Muslime gegen strengere Regeln
Anti-Terror-Paket. Im Windschatten des Anschlags will die Regierung unter anderem das Islamgesetz in einigen Punkten ändern. Glaubensgemeinschaft und Experten sehen das kritisch.
Wien. „Der Gesetzgeber wird aufgerufen, die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen in ihrer Gesamtheit zu verwerfen.“Das ist die Conclusio, die die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) zum geplanten „Anti-Terror-Paket“der Regierung zieht, dessen Begutachtungsfrist am Dienstag, 2. Februar endet. Die nach dem Terroranschlag in Wien vom 2. November vorgestellten Maßnahmen, so IGGÖ-Präsident Ümit Vural, würden bestehende Probleme nur weiter verschärfen und zudem Muslime gegenüber anderen Kirchen und Religionsgesellschaften diskriminieren.
Was soll sich dem Willen der Regierung nach ändern?
Das Paket greift in mehrere Gesetze ein, so soll etwa im Strafrecht ein neuer Straftatbestand „religiös motivierte extremistische Verbindung“geschaffen werden – was medial als Verbot des sogenannten „politischen Islam“präsentiert wurde. Daneben sollen Menschen, die wegen einer terroristischen Straftat in Haft waren, in eine Liste eingetragen werden. Bedingt Entlassene sollen auch mit elektronischer Überwachung kontrolliert werden können – etwa um sicherzustellen, dass sie bestimmte Moscheen nicht besuchen.
Und schließlich sind auch Eingriffe in das Islamgesetz vorgesehen, die etwa dem Bundeskanzler ermöglichen, bestimmten Einrichtungen „unverzüglich“die Rechtspersönlichkeit zu entziehen. Auch soll die IGGÖ zum Führen eines Imame-Verzeichnisses verpflichtet werden. Und im Entwurf sind weitreichende Strafen für die Religionsgesellschaft vorgesehen.
Warum ist die Islamische Glaubensgemeinschaft dagegen?
IGGÖ-Präsident Vural ortet in einer Stellungnahme eine Ungleichbehandlung muslimischer Einrichtungen gegenüber anderen Religionsgesellschaften, etwa bei der Aufhebung der Rechtspersönlichkeit von Moscheevereinen.
Auch seien die Gründe für eine Aufhebung im Entwurf vage gehalten – was Fehlinterpretationen und Missbrauch Tür und Tor öffne. Das verpflichtende Führen eines Imame-Registers sei ein ungerechtfertigter Eingriff in die inneren Angelegenheiten, so wie auch der geplante jährliche Einblick in die Finanzen der Kultus- und der Moscheegemeinden – damit will die Regierung Verstöße gegen das „Auslandsfinanzierungsverbot“überprüfen.
Schließlich stößt sich die IGGÖ an den geplanten Strafen – die seien mit bis zu 72.000 Euro extrem hoch. Als Vergleich führt man das Vereinsgesetz an, bei dem vergleichbare Verwaltungsübertretungen – erst im Wiederholungsfall – mit einer Geldstrafe von bis zu 726 Euro geahndet werden. Auch sei eine solche Regelung in keinem anderen österreichischen Religionsgesetz zu finden. „Ich möchte explizit festhalten, dass der Kampf gegen Terror und Extremismus nur gemeinsam bewältigt werden kann“, meint Vural. Die „Novellierung eines Religionsgesetzes im Kontext von Terrorbekämpfung“konterkariere indes alle Bemühungen in diese Richtung.
Was sagen Experten zu den vorgeschlagenen Änderungen?
Amnesty International etwa sieht in einer Stellungnahmen zum Entwurf keine Erforderlichkeit zur Neueinführung eines eigenen Straftatbestands zur Kriminalisierung „religiös motivierter extremistischer Verbindungen“– so wie auch die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Von einem „undifferenziert den Islam betreffenden Maßnahmenpaket“schreiben die
Religionsrechtler Brigitte Schinkele, Herbert Kalb und Richard Potz in einer Stellungnahme. Auch dass der Bundeskanzler über das Kultusamt Moscheevereine und Fachvereine auflösen können soll, sei problematisch – Vergleichbares kenne kein anderes religionsrechtliches Spezialgesetz.
Gibt es von Expertenseite auch Zustimmung zur Novelle?
Grundsätzlich positiv sieht etwa der Bewährungshilfe-Verein Neustart die geplante Ausweitung sogenannter Entlassungskonferenzen, mit denen eine engmaschigere Begleitung von verurteilten Straftätern möglich sein soll. Auch die geplante Einrichtung einer Koordinationsstelle für Extremismusprävention und Deradikalisierung im Straf- und Maßnahmenvollzug wird hier als Fortschritt gesehen.