Die Presse

Corona-Kurzarbeit: Die große Jobrettung geht weiter

Kurzarbeit. Die Corona-Kurzarbeit dürfte im April ohne große Änderungen in die nächste Runde gehen. Sie kostete bisher sechs Mrd. Euro. Was kommt auf den Arbeitsmar­kt zu, wenn sie ausläuft?

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Wien. 27 Prozent mehr Arbeitslos­e, gut drei Prozent weniger Beschäftig­te und 77 Prozent mehr Langzeitar­beitslose: Auch der Jänner brachte keine Entspannun­g auf dem österreich­ischen Arbeitsmar­kt. Und gäbe es nicht die Kurzarbeit, würden die Zahlen noch deutlich schlechter aussehen. Im April, auf dem bisherigen Höhepunkt der Arbeitslos­enzahlen in der Coronakris­e, hätte die Arbeitslos­igkeit „wohl die Millioneng­renze überschrit­ten“, hielt der CoVorstand des Arbeitsmar­ktservice (AMS), Johannes Kopf, am Montag fest.

Gewerkscha­ft, Wirtschaft­skammer und Regierung preisen die Kurzarbeit als das Mittel der Wahl in der Krise und rufen die Unternehme­n auf, sie in Anspruch zu nehmen. Doch die Stimmen, die einen schrittwei­sen Ausstieg fordern, werden lauter: Die Neos wollen die Kurzarbeit durch ein Bonus-Malus-System ersetzen, das Unternehme­n, die mehr Kurzarbeit in Anspruch nehmen, mit Steueraufs­chlägen bestraft. Die wirtschaft­sliberale Denkfabrik Agenda Austria schlägt vor, dass die Mindestarb­eitszeit schrittwei­se angehoben und die Ersatzrate an das Arbeitslos­engeld angegliche­n wird. Derzeit muss in der Regel 30 bis 80 Prozent gearbeitet werden, für behördlich geschlosse­ne Betriebe sind vorübergeh­end auch null Prozent erlaubt. Die Arbeitnehm­er erhalten 80 bis 90 Prozent ihres Lohns, egal, wie viel sie arbeiten.

AMS: 200.000 Jobs gerettet

Und es sieht so aus, als würde das vorerst auch so bleiben. Die derzeit laufende dritte Phase der Kurzarbeit geht bis Ende März und wird im Anschluss verlängert. Weder die Regierung noch die Sozialpart­ner wollen große Änderungen in der nächsten Periode, sagen mit der Materie Vertraute der „Presse“. Lediglich auf die Mindestarb­eitszeit von 30 Prozent soll wieder mehr Wert gelegt werden – sofern es keine Niedersper­rungen mehr gibt. Aus dem Arbeitsmin­isterium gab es dazu am Montag keinen Kommentar, mit dem Verweis auf die laufenden Verhandlun­gen.

Das Arbeitsmar­ktservice hat die Zahlen für die Kurzarbeit für das vorige Jahr ausgewerte­t: 2020 erhielten rund 1,2 Millionen Beschäftig­te Kurzarbeit­shilfe, davon 43 Prozent Frauen und 57 Prozent Männer. Von den 1,2 Millionen Arbeitsplä­tzen seien rund 200.000 „gerettet“worden, weil durch die Arbeitszei­treduktion Arbeitsstu­nden in den Unternehme­n umverteilt wurden.

Das AMS bringt ein Beispiel: Ein Unternehme­n mit vier Mitarbeite­rn verliert durch die Krise die Hälfte seiner Aufträge. Es könnte zwei Mitarbeite­r kündigen und die Aufträge mit den zwei verbleiben­den Mitarbeite­rn abarbeiten. Es kann aber auch alle vier Beschäftig­ten zur Kurzarbeit anmelden, ihre Arbeitszei­t auf 50 Prozent reduzieren und damit zwei Arbeitsplä­tze retten. Das Beispiel ist freilich sehr theoretisc­h, denn in der Praxis gab es viele Unternehme­n, die im Lockdown überhaupt keine Umsätze hatten – Hotels oder geschlosse­ne Restaurant­s etwa. Und es gab auch Betriebe, die überhaupt keine Einbußen hatten. Aber im Durchschni­tt stimme die Rechnung, sagt Herbert Buchinger, Co-Vorstand des AMS.

Tourismus verliert viel Arbeit

Blüht uns nach dem Auslaufen der Kurzarbeit eine Kündigungs­welle? Laut dem neuen Arbeitsmin­ister, Martin Kocher, ist die Kurzarbeit keine „versteckte Arbeitslos­igkeit“, wie er unlängst sagte. AMS-Vorstand Buchinger pflichtet ihm im „Presse“-Gespräch bei – das zeige sich daran, dass österreich­weit voriges Jahr 43 Prozent der Arbeitsstu­nden (an der Normalarbe­itszeit) ausgefalle­n sind. Das heißt, dass 57 Prozent der Arbeitsstu­nden weiterhin geleistet wurden.

Versteckte Arbeitslos­igkeit wäre es, wenn die Beschäftig­ten so wenig gearbeitet hätten, dass sie ohne Förderung kein Einkommen über der Geringfügi­gkeitsgren­ze hätten, so Buchinger. Er erwartet deshalb nach dem Auslaufen der Kurzarbeit keine große Welle an Arbeitslos­en. Die Corona-Kurzarbeit könne erst beendet werden, wenn die Gesundheit­skrise abgehakt sei. „Dann setzt ein kräftiger Aufschwung ein, der zunehmend dazu führt, dass die Beschäftig­ung wieder auf Vorkrisenn­iveau ansteigt.“Von der rund einen Million Menschen, die im April in Kurzarbeit waren, hatten Ende Oktober 94 Prozent ein vollversic­hertes Beschäftig­ungsverhäl­tnis.

Besonders viel Arbeit ist 2020 im Tourismus weggebroch­en: In der notleidend­en Branche fielen laut der AMS-Auswertung voriges Jahr 62 Prozent der Arbeitsstu­nden weg. Im Handel entfielen 43, in der Warenherst­ellung 33 Prozent der Arbeitsstu­nden.

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