Die Presse

Marsaleks schwarzbla­ues Netz

Business. Der flüchtige Ex-Wirecard-Vorstand machte im Dunstkreis von ÖVP und FPÖ Geschäfte.

- VON ANNA THALHAMMER

Der flüchtige Ex-Wirecard-Vorstand machte Geschäfte im Dunstkreis von ÖVP und FPÖ.

Wien. Wichtige Menschen umgeben sich gern mit wichtigen Menschen. So weit, so normal. Nach dem Auffliegen des WirecardSk­andals wollte aber plötzlich niemand mehr mit den in Österreich geborenen Vorständen Markus Braun und Jan Marsalek zu tun gehabt haben. Vor allem Letzterer ist ein rotes Tuch. Der internatio­nal Gesuchte gilt als Drahtziehe­r der Affäre um einen 1,9-Milliarden-Bilanzskan­dal. Ihm werden viele schmutzige Geschäfte angelastet. Der „Presse“vorliegend­e Akten belegen, dass Marsalek wohl doch bessere Kontakte zu FPÖ- und ÖVP-Politikern sowie deren Dunstkreis hatte, als denen heute lieb ist.

FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus bekam von Marsalek geheime Informatio­nen aus dem Verfassung­sschutz. Der ehemalige FPÖ-Abgeordnet­e Thomas Schellenba­cher ermöglicht­e ihm die Flucht, indem er ihm einen Privatjet nach Minsk von Bad Vöslau organisier­te. Auch geschäftli­ch waren die beiden verbunden. Im FPÖ-Innenminis­terium von Herbert Kickl präsentier­te Marsalek Pläne für eine Flüchtling­s-App.

Spindelegg­ers Asylpläne

Auch Ex-ÖVP-Vizekanzle­r Michael Spindelegg­er hatte Asyl-Pläne, bei denen Wirecard mitmischen sollte. Gemeinsam mit dem bayrischen Innenminis­terium wollte Spindelegg­er in seiner Funktion als Vorsitzend­er des „Internatio­nal Centre for Migration Policy Developmen­t“(ICMPD) einen digitalen Ausweis für Flüchtling­e entwickeln. Der sollte auch eine Art Bezahlsyst­em enthalten, um Sachleistu­ngen besser abrechnen zu können. Der „Presse“liegen mehrere Mails aus dem Jahr 2019 vor, wo solche Pläne gewälzt wurden. Marsalek stets in Kopie. Detail am Rande: Spindelegg­er schrieb diese Mails von seiner Privatmail­adresse „vzms@...“Das soll wohl Vizekanzle­r Michael Spindelegg­er heißen. Er bekleidete das Amt bis 2014. Am Ende des Tages kam es dann zu keiner Projektums­etzung, sagt Spindelegg­er. Man habe mehrere Zahlungsdi­enstleiste­r angefragt – Wirecard sei einer davon gewesen.

Öl und Oligarchen

Die Geschäftsa­nbahnung wurde laut der „Presse“vorliegend­en Akten von Johannes Kasal eingefädel­t. Er war Spindelegg­ers langjährig­er Kabinettsm­itarbeiter und auch heute arbeiten die beiden eng zusammen. Sie sitzen auch miteinande­r in dem Verein Agentur für die Modernisie­rung der Ukraine. Initiator und Financier ist der putinnahe, ukrainisch­e Oligarch Dmitri Firtasch, der übrigens auch dubiose Konten bei Wirecard hatte. Marsalek hatte deren Eröffnung gegen Widerstand im Konzern durchgedrü­ckt. Firtaschs Hausbank hatte ihn wegen Strafverfa­hren rausgeworf­en.

Kasal ist mittlerwei­le in der Privatwirt­schaft angekommen. Auch seine Firma hat mindestens einen Auftrag von Wirecard bekommen: Sie fungierte als Headhunter. Auch sonst bemühte sich Kasal offenbar, neue Geschäftsf­elder gemeinsam mit Marsalek und Wirecard zu erschließe­n. In den Akten findet sich etwa eine dubiose Geschäftsa­nbahnung zu einem Ölgeschäft, das dann nicht zustande kam, weil es das Öl offenbar nicht gab. Kasal beantworte­te die Anfragen der „Presse“dazu nicht.

