Die blutige Warnung der Jihadisten
Somalia. Kurz vor den Wahlen in dem Krisenstaat attackiert die Terrorgruppe al-Shabaab ein Hotel in Mogadischu. Chaos beim Urnengang könnte den Extremisten in die Hände spielen.
Wien/Mogadischu. Das mit Sprengstoff beladene Auto raste in das Eingangstor des schwer bewachten Afrik-Hotels in Somalias Hauptstadt, Mogadischu. Die Explosion riss ein gewaltiges Loch in die Mauer. Mehrere bewaffnete Angreifer stürmten anschließend das Gebäude, schossen auf die Wachmannschaft, dann auf die herbeieilenden Sicherheitskräfte. Bis in die frühen Morgenstunden am Montag dauerten die Feuergefechte an. Schließlich erklärte ein Polizeisprecher: „Die Operation ist beendet.“Bilanz: mindestens neun Tote, darunter die vier Attentäter, und mehr als zehn Verletzte.
Vor den geplanten Parlamentsund Präsidentschaftswahlen in Somalia haben die radikalislamischen Terroristen der al-Shabaab damit noch einmal demonstriert, wie weit ihr Einfluss selbst in der stark gesicherten Hauptstadt noch reicht. Eine unverhohlene Drohung: Die mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verbündete al-Shabaab, die sich umgehend zu dem Anschlag bekannte, hat schon vor Monaten angekündigt, sich an allen rächen zu wollen, die an den Wahlen teilnehmen. Das Afrik-Hotel, das an der Straße zum internationalen Flughafen liegt, ist ein beliebter Treffpunkt von Politikern, Abgeordneten und Militärs.
Abzug der US-Soldaten
Dabei profitiert die Terrorgruppe – ebenso wie ihr Konkurrent, der lokale Ableger des Islamischen Staates (IS) – auch von einer verringerten internationalen Truppenpräsenz, was die Sicherheitskrise im Land drastisch verschärft hat: Erst beorderte Äthiopien seine 3000 Soldaten zurück nach Hause, um sie in der Konfliktregion Tigray einzusetzen. Dann befahl Donald
Trump in einer seiner letzten Amtshandlungen als US-Präsident den Abzug der 700 US-Soldaten, die somalische Einheiten im Antiterrorkampf ausgebildet und unterstützt hatten. Sie wurden nach Kenia und Dschibuti versetzt. Und auch Kenias Friedenstruppen in Somalia könnten bald das Land verlassen: Seit Monaten eskaliert der politische Konflikt zwischen den beiden Nachbarländern; es geht um Kenias enge Beziehungen zu den abtrünnigen Regionen Somaliland und Jubaland sowie um Öl- und Gasvorkommen vor der Küste. Im Dezember brach die Zentralregierung in Mogadischu die diplomatischen Beziehungen zu Nairobi ab.
Doch die Sicherheitskrise ist längst nicht der einzige Stolperstein der Wahlen – sofern sie stattfinden. Zentralregierung, Regionen und Opposition streiten seit Monaten über das Wahlsystem. Die Regionen Jubaland und Puntland haben bereits angekündigt, nicht teilnehmen zu wollen; Somaliland sieht sich ohnehin als unabhängig. Schon im Dezember hätte ein neues Parlament gewählt werden sollen, was aber verschoben wurde. Der Termin für die Präsidentenwahl ist der 8. Februar.
Die Macht der Clans
Amtsinhalber Mohamed Abdullahi Mohamed – genannt „Farmajo“in Anlehnung an das italienische Wort „Formaggio“für Käse – hatte nach seiner Wahl vor vier Jahren zwar angekündigt, künftig nach dem demokratischen Prinzip „Eine Person, eine Stimme“wählen zu lassen. Doch das stieß auf Widerstand; seine Gegner warfen ihm vor, mit Verzögerungen seine Amtszeit verlängern zu wollen. Vor allem dem politisch dominanten Hawiye-Clan ist die Farmajo-Regierung ein Dorn im Auge. Nun hat man sich darauf geeinigt, wieder indirekt zu wählen: Vertreter der Clans bestimmen in den Wahlkreisen Delegierte, die wiederum die Abgeordneten wählen, die den Präsidenten aussuchen.
Zwar hat es deutliche Verbesserungen des Wahlsystems gegeben, so wird das Parlament mit knapp 28.000 Delegierten von so vielen Wahlmännern bestimmt wie nie zuvor. Doch die Streitigkeiten lassen Zweifel an der Legitimität der Wahl aufkommen. Experten der International Crisis Group warnten kürzlich vor Protesten und Gewalt zwischen Regierungsund Oppositionsanhängern. Davon wiederum könnten Gruppen wie die al-Shabaab profitieren.