Wie lang man den Ausgang beschränken darf
Recht. Österreich nimmt Patienten aus Portugal auf. Wie passt das mit der Warnung vor dem Zusammenbruch der Spitalsversorgung zusammen? Und darf man die gesetzlich darauf fußenden Kontaktverbote noch aufrechterhalten?
Wien. Seit Anfang November gelten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Die Rechtsgrundlage dafür ist das Covid-19-Maßnahmengesetz. Es erlaubt eine Verordnung dazu jedoch nur, wenn die medizinische Versorgung Österreichs sonst vor dem Zusammenbruch stünde. Wie aber passe das mit der Ankündigung Österreichs, nun auch Covid-Patienten aus Portugal aufzunehmen, zusammen, fragt ein „Presse“-Leser. Wie berechnet man also tatsächlich diese Gefahr der Überlastung, und wie lang kann es rechtmäßig sein, die Ausgehbeschränkungen fortzusetzen?
Wann genau darf es Ausgangsbeschränkungen geben?
Laut Gesetz nur, „sofern es zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 unerlässlich ist, um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern“. „Unerlässlich“, sei eine scharfe Formulierung im Gesetz, sagt Verfassungsjurist Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck. „Nur weil nicht jeder die beste medizinische Versorgung mehr bekommen kann, ist es aber noch kein Zusammenbruch des Gesundheitssystems“, analysiert der Professor im Gespräch mit der „Presse“.
Und auf welchen Zeitraum muss man die Prognose beziehen?
Das Gesetz spricht nur von einem „drohenden Zusammenbruch“des Systems. Es gehe also immer um eine Prognose für die nächsten Wochen, wie Karl Stöger, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinrecht an der Universität Wien, verdeutlicht. Man müsse mit den Maßnahmen nicht erst abwarten, bis eine Triage in Spitälern bereits nötig werde.
Kann man Portugiesen aufnehmen und Ausgangsregeln beibehalten?
„Wir haben angeboten, eine Reihe von Intensivpatienten zu übernehmen, die genaue Zahl muss noch von den Portugiesen festgelegt werden“, erklärte Außenminister Alexander Schallenberg am Sonntag in der „Zeit im Bild“. Doch die Zahl ist relevant. Wenn man hundert Patienten aus Portugal aufnehme, könne es nicht so schlimm um die Gesundheitsversorgung stehen, sagt Bußjäger. Wenn es nur um einzelne gehe, gebe es aber noch keinen Widerspruch zu den Ausgangsregeln. Bei freien Kapazitäten könne man „im überschaubaren Ausmaß“Patienten aus anderen Ländern aufnehmen und trotzdem von einer drohenden Überlastung der Spitäler sprechen, betont Stöger. Man müsse immer so denken: Wie würde sich die Situation in den Spitälern entwickeln, wenn man die Ausgangsregeln aufhebt? Zu beachten ist aber, dass die Regierung zu milderen Maßnahmen greifen muss (z. B. Ausgangsbeschränkungen nur nachts), falls diese ausreichen.
Was passiert, wenn Kapazitäten überraschend nicht reichen?
Österreich ist nicht verpflichtet, in einem anderen Land lebende Covid-Patienten zu übernehmen, dies ist aber ein Akt europäischer Solidarität. Wenn man Personen einmal aufgenommen hat, darf man sie jedoch auch nicht schlechter behandeln als heimische Patienten. Selbst wenn irgendwann zu wenig Sauerstoffgeräte frei sein sollten. Im Fall einer Triage wären Faktoren wie die Überlebenschance relevant, niemals die Herkunft, betont Stöger.
Wie rechtfertigt das Gesundheitsministerium die Maßnahmen?
Im Fall eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof müsste das Gesundheitsministerium die Ausgangsregeln verteidigen. Etwa, indem man Prognosen zu den Fallzahlen dem Verordnungsakt beilegt (im Frühjahr war dies unterblieben). „Die Presse“fragte Rudolf Anschobers Ministerium, wie viele Patienten aus Portugal aufgenommen werden sollen und inwieweit die jetzige Belastung in Spitälern Ausgangsbeschränkungen weiter rechtfertigt. Bis Redaktionsschluss gab es keinerlei Antwort dazu.