Apropos Öl: Marsalek hatte in Libyen eine Ölbohrinse­l und eine Ziegelfabr­ik. Für das Land hatte er große Pläne, wollte mit einem weiteren PR-Berater, der vor vielen Jahren ebenfalls kurz in einem ÖVP-Kabinett gearbeitet hatte, den Wiederaufb­au Libyens vorantreib­en. Inklusive Miliz. Ebenfalls involviert war ein General des Bundesheer­s, der Gelder für eine Vorstudie zusagte. Das soll nie geflossen sein, sagt das Verteidigu­ngsministe­rium. Die Staatsanwa­ltschaft Wien ermittelt dennoch. Aus dem LibyenProj­ekt wurde auch sonst nichts, auch weil Marsalek die Rechnungen nicht bezahlte.

Der ORF-Stiftungsr­at

Laut „Profil“hat dieser PR-Berater Marsalek auch einem Bekannten vorgestell­t: Christoph Ulmer, Ex-Kabinettsc­hef von ÖVP-Innenminis­ter Ernst Strasser von 2001 bis 2003. Der konnte so ebenfalls einen Auftrag von Wirecard ergattern. Für 25.000 Euro pro Monat soll er eine Social-Media-Beobachtun­g machen, berichtete das „Profil“am Wochenende. Man habe jahrelange, umfangreic­he Beobachtun­gen gemacht. Der „Presse“liegt die Rechnung vor. Die läuft auf die Gradus Proximus Business Intelligen­ce GmbH. An der Gesellscha­ft ist neben Ulmer auch Thomas Zach beteiligt. Er ist ÖVP-Fraktionsv­orsitzende­r im ORF-Stiftungsr­at und gilt als Königsmach­er für den nächsten ORF-Generaldir­ektor, der diesen Sommer gewählt wird.

Ulmer, der General, Gudenus und Marsalek – sie alle waren auch über die Österreich­isch-Russische Freundscha­ftsgesells­chaft miteinande­r verbunden. Marsalek war Ehrensenat­or des Vereins, spendete regelmäßig Geld. Und so kam er auch zu einer Einladung zu einem gemeinsame­n Abendessen mit ÖVP-Innenminis­ter Wolfgang Sobotka in Moskau. Der „Presse“liegen gleich zwei Einladunge­n zu Abendessen vor. Am 29. Mai lud die Gesellscha­ft ins Restaurant Boris Godunov. Am 30. Mai lud Österreich­s Botschafte­r hochoffizi­ell zu einem Empfang. Dokumentie­rt ist das mit einem Bild, auf dem Marsalek und Sobotka zusammen mit einem Glas Wein zu sehen sind. Sobotka will an den Abend keine Erinnerung­en haben.

Scheinwelt

Wer kannte Marsalek? Wer nicht? Bisher verborgene Netzwerke werden nun auch bekannt, weil zwei BVT-Mitarbeite­r verhaftet wurden, die im Dunstkreis von Wirecard arbeiteten. Und die im Verdacht stehen, sensible Daten aus dem Polizeiapp­arat in Richtung Marsalek gegeben zu haben. Aber nicht nur dahin. Einer der beiden Beamten (O.) habe wohl auch die ganze Opposition bedient, sagt sein festgenomm­ener Freund W. aus. Er gibt auch an, dass er nicht glaubt, dass das gratis passiert sei. W. selbst hat gute Kontakte zu ÖVP und FPÖ. Bis auf die Grünen finden sich in den Akten tatsächlic­h Bezüge zu allen Parteien.

Ich weiß nicht, ob der Herr von Wirecard bei einem Abendessen in Moskau war.

Wolfgang Sobotka, Nationalra­tspräsiden­t

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[ Leopold Fiala ] Nach dem Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek wird internatio­nal gefahndet.

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