„EU muss sich nicht vor den USA oder Israel verstecken“
Impfstoffbeschaffung. Trotz Anfangsproblemen bei der Erfüllung der Lieferverträge werde es ausreichend viele Dosen geben, um bis zum Sommer sieben von zehn Europäern voll gegen Covid-19 zu impfen, sagt Sandra Gallina, die für die Union die acht bisherigen
Brüssel. In einer Anhörung vor dem Haushaltsausschuss des Europaparlaments verwehrte sich die Schlüsselfigur in der Verhandlung der Impfstoffverträge gegen den Vorwurf, die Union habe schlechter verhandelt als andere Staaten. „Wir müssen uns nicht vor den Vereinigten Staaten oder Israel verstecken“, sagte Sandra Gallina, Generaldirektorin der Generaldirektion Gesundheit in der Europäischen Kommission und als solche Leiterin des Verhandlungsteams der EU, das bereits sechs gültige Verträge fertig und zwei in Vorbereitung hat. Mehr als 15 Millionen Dosen seien seit Verfügbarkeit des ersten Impfstoffs vor fünf Wochen in der EU bereits verimpft worden. Damit seien die Europäer schon „in der großen Liga von Staaten“, sagte sie, ohne auf die konkreten Impfzahlen beispielsweise des Vereinigten Königreichs, Israels oder der USA einzugehen. Diese drei Staaten, die bisher bereits einen viel höheren Anteil ihrer Bürger geimpft haben als das diesbezüglich beste EU
Mitglied, Dänemark, werden stets herangezogen, um den schleppenden Beginn der Impfkampagne in allen 27 Mitgliedstaaten zu veranschaulichen.
Höherer Preis sinnlos
Gallina verwarf auch den Vorwurf, die Kommission hätte schlicht höhere Preise akzeptieren müssen, um schneller beliefert zu werden: „Wir hätten definitiv nicht mehr Dosen mit mehr Geld bekommen. Denn das Problem sind Kapazitäten. Jede Phiole, die heute eine Fabrik verlässt, hat den Namen eines Abnehmers aufgedruckt.“Produktionskapazitäten könne man sich nicht „aus den Fingern saugen“.
Gallina zeigte sich zuversichtlich, dass das Ziel der Union, bis zum Sommer sieben von zehn Bürgern Europas gegen das Virus zu impfen, erreichbar sei: „Wir werden alle Impfstoffe haben, um das 70-Prozent-Ziel zu erreichen.“Mittelfristig werde die Union weniger mit dem Problem des Nachschubs zu ringen haben, sondern eher damit, all die Impfstoffe rasch genug zu verabreichen: „Bis Ende des nächsten Jahres werden wir 2,3 Milliarden Dosen haben. Nicht die Impfdosen werden das Problem sein, sondern das Impfen.“
Die Befassung mit dem Problem des langsamen Impfstarts und der Lieferprobleme der Hersteller wird durch den Umstand erschwert, dass die Pharmakonzerne ihre konkreten Lieferpläne als vertrauliche Informationen betrachten und darum nicht veröffentlichen. Die Verträge mit Curevac sowie mit AstraZeneca, welche die Kommission auf Druck der Öffentlichkeit mit zahlreichen Schwärzungen veröffentlicht hat, geben keinen Einblick, wie viel die Unternehmen in welchem Quartal zu liefern zugesagt haben. Einzig durch einen Redaktionsfehler bei AstraZenecas Vertrag ist seit vorigem Freitag bekannt, dass im ersten Quartal, also bis Ende März, 80 bis 120 Millionen Dosen hätten geliefert werden sollen. Tatsächlich werden es jetzt nur 40 Millionen Dosen, wobei ein Sprecher der Kommission am Montag sagte, man versuche weiterhin, zusätzliche Dosen zu bekommen. „Die Abwesenheit dieses Impfstoffs schafft ein echtes Problem im ersten Quartal, denn das war der Impfstoff mit der größten Menge“, sagte Gallina. Es sei allerdings „auch immer klar gewesen, dass das erste Quartal kein einfaches werden würde“.
Ein paar interessante Zahlen nannte sie jedoch. Im Februar würden 33 Millionen Dosen an die EU-Staaten geliefert werden, im März bereis 55 Millionen. Ab dem zweiten Quartal würden es „viel mehr“. Denn da kämen 75 Millionen zusätzliche Dosen von Pfizer/Biontech dazu sowie die ersten Lieferungen von Curevac und jene von Johnson & Johnson. Darüber hinaus ist die Kommission mit Novavax und Valneva in Verhandlung über 130 Millionen weiterer Dosen; hier steht noch die Zulassung aus.