Leitartikel von Gerhard Hofer
Mit dem Ende des Moratoriums für Schuldner spitzt sich die Lage vieler Unternehmen dramatisch zu. Manche gehen pleite, viele werden geschluckt.
Wie hat es Börsenaltmeister Andre´ Kostolany einmal treffend formuliert: „Bei Kanonendonner kaufen, bei Harfenklängen verkaufen!“Sein Ratschlag gilt nicht nur an der Börse. Und die Einschläge für die heimischen Unternehmen kommen seit Anfang dieser Woche wieder näher. Die gesetzlichen Kreditstundungen sind abgelaufen. Spätestens jetzt beginnen für viele Unternehmer unangenehme Gespräche mit den Banken über Liquidität und Fortführungskonzepte. Wer nicht stichhaltig erörtern kann, dass sein Geschäftsmodell funktioniert, wird dieses Jahr wirtschaftlich nicht überleben.
Die Banken bemühen sich zwar zu betonen, dass sie äußerst weitsichtig agieren werden. Aber sie müssen sich natürlich an Regularien halten. Insolvenzexperten rechnen deshalb heuer mit einem durchaus schmerzlichen Anstieg der Firmenpleiten. Ricardo-Jose´ Vybiral, Chef des Kreditschutzverbands von 1870, sagt allerdings: „Einen Insolvenz-Tsunami wird es nicht geben.“Aber alles, was noch gerade kein Tsunami ist, ist nicht unbedingt eine gute Nachricht. Denn Unternehmen können auch verschwinden, ohne in die Pleite geschlittert zu sein.
Tatsächlich gehen Experten davon aus, dass es heuer um knapp ein Viertel mehr Insolvenzen geben wird als vor der Krise. Im Vorjahr wurden Firmenzusammenbrüche bekanntlich mithilfe von Steuermilliarden und Stundungen verhindert. Das berühmte Wort „Zombiefirmen“wurde geboren. Gemeint sind also Unternehmen, die eigentlich schon vor der Krise nicht mehr überlebensfähig waren, aber mit Staatshilfen, Kurzarbeit und Steuerstundungen noch eine künstliche Lebensverlängerung erfahren haben. Wie lang diese noch über den Tropf ernährt werden, hängt davon ab, ob Kurzarbeit und Insolvenz-Moratorium über den März hinaus verlängert werden.
Und alle Anzeichen deuten darauf hin, dass noch einmal durchgetaucht wird. Die Kurzarbeit, so lautet das offene Geheimnis, wird bis in den Sommer verlängert. Und auch die Insolvenzen werden wohl noch ein paar Monate hinausgezögert. Nicht alle finden das gut. Denn eine Marktbereinigung, so schlimm dieses Wort auch klingen mag, sorgt vor allem auch dafür, dass gesunde Unternehmen nicht mitgerissen werden. Wer wissen will, wie es um so manchen Händler steht, braucht sich nur die Superrabatte und Dumpingpreise ansehen, die in den kommenden Wochen überall angeboten werden. Das sind nicht selten die letzten Zuckungen eines Unternehmens. Irgendwie noch Liquidität reinholen, sogar unter dem Selbstkostenpreis.
Auch die Kurzarbeit sorgt dafür, dass verkrustete Strukturen nicht aufbrechen können. Experten empfehlen zumindest einen sanften Ausstieg aus der Kurzarbeit. Denn es werden gute Arbeitskräfte in Unternehmen gehalten, obwohl sie andernorts längst wieder einen Job haben könnten. Erst kürzlich beschwerten sich Tiroler Hoteliers darüber, dass sie Mitarbeiter verlieren. Diese würden „der Branche den Rücken kehren“, hieß es. Aus volkswirtschaftlicher Sicht muss man darauf antworten: Großartig! Es zeigt doch, dass Fachkräfte auch in der Krise gefragt sind. Sollen sie warten, bis das Unternehmen sie beim AMS anmeldet? Es ist leider einmal so, dass es leichter ist, von einem Unternehmen zum anderen zu wechseln, als aus der Arbeitslosigkeit einen neuen Job zu finden.
Viele Betriebe sind übrigens schon längst still und heimlich von uns gegangen. Sie wurden einfach liquidiert. Keine Pleite, ein natürlicher Tod quasi. Und dann ist jede Krise auch die Zeit jener, die bei Kanonendonner kaufen. Viele Unternehmer und Investoren sind jetzt auf Schnäppchenjagd. Im Handel geht es vor allem um die besten Standorte. Auch in der Hotellerie wird so manches Haus still und heimlich den Eigentümer wechseln.
Wie nach jeder Krise werden die Starken stärker, die Großen größer. Diese Erkenntnis ist nicht neu und vermutlich genauso tröstlich wie die Vermutung, dass es heuer keinen InsolvenzTsunami geben wird. Das hoffentlich baldige Ende der Gesundheitskrise ist nämlich erst der Beginn des großen Kehraus in der Wirtschaft.
E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com