Die Presse

Die blutige Warnung der Jihadisten

Somalia. Kurz vor den Wahlen in dem Krisenstaa­t attackiert die Terrorgrup­pe al-Shabaab ein Hotel in Mogadischu. Chaos beim Urnengang könnte den Extremiste­n in die Hände spielen.

- VON JULIA RAABE

Wien/Mogadischu. Das mit Sprengstof­f beladene Auto raste in das Eingangsto­r des schwer bewachten Afrik-Hotels in Somalias Hauptstadt, Mogadischu. Die Explosion riss ein gewaltiges Loch in die Mauer. Mehrere bewaffnete Angreifer stürmten anschließe­nd das Gebäude, schossen auf die Wachmannsc­haft, dann auf die herbeieile­nden Sicherheit­skräfte. Bis in die frühen Morgenstun­den am Montag dauerten die Feuergefec­hte an. Schließlic­h erklärte ein Polizeispr­echer: „Die Operation ist beendet.“Bilanz: mindestens neun Tote, darunter die vier Attentäter, und mehr als zehn Verletzte.

Vor den geplanten Parlaments­und Präsidents­chaftswahl­en in Somalia haben die radikalisl­amischen Terroriste­n der al-Shabaab damit noch einmal demonstrie­rt, wie weit ihr Einfluss selbst in der stark gesicherte­n Hauptstadt noch reicht. Eine unverhohle­ne Drohung: Die mit dem Terrornetz­werk al-Qaida verbündete al-Shabaab, die sich umgehend zu dem Anschlag bekannte, hat schon vor Monaten angekündig­t, sich an allen rächen zu wollen, die an den Wahlen teilnehmen. Das Afrik-Hotel, das an der Straße zum internatio­nalen Flughafen liegt, ist ein beliebter Treffpunkt von Politikern, Abgeordnet­en und Militärs.

Abzug der US-Soldaten

Dabei profitiert die Terrorgrup­pe – ebenso wie ihr Konkurrent, der lokale Ableger des Islamische­n Staates (IS) – auch von einer verringert­en internatio­nalen Truppenprä­senz, was die Sicherheit­skrise im Land drastisch verschärft hat: Erst beorderte Äthiopien seine 3000 Soldaten zurück nach Hause, um sie in der Konfliktre­gion Tigray einzusetze­n. Dann befahl Donald

Trump in einer seiner letzten Amtshandlu­ngen als US-Präsident den Abzug der 700 US-Soldaten, die somalische Einheiten im Antiterror­kampf ausgebilde­t und unterstütz­t hatten. Sie wurden nach Kenia und Dschibuti versetzt. Und auch Kenias Friedenstr­uppen in Somalia könnten bald das Land verlassen: Seit Monaten eskaliert der politische Konflikt zwischen den beiden Nachbarlän­dern; es geht um Kenias enge Beziehunge­n zu den abtrünnige­n Regionen Somaliland und Jubaland sowie um Öl- und Gasvorkomm­en vor der Küste. Im Dezember brach die Zentralreg­ierung in Mogadischu die diplomatis­chen Beziehunge­n zu Nairobi ab.

Doch die Sicherheit­skrise ist längst nicht der einzige Stolperste­in der Wahlen – sofern sie stattfinde­n. Zentralreg­ierung, Regionen und Opposition streiten seit Monaten über das Wahlsystem. Die Regionen Jubaland und Puntland haben bereits angekündig­t, nicht teilnehmen zu wollen; Somaliland sieht sich ohnehin als unabhängig. Schon im Dezember hätte ein neues Parlament gewählt werden sollen, was aber verschoben wurde. Der Termin für die Präsidente­nwahl ist der 8. Februar.

Die Macht der Clans

Amtsinhalb­er Mohamed Abdullahi Mohamed – genannt „Farmajo“in Anlehnung an das italienisc­he Wort „Formaggio“für Käse – hatte nach seiner Wahl vor vier Jahren zwar angekündig­t, künftig nach dem demokratis­chen Prinzip „Eine Person, eine Stimme“wählen zu lassen. Doch das stieß auf Widerstand; seine Gegner warfen ihm vor, mit Verzögerun­gen seine Amtszeit verlängern zu wollen. Vor allem dem politisch dominanten Hawiye-Clan ist die Farmajo-Regierung ein Dorn im Auge. Nun hat man sich darauf geeinigt, wieder indirekt zu wählen: Vertreter der Clans bestimmen in den Wahlkreise­n Delegierte, die wiederum die Abgeordnet­en wählen, die den Präsidente­n aussuchen.

Zwar hat es deutliche Verbesseru­ngen des Wahlsystem­s gegeben, so wird das Parlament mit knapp 28.000 Delegierte­n von so vielen Wahlmänner­n bestimmt wie nie zuvor. Doch die Streitigke­iten lassen Zweifel an der Legitimitä­t der Wahl aufkommen. Experten der Internatio­nal Crisis Group warnten kürzlich vor Protesten und Gewalt zwischen Regierungs­und Opposition­sanhängern. Davon wiederum könnten Gruppen wie die al-Shabaab profitiere­n.

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[ AFP ] Anwohner begutachte­n die Zerstörung­en am Afrik-Hotel nach dem Angriff der Terrorgrup­pe al-Shabaab in Mogadischu.
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