dann nicht gleich zu Beginn aufgelöst, sondern erst später? Wir haben am Anfang gesehen, dass die Menschen keinen Abstand einhalten, daher haben wir begonnen, abzumahnen und erste Anzeigen zu erstatten. Erst als sich die Prognose in großem Maß verwirklichte (dass bei dieser Demonstration die Corona-Schutzmaßnahmen nicht eingehalten werden, Anm.) erfolgte die Auflösung.
War die Polizei richtig vorbereitet? Es gab bereits im Vorfeld deutliche Hinweise, dass diese Demonstration trotzdem stattfinden wird.
Es war vollkommen klar, dass trotz der Untersagung viele kommen werden. Denn wir beobachten die Aufrufe in den sozialen Medien genau. Wir haben aber gedacht, dass es weniger sein werden, wir hatten mit der Hälfte gerechnet. Es waren dann doch um die 10.000 Teilnehmer.
Wieso war diese Anzahl nicht zu erwarten?
Es war schwer abzuschätzen, wie viele zu Hause bleiben, nachdem die FPÖ-Demonstration untersagt wurde, die FPÖ als Partei also nicht teilgenommen hat. Der Zustrom zur Demonstration ist aber sehr rasch erfolgt. Er ging sehr schnell von ein paar Hundert Teilnehmern auf ein paar Tausend.
Nachdem es Kritik am Verhalten der Polizei bei der Corona-Demonstration gibt: Was sind Ihre Schlussfolgerungen aus dem Polizeieinsatz?
Wir haben es genau richtig gemacht. Es gab keine Eskalationen, keine Ausschreitungen, wir haben es geschafft, dass das Fass nicht zum Überlaufen gebracht wird. Wir hatten keine Bilder wie in anderen europäischen Ländern, das haben wir sehr gut geschafft. Es gab dazu ein klares Einschreiten gegen jene, die sich nicht an die Maskenpflicht gehalten haben – letztlich ist das alles ein polizeilicher Erfolg.
Was hat die Polizei während der
Demonstration gemacht, bevor sie dann aufgelöst wurde? Immerhin gab es bereits kurz nach Demonstrationsbeginn einige Vorfälle.
Es wurden insgesamt 1766 Anzeigen erstattet. Wir haben im weiten Maße einzelne Leute aus der Demonstration rausgeholt und angezeigt und ihnen erklärt, dass sie den Raum der Demonstration verlassen müssen. Wir haben darauf geachtet, die Rädelsführer herauszuholen. Die sogenannten Einpeitscher sind angezeigt worden, einer von ihnen wurde wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen.
Wenn erwartbar ist, dass es bei derartigen Demonstrationen zu solchen Szenen kommt: Sollten nicht genau diese Demonstrationen verboten werden?
Ich habe nie einen Hehl aus meiner Einstellung gemacht. Wenn in einer Pandemie so schwer in Grundrechte eingegriffen wird, bei den Geschäften und im Familienleben, ist nicht einzusehen, dass gleichzeitig gestattet wird, dass 10.000 skandierend über die Straße ziehen. Der Gesundheitsminister hat aber Versammlung von den strikten Veranstaltungsverboten ausgenommen. Es geht nicht darum, Versammlungen nach einem Thema zu verbieten. Man sollte darüber nachdenken, generell das Zusammenströmen größerer Menschenmengen in Zeiten wie diesen zu verbieten.
Was sind die Lehren aus dem Sonntag: Werden bei der nächsten Anti-Corona-Demonstration dann mehr Polizisten im Einsatz sein? Wird die Taktik vielleicht doch geändert?
Taktik ist immer etwas, was aus der Lage heraus entsteht und sich entwickelt. Es gibt keine Schablone dafür. Bei der vorhandenen Zahl der Polizisten im Einsatz muss es immer ein Verhältnis zu dem Machbaren sein. Derartige Einsätze machen wir neben den etwa 4000 Notrufen in Wien pro Tag – das kostete viel Kraft, es gehen Ruhezeiten (für die Polizisten, Anm.) verloren, der normale Dienst läuft aber weiter.