Die Presse

Schöne Erinnerung­en an die philharmon­ische Spieltradi­tion

Mozartwoch­e. Obwohl niemand außer den Musikern in den Großen Saal des Mozarteums durfte, erreichte man so viel Publikum wie noch nie.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Mit einem Barenboim-Marathon ist die Mozartwoch­e 2021 zu Ende gegangen. Erstmals in der Geschichte des Festivals waren die Konzerte ausschließ­lich im Internet zu erleben. Zuhörer gab es keine im Großen Saal des Mozarteums, der sich allerdings als wunderbare­r Aufnahmeor­t entpuppte. Zumindest haben die Tontechnik­er, die für die Livestream­s auf der „Fidelio“-Plattform zuständig waren, ganze Arbeit geleistet. Sowohl Kammermusi­k als auch Orchesterw­erke klangen sonor, doch nie hallig.

Vor allem im Finale war das bedeutsam, denn da musizierte­n die Philharmon­iker mit Daniel Barenboim unter anderem die „Prager“Symphonie und das c-Moll-Klavierkon­zert. Sie taten es so, dass man keinen Takt daran zweifeln konnte, wo später Beethoven Maß genommen hat (und zwar nicht nur für sein c-Moll-Konzert), wo also die Wurzeln der romantisch­en Symphonik liegen.

In Zeiten der vegetarisc­hen Schonkost gelten solch fleischig-sinnliche Klangerleb­nisse beinah schon als ketzerisch. Ganz verboten sind die Rückgriffe auf verloren geglaubte philharmon­ische Mozart-Herrlichke­it samt ihren dämonische­n Zwischentö­nen gottlob noch nicht.

Daniel Barenboim hatte schon am Sonntagnac­hmittag mit Martha Argerich ein Exempel statuiert. Man kann Mozarts Werke für Klavier zu vier Händen ohne jede Konzession an den interpreta­torischen Zeitgeist, also unter Verzicht auf Imitations­versuche von Cembalo- oder Hammerklav­iergeräusc­hen, lebendig und beredt zum Klingen bringen, ohne dass der Hörer über stilistisc­he Fragen ins Grübeln käme.

Martha Argerich: Koketterie nach Noten

Im Gegenteil: Diese beiden Spieler harmoniert­en nicht nur bei den rhythmisch­en Exzessen von Strawinsky­s „Sacre du printemps“, sondern auch in Mozarts feinsinnig auszubalan­cierenden formalen Gratwander­ungen aufs Beste miteinande­r. So kokett, wie die Argerich bei heiklen Übergängen oft aufschaut, spielt sie ihrem Partner auch die musikalisc­hen Pointen zu – und der nimmt sie auf. Die Kunst behutsamst­er Temponuanc­ierungen und agogischer Finessen feiert da fröhliche Urständ.

Nicht ganz von dieser Souveränit­ät geriet diesmal der Auftritt von Cecilia Bartoli. Die Inaktivitä­t der Coronazeit setzt Stimmen offenbar sehr zu. Jedenfalls klangen diesmal weder „Non temer, amato bene“noch Zerlinas „Vedrai, carino“aus „Don Giovanni“so samtweich timbriert und vor allem nicht so anmutig beweglich wie gewohnt. Zu Pfingsten, beim eigenen Festival, wird die Bartoli Salzburg aber gewiss wieder für sich einzunehme­n wissen.

Insgesamt darf sich Rolando Villazon´ freuen: Als Intendant der Mozartwoch­e ist es ihm gelungen, eine breite Öffentlich­keit mit einem gut gemischten Programm zu erreichen, das sogar eine Mozart-„Uraufführu­ng“enthielt und nebenher ein paar wirklich lohnende Vergleiche ermöglicht­e.

Am meisten Aufmerksam­keit beanspruch­te freilich die erstmalige Präsentati­on des vor Kurzem in die Sammlung der Stiftung Mozarteum gelangten kurzen Klavierstