Schöne Erinnerungen an die philharmonische Spieltradition
Mozartwoche. Obwohl niemand außer den Musikern in den Großen Saal des Mozarteums durfte, erreichte man so viel Publikum wie noch nie.
Mit einem Barenboim-Marathon ist die Mozartwoche 2021 zu Ende gegangen. Erstmals in der Geschichte des Festivals waren die Konzerte ausschließlich im Internet zu erleben. Zuhörer gab es keine im Großen Saal des Mozarteums, der sich allerdings als wunderbarer Aufnahmeort entpuppte. Zumindest haben die Tontechniker, die für die Livestreams auf der „Fidelio“-Plattform zuständig waren, ganze Arbeit geleistet. Sowohl Kammermusik als auch Orchesterwerke klangen sonor, doch nie hallig.
Vor allem im Finale war das bedeutsam, denn da musizierten die Philharmoniker mit Daniel Barenboim unter anderem die „Prager“Symphonie und das c-Moll-Klavierkonzert. Sie taten es so, dass man keinen Takt daran zweifeln konnte, wo später Beethoven Maß genommen hat (und zwar nicht nur für sein c-Moll-Konzert), wo also die Wurzeln der romantischen Symphonik liegen.
In Zeiten der vegetarischen Schonkost gelten solch fleischig-sinnliche Klangerlebnisse beinah schon als ketzerisch. Ganz verboten sind die Rückgriffe auf verloren geglaubte philharmonische Mozart-Herrlichkeit samt ihren dämonischen Zwischentönen gottlob noch nicht.
Daniel Barenboim hatte schon am Sonntagnachmittag mit Martha Argerich ein Exempel statuiert. Man kann Mozarts Werke für Klavier zu vier Händen ohne jede Konzession an den interpretatorischen Zeitgeist, also unter Verzicht auf Imitationsversuche von Cembalo- oder Hammerklaviergeräuschen, lebendig und beredt zum Klingen bringen, ohne dass der Hörer über stilistische Fragen ins Grübeln käme.
Martha Argerich: Koketterie nach Noten
Im Gegenteil: Diese beiden Spieler harmonierten nicht nur bei den rhythmischen Exzessen von Strawinskys „Sacre du printemps“, sondern auch in Mozarts feinsinnig auszubalancierenden formalen Gratwanderungen aufs Beste miteinander. So kokett, wie die Argerich bei heiklen Übergängen oft aufschaut, spielt sie ihrem Partner auch die musikalischen Pointen zu – und der nimmt sie auf. Die Kunst behutsamster Temponuancierungen und agogischer Finessen feiert da fröhliche Urständ.
Nicht ganz von dieser Souveränität geriet diesmal der Auftritt von Cecilia Bartoli. Die Inaktivität der Coronazeit setzt Stimmen offenbar sehr zu. Jedenfalls klangen diesmal weder „Non temer, amato bene“noch Zerlinas „Vedrai, carino“aus „Don Giovanni“so samtweich timbriert und vor allem nicht so anmutig beweglich wie gewohnt. Zu Pfingsten, beim eigenen Festival, wird die Bartoli Salzburg aber gewiss wieder für sich einzunehmen wissen.
Insgesamt darf sich Rolando Villazon´ freuen: Als Intendant der Mozartwoche ist es ihm gelungen, eine breite Öffentlichkeit mit einem gut gemischten Programm zu erreichen, das sogar eine Mozart-„Uraufführung“enthielt und nebenher ein paar wirklich lohnende Vergleiche ermöglichte.
Am meisten Aufmerksamkeit beanspruchte freilich die erstmalige Präsentation des vor Kurzem in die Sammlung der Stiftung Mozarteum gelangten kurzen Klavierstücks durch den Pianisten Seong-Jin Cho. Das Manuskript konnte eindeutig als Mozart-Handschrift identifiziert werden. Zwar dauert das Stücklein nur knapp über eineinhalb Minuten, doch verspricht die Vermarktung ein Geschäft zu werden: Das „Allegro in D-Dur“ist unter der Nummer 626b/16 ins Köchelverzeichnis aufgenommen worden.
Die „Mozart-Novität“, dokumentiert
Die Dokumentation, wie es zu dem Fund und zur Erstaufführung im Rahmen der Mozartwoche kam, ergab einen Film, der in Zusammenarbeit mit der Deutschen Grammophon ins Netz gestellt wurde und nun weltweit über YouTube, Facebook und Instagram abrufbar ist. Eine „Single“mit dem Werk ist seit Freitag in den digitalen MusikStores erhältlich. Nicht nur die Festivals gehen derzeit geschlossen „online“.
Villazon´ bereitet mittlerweile allerdings ein Festival vor, das wieder vor Publikum stattfinden soll: die Mozartwoche 2022, vom 27. Jänner bis zum 6. Februar.