Brachiales Ende des Demokratie-Experiments
Burma. Die Militärs vertreiben Aung San Suu Kyi und ihre Partei von der Macht. Der Westen droht erneut mit Sanktionen.
Bangkok. Die Soldaten kamen mitten in der Nacht – und putschten sich im Schutz der Dunkelheit an die Macht. Im Streit um das Ergebnis der Parlamentswahl vom November haben die Streitkräfte in Burma (Myanmar) am Montag die De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi sowie Vertreter der Regierungspartei und Kabinettsmitglieder festnehmen lassen. Kurz darauf verkündeten die Generäle einen einjährigen Ausnahmezustand unter der Herrschaft von Armeechef Min Aung Hlaing. 2022 will die Armee Wahlen zulassen.
Ein Jahrzehnt nach dem Ende der Militärdiktatur in dem südostasiatischen Land markiert der Putsch nun vorerst das Ende des kurzlebigen demokratischen Aufbruchs. Beobachter warnen vor einer möglichen gewaltsamen Eskalation des Konflikts im 55-Millionen-Einwohner-Staat. Auch der wirtschaftlichen Öffnung des international jahrzehntelang isolierten Lands droht ein massiver Rückschlag.
Aungs Aufruf zum Widerstand
Die ersten Konsequenzen des Machtkampfs bekamen die Einwohner von Yangon, dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes, bereits wenige Stunden nach dem Staatsstreich zu spüren. Internetverbindungen wurden gekappt, Banken mussten wegen des Zusammenbruchs der digitalen Infrastruktur landesweit schließen. Wo es noch funktionierende Geldautomaten gab, kam es zu langen Warteschlangen. Auch auf den Lebensmittelmärkten war der Andrang auf Grundnahrungsmittel groß: Die Burmesen stellten sich auf eine Zeit der Unsicherheit ein.
Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die Burma seit den ersten freien Wahlen 2015 als sogenannte Staatsrätin anführte, rief ihre Anhänger zum Widerstand auf. „Das Militär zielt darauf ab, Burma wieder zur Diktatur zu machen“, teilte sie laut einem von ihrer Partei NLD verbreiteten Schreiben mit. „Ich fordere die Bürger auf, das nicht zu akzeptieren und von ganzem Herzen gegen diesen Militärputsch zu protestieren.“
Die Aussicht auf mögliche Massenproteste löste die Sorge aus, dass es zu gewaltsamen Zusammenstößen kommen könnte. Während der 50-jährigen Militärdiktatur hatten die Generäle Kritiker verfolgt und Proteste mehrfach brutal niedergeschlagen – zuletzt bei der sogenannten Safran-Revolution 2007. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnte vor massiver Gewalt und Hinrichtungen.
Möglich sind neue internationale Sanktionen, die Burma hart treffen könnten. Die US-Regierung drohte mit Maßnahmen gegen die Verantwortlichen des Putsches, sollte der Machtwechsel nicht zurückgenommen werden. Auch EUKommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte den Putsch des Militärs. „Die legitime zivile Regierung muss wieder eingesetzt werden“, forderte sie.
Die EU-Kommission kündigte an, sich mit internationalen Partnern über Konsequenzen abstimmen zu wollen. Die EU und die USA hatten nach dem Ende der Militärdiktatur ihre Sanktionen weitgehend aufgehoben und so westlichen Unternehmen Geschäfte ermöglicht. In Burmas Wirtschaft haben die Streitkräfte durch den Besitz von großen Firmenkonglomeraten erheblichen Einfluss. Zuletzt waren auch europäische Unternehmen in die Kritik geraten, weil diese mit den Firmen des umstrittenen Militärs Geschäfte machten.
Burmas Militär wurde zuletzt wegen eines brutalen Einsatzes gegen die muslimische Minderheit der Rohingya international geächtet. Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag musste sich Burma wegen des Vorwurfs des Völkermords verantworten.
Armeeprivilegien in Gefahr
Mit der Parlamentswahl, bei der die Partei Suu Kyis eine absolute Mehrheit erzielte, begann im November ein neues Kapitel in dem komplizierten Verhältnis zwischen Suu Kyi und dem Militär. Dessen politischer Arm erlitt bei der Abstimmung eine herbe Niederlage. Die Streitkräfte weigerten sich jedoch, das Ergebnis anzuerkennen, und beklagten ohne Beweise millionenfache Unregelmäßigkeiten bei den Wählerlisten. Sowohl die Wahlkommission als auch internationale Wahlbeobachter wiesen die Vorwürfe als unbegründet zurück.
Hinter dem Putsch steht aus Sicht von Beobachtern die Befürchtung der Generäle, dass Suu Kyis wachsende Popularität eine Gefahr für die Privilegien des Militärs darstellt. Bisher hatte die Armee auch unter der zivilen Regierung erheblichen politischen Einfluss: Laut Verfassung stellte sie nicht nur ein Viertel der Abgeordneten, sondern besetzte auch Schlüsselressorts wie Verteidigung und Innere Sicherheit. Suu Kyi befürwortete Verfassungsänderungen, die diese Sonderrechte beschneiden sollten. Armeechef Min Aung Hlaing wollte nicht riskieren, dass sie diese Pläne vorantrieb.
Mit der Festsetzung der Anführerin bringt er sein Land nun zurück in eine Zeit der Repression: Während der Militärdiktatur stand Suu Kyi bereits anderthalb Jahrzehnte unter Hausarrest. Nun ist die 75-Jährige erneut eine politische Gefangene.