Die Presse

Timberlake wird die Show gestohlen

Film. In „Palmer“spielt Justin Timberlake einen grimmigen Ex-Sträfling, der sich um einen lebensfroh­en queeren Buben sorgt – und übt sich in mimischer Verhärtung.

- VON KATRIN NUSSMAYR

FEUILLETON

In „Palmer“spielt Justin Timberlake einen Ex-Sträfling, der sich um einen Buben sorgt.

Dieses Selbstvert­rauen kann man jedem Kind nur wünschen. „Buben spielen nicht mit Puppen“, sagt der grimmige Ex-Sträfling Palmer, nachdem er das Nachbarski­nd eine Weile mit einer Mischung aus Verständni­slosigkeit und Abscheu beobachtet hat. Der kleine Sam schaut kaum von seinen Barbies auf und sagt ganz beiläufig, dass er doch ein Bub sei – und damit quasi lebendes Beispiel, dass an Palmers haarsträub­endem Postulat nix dran sein kann. Später wird Palmer es halbherzig wieder probieren, als sich Sam seine Lieblingsz­eichentric­kserie über Prinzessin­nen ansieht. „Wie viele Buben siehst du in dieser Sendung?“, fragt er. Sam: „Keine.“– „Und was sagt dir das?“Sam strahlt: „Dass ich der Erste sein kann.“

Inbegriff von kindlicher Resilienz

Das Familienme­lodram „Palmer“– kürzlich auf dem Streamingd­ienst Apple TV+ erschienen – mag als Schauspiel­vehikel für Justin Timberlake gedacht sein, der sich hier in der Titelrolle des verhärmten, wortkargen Provinzame­rikaners im Resozialis­ierungsmod­us als Charakterd­arsteller versuchen kann. Doch der eigentlich­e Star des Films ist der achtjährig­e Ryder Allen in der Rolle des dicklichen süßen Sam. Dieser ist der Inbegriff von kindlicher Resilienz: Von der drogenabhä­ngigen Mutter wird er vernachläs­sigt, von den anderen Kindern (und auch Erwachsene­n) sekkiert, weil er sich den üblichen Geschlecht­ernormen nicht fügen mag, Teepartys Raufereien vorzieht und beim samstäglic­hen Football-Match lieber mit den Cheerleade­rn als den Spielern mitfiebert. Sein sonniges Gemüt, seine ehrliche Zuversicht lässt er sich nicht nehmen. Und wenn die Welt es noch so böse mit ihm meint: Krönchen richten, weiterspie­len.

Natürlich lässt seine unbekümmer­te Lebensfreu­de auch Palmer nicht unberührt. Filme über problembel­adene Männer, die durch die Begegnung mit schutzbedü­rftigen Kindern verwandelt werden, gibt es nicht zu wenige. „Palmer“, gefühlig und konvention­ell inszeniert von Fisher Stevens (der zuvor etwa bei der von Leonardo DiCaprio produziert­en Klimadoku „Before the Flood“Regie geführt hat), fügt dem bewährten Handlungsm­otiv – außer dem Quäntchen GenderDisk­urs – nicht viel hinzu, bemüht sich aber immerhin um Authentizi­tät. Die Beziehung zwischen den beiden Außenseite­rn wirkt ungekünste­lt – und als Milieuport­rät des ärmlichen, ländlichen Louisiana bietet der Film durchaus Nuancen, statt nur die typische Hillbilly-Erzählung fortzuschr­eiben.

Eddie Palmer, der nur beim Nachnamen genannt werden will, war einst ein Footballst­ar in seinem kleinen Kaff, das er mit einem Vollstipen­dium Richtung Uni verließ. Ein

Unfall beendete seine Sportkarri­ere, Palmer rutschte auf die schiefe Bahn, landete im Gefängnis. Darüber redet er nicht gern, überhaupt gibt er wenig von sich preis. Timberlake übt sich in so viel mimischer Zurückhalt­ung, dass seinem Gesicht letztlich überhaupt keine emotionale Entwicklun­g abzulesen ist. Er gibt Palmer als stoischen Kerl, der nur in Momenten höchster Agitation eine Träne hervorpres­st oder die Fäuste handeln lässt.

Das wirkt immerhin ehrlich

Etwa, wenn es darum geht, den kleinen Sam zu beschützen, für den er bald zur Vaterfigur wird: Dessen Mutter (glaubhaft kaputt: Juno Temple) lebt nebenan in einem Wohnwagen, verschwind­et aber regelmäßig wochenlang. Erst unfreiwill­ig, dann mit wachsender Hingabe kümmert sich Palmer um den Buben, während er mit einem neuen Job als Schulwart Struktur in sein Leben bringt und eine zögerliche Romanze mit Sams Lehrerin (Alisha Wainwright) eingeht.

Die Selbstvers­tändlichke­it, mit der Sam in seinen roten Cowboystie­feln, mit der Prinzessin­nen-Jausendose in der Hand, über den Spielplatz stapft, inspiriert Palmer. Elend, Hass und Verwahrlos­ung blendet der Film nicht aus. Aber er ruft dazu auf, tolerant zu sein und zweite Chancen zu gewähren. Dass das bei aller Vorhersehb­arkeit ehrlich wirkt, ist wohl die größte Überraschu­ng hier.

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 ?? [ Apple TV+ ] ?? Filme über Problem-Männer, die von Kindern inspiriert werden, gibt es genug. „Palmer“fügt dem alten Motiv, außer ein wenig Gender-Diskurs, nicht viel hinzu.
[ Apple TV+ ] Filme über Problem-Männer, die von Kindern inspiriert werden, gibt es genug. „Palmer“fügt dem alten Motiv, außer ein wenig Gender-Diskurs, nicht viel hinzu.

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