Die Presse

Tod in der Klamm: Wer ist schuld?

Fahrlässig­e Tötung verneint. Ein Baumteil erschlug in der Mauthner Klamm eine Vierjährig­e beim Wandern. Die Staatsanwa­ltschaft stellte die Ermittlung­en ein, die Eltern kämpfen dagegen an.

- vON BENEDIKt KOMMENDA

Ein Baum erschlug eine Vierjährig­e. Die Staatsanwa­ltschaft stellte die Ermittlung­en ein.

Wien. Das Unglück kam buchstäbli­ch aus heiterem Himmel. Ein Wiener Ehepaar war im Sommer 2019 bei bestem Wetter mit seiner vierjährig­en Tochter in die Mauthner Klamm (Bezirk Hermagor) gewandert. Ihr Ziel: das Schwarzbrü­nnl. Ein harmloser Spaziergan­g, wie sie meinten. Als die drei den Rückweg antreten wollten, stürzte plötzlich aus großer Höhe ein mehr als einen Meter langes Stück eines dünnen Baums auf den Kopf des Mädchens, das direkt vor seinem Vater stand.

Das Kind erlitt ein SchädelHir­n-Trauma, fiel sofort ins Koma und konnte auch nach dem Abtranspor­t mit dem Notarzthub­schrauber ins LKH Klagenfurt nicht gerettet werden. War ihr Tod auf Fahrlässig­keit zurückzufü­hren?

„Unabsehbar­es Naturereig­nis“

Die Staatsanwa­ltschaft ermittelte wegen grob fahrlässig­er Tötung: gegen den damaligen Bürgermeis­ter der Gemeinde, die Halterin des Wegs war und ihn als attraktive­s Ausflugszi­el beworben hatte, gegen den Eigentümer des Walds bei der Unfallstel­le und gegen den Verantwort­lichen eines Unternehme­ns, das für Wartungsar­beiten an dem Spazierweg durch die Schlucht zuständig war. Die Staatsanwa­ltschaft erkannte aber kein strafbares Verhalten und stellte das Verfahren ein: Der Tod des Mädchens sei auf ein unvorherse­hbares Naturereig­nis zurückzufü­hren und könne keinem der Beschuldig­ten zur Last gelegt werden.

Ein Sachverstä­ndigenguta­chten hatte Folgendes ergeben: Das Stück eines acht Zentimeter dicken Stamms einer abgestorbe­nen Tanne dürfte höchstwahr­scheinlich am Vortag des Unfalls, als Sturmböen mit bis zu 80 km/h durch die Klamm geweht hatten, abgebroche­n und tags darauf mehr als 80 Meter in die Tiefe gestürzt sein. Der Sachverstä­ndige hatte gemeint, dass der tote Baum vorsorglic­h nur von einem Spezialist­en unter Einsatz von Seilklette­rtechnik hätte umgeschnit­ten werden können. Aus demselben Gutachten ergab sich allerdings, dass Polizisten ohne Kletterei den verblie

benen Totholzstu­mmel ausfindig gemacht und ein Stück zur Identifizi­erung abgesägt hatten.

Versäumnis­se sehen die Eltern, die bis heute nicht über den Tod des Mädchens hinweggeko­mmen sind, aber woanders. Sie fanden heraus, dass sich an der gleichen Stelle schon zuvor ein ganz ähnlicher Unfall ereignet hatte: In nur 20 Metern Entfernung war eine Niederländ­erin von herabstürz­endem

Holz und Gestein verletzt worden. Nach Meinung der Eltern hätten die Verantwort­lichen in Kenntnis dieses Unfalls vorbeugend aktiv werden müssen: Die bekannte Gefahr hätte beseitigt gehört.

Keine Sicherung oder Warnung

Wenn das Totholz nicht entfernt werden kann, hätte man im Bereich des Schwarzbrü­nnls eine Sicherung anbringen müssen: ein Sicherheit­snetz, das keineswegs über die komplette Schlucht hätte gespannt werden müssen, wie die Staatsanwä­ltin mit gutem Grund als unzumutbar verwarf. Für ein Sicherheit­snetz hätte auch gesprochen, dass man vom Weg aus den darüberlie­genden Hang nicht überblicke­n kann. Zumindest aber, so meinen die Eltern, hätte ein Warnhinwei­s angebracht werden müssen wie „Vorsicht! Herabfalle­nde Äste!“. Nicht einmal den gab es nach dem ersten Vorfall.

Die Eltern waren schon relativ alt gewesen, als sie ihr einziges Kind bekommen hatten, ihr ein und alles. Sie sind überzeugt: Sie hätten glaubwürdi­g versichern können, dass sie in Anbetracht eines solchen Schildes sofort kehrtgemac­ht und die Schlucht verlassen hätten – wenn die zuständige Staatsanwä­ltin sie angehört hätte.

Mutter und Vater hatten sich dem Strafverfa­hren als Privatbete­iligte angeschlos­sen. Nach dessen Einstellun­g durch die Staatsanwa­ltschaft beantragte­n sie nun bei Gericht, das Verfahren doch noch fortführen zu lassen.

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[ APA/LPD Kärnten ] Mehr als 80 Meter stürzte ein teil einer abgestorbe­nen tanne in die tiefe.
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