Eidgenossin im Gleichgewicht
Ski alpin. Lara GutBehrami erlebt eine bemerkenswerte Renaissance, bei der WM könnte sie ihre schillernde Karriere endgültig krönen.
Garmisch/Wien. Geradezu spielerisch fährt Lara Gut-Behrami dieser Tage einen Weltcupsieg nach dem anderen ein. Nun aber wartet die härteste aller Prüfungen für diese neu gewonnene Leichtigkeit der Tessinerin. Am Sonntag wird die alpine Ski-WM in Cortina d’Ampezzo eröffnet, und bis dahin wird die 29-Jährige Tag für Tag daran erinnert werden, dass sie nach vier Super-G-Siegen in Folge auch bei den Titelkämpfen in Italien absolute Topfavoritin ist – und natürlich auch daran, dass sie zwar fünf WM-Medaillen ihr Eigen nennt, aber noch keine in Gold.
Am Montag hatte Gut-Behrami auch den zweiten Super-G in Garmisch gewonnen. Mit den Worten „Ich brauche ein paar Tage Pause“verabschiedete sich die müde wirkende Schweizerin in die Heimat. Aber schafft sie es dort, ihre Leichtigkeit zu behalten?
Erfolge und Klartext
Gut-Behramis Triumphzug vor der WM weckt Begehrlichkeiten in der neuen Skination Nummer eins, die ohnehin ein nicht ungestörtes Verhältnis zu ihrer dritterfolgreichsten Athletin der Geschichte (30 Weltcupsiege) pflegt. Zur Erinnerung: Das Ausnahmetalent stand als 16-Jährige auf dem Weltcuppodest, ihre Skitechnik setzte neue Maßstäbe (und ist nach wie vor unerreicht, wenn die kürzeste Linie gefragt ist). Doch Gut-Behrami wurde bald aufgerieben im öffentlichem Erfolgsdruck, tat ihren Unmut darüber kund und legte sich mit Medien und dem Verband an, der ihrem Privatteam rund um Trainervater Pauli Gut nicht immer freundlich gesinnt war.
2015/16 gewann sie schließlich den Gesamtweltcup, aber erlitt ausgerechnet bei der Heim-WM 2017 einen Kreuzbandriss. Es folgten Jahre ohne Weltcupsieg, aber Jahre der Selbstfindung, ehe die gereifte Athletin Fußballprofi Valon Behrami (Genoa CFC) heiratete und ihre Social-Media-Accounts löschte. „Rede ich nicht, bin ich arrogant. Erkläre ich, was ich weshalb tue, muss ich mich rechtfertigen“, sagte sie im Zürcher „Tages-Anzeiger“.
In diesem WM-Winter ist GutBehrami endgültig zurück an der Spitze (vier Siege, drei weitere Podestplätze). Wohl wissend, dass Athleten, die sich nicht nur über Resultate definieren, mitunter die erfolgreichsten sind. Sie ist nicht nur beste Eidgenossin im starken Team von Swiss Ski um Michelle Gisin und Corinne Suter, sie ist auch erste Jägerin von Petra Vlhova´ im Gesamtweltcup.
Und sie spricht wieder Klartext. Hatte sich Gut-Behrami noch zurückgehalten, als der Verband entschieden hatte, ihren Vater nicht mehr zu bezahlen, gab es in Crans-Montana wieder Ärger. Die Mitfavoritin hatte die Piste als „widerlich“bezeichnet, die Veranstalter zürnten, doch Gut-Behrami gewann auch dort den Super-G und erklärte, dass sie eben die Wahrheit sage, wenn sie gefragt werde.
„Die vergangenen Wochen waren anstrengend“, meinte sie vor ihrer Abreise auch in Garmisch. „Es braucht ab und zu lang, und wenn es dann in die richtige Richtung geht, ist alles leichter.“
Cortina ohne Goggia
Für eine andere Seriensiegerin bleibt die WM in Cortina nur ein Traum. Sofia Goggia fällt für die Titelkämpfe in ihrer Heimat aus, die 28-Jährige zog sich in Garmisch eine Fraktur des seitlichen Schienbeinkopfs im rechten Kniegelenk zu. Bitter: Goggia befand sich nicht nur in der Form ihres Lebens (vier Abfahrtssiege in Folge), sie stürzte bei einer einfachen Fahrt vom Startbereich zurück ins Tal.
Goggias Ausfall bedeutet auch einen herben Rückschlag für die WM-Gastgeber, das italienische Team zeigte sich schockiert. „Da bricht eine Welt zusammen“, meinte Cheftrainer Michael Mair.
Die Olympiasiegerin aus Bergamo nutzt die Ausfallzeit für einen anderen Eingriff: Sie lässt sich eine Platte entfernen, die ihr nach dem Unterarmbruch im Vorjahr ebenfalls in Garmisch eingesetzt worden ist.