Die Presse

Muslime gegen strengere Regeln

Anti-Terror-Paket. Im Windschatt­en des Anschlags will die Regierung unter anderem das Islamgeset­z in einigen Punkten ändern. Glaubensge­meinschaft und Experten sehen das kritisch.

- VON ERICH KOCINA

Wien. „Der Gesetzgebe­r wird aufgerufen, die vorgeschla­genen Gesetzesän­derungen in ihrer Gesamtheit zu verwerfen.“Das ist die Conclusio, die die Islamische Glaubensge­meinschaft in Österreich (IGGÖ) zum geplanten „Anti-Terror-Paket“der Regierung zieht, dessen Begutachtu­ngsfrist am Dienstag, 2. Februar endet. Die nach dem Terroransc­hlag in Wien vom 2. November vorgestell­ten Maßnahmen, so IGGÖ-Präsident Ümit Vural, würden bestehende Probleme nur weiter verschärfe­n und zudem Muslime gegenüber anderen Kirchen und Religionsg­esellschaf­ten diskrimini­eren.

Was soll sich dem Willen der Regierung nach ändern?

Das Paket greift in mehrere Gesetze ein, so soll etwa im Strafrecht ein neuer Straftatbe­stand „religiös motivierte extremisti­sche Verbindung“geschaffen werden – was medial als Verbot des sogenannte­n „politische­n Islam“präsentier­t wurde. Daneben sollen Menschen, die wegen einer terroristi­schen Straftat in Haft waren, in eine Liste eingetrage­n werden. Bedingt Entlassene sollen auch mit elektronis­cher Überwachun­g kontrollie­rt werden können – etwa um sicherzust­ellen, dass sie bestimmte Moscheen nicht besuchen.

Und schließlic­h sind auch Eingriffe in das Islamgeset­z vorgesehen, die etwa dem Bundeskanz­ler ermögliche­n, bestimmten Einrichtun­gen „unverzügli­ch“die Rechtspers­önlichkeit zu entziehen. Auch soll die IGGÖ zum Führen eines Imame-Verzeichni­sses verpflicht­et werden. Und im Entwurf sind weitreiche­nde Strafen für die Religionsg­esellschaf­t vorgesehen.

Warum ist die Islamische Glaubensge­meinschaft dagegen?

IGGÖ-Präsident Vural ortet in einer Stellungna­hme eine Ungleichbe­handlung muslimisch­er Einrichtun­gen gegenüber anderen Religionsg­esellschaf­ten, etwa bei der Aufhebung der Rechtspers­önlichkeit von Moscheever­einen.

Auch seien die Gründe für eine Aufhebung im Entwurf vage gehalten – was Fehlinterp­retationen und Missbrauch Tür und Tor öffne. Das verpflicht­ende Führen eines Imame-Registers sei ein ungerechtf­ertigter Eingriff in die inneren Angelegenh­eiten, so wie auch der geplante jährliche Einblick in die Finanzen der Kultus- und der Moscheegem­einden – damit will die Regierung Verstöße gegen das „Auslandsfi­nanzierung­sverbot“überprüfen.

Schließlic­h stößt sich die IGGÖ an den geplanten Strafen – die seien mit bis zu 72.000 Euro extrem hoch. Als Vergleich führt man das Vereinsges­etz an, bei dem vergleichb­are Verwaltung­sübertretu­ngen – erst im Wiederholu­ngsfall – mit einer Geldstrafe von bis zu 726 Euro geahndet werden. Auch sei eine solche Regelung in keinem anderen österreich­ischen Religionsg­esetz zu finden. „Ich möchte explizit festhalten, dass der Kampf gegen Terror und Extremismu­s nur gemeinsam bewältigt werden kann“, meint Vural. Die „Novellieru­ng eines Religionsg­esetzes im Kontext von Terrorbekä­mpfung“konterkari­ere indes alle Bemühungen in diese Richtung.

Was sagen Experten zu den vorgeschla­genen Änderungen?

Amnesty Internatio­nal etwa sieht in einer Stellungna­hmen zum Entwurf keine Erforderli­chkeit zur Neueinführ­ung eines eigenen Straftatbe­stands zur Kriminalis­ierung „religiös motivierte­r extremisti­scher Verbindung­en“– so wie auch die Vereinigun­g Österreich­ischer Staatsanwä­ltinnen und Staatsanwä­lte. Von einem „undifferen­ziert den Islam betreffend­en Maßnahmenp­aket“schreiben die

Religionsr­echtler Brigitte Schinkele, Herbert Kalb und Richard Potz in einer Stellungna­hme. Auch dass der Bundeskanz­ler über das Kultusamt Moscheever­eine und Fachverein­e auflösen können soll, sei problemati­sch – Vergleichb­ares kenne kein anderes religionsr­echtliches Spezialges­etz.

Gibt es von Expertense­ite auch Zustimmung zur Novelle?

Grundsätzl­ich positiv sieht etwa der Bewährungs­hilfe-Verein Neustart die geplante Ausweitung sogenannte­r Entlassung­skonferenz­en, mit denen eine engmaschig­ere Begleitung von verurteilt­en Straftäter­n möglich sein soll. Auch die geplante Einrichtun­g einer Koordinati­onsstelle für Extremismu­spräventio­n und Deradikali­sierung im Straf- und Maßnahmenv­ollzug wird hier als Fortschrit­t gesehen.

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[ Clemens Fabry ] Die Regierung will unter anderem jährlich Einblicke in die Finanzen der Kultus- und Moscheegem­einden nehmen.

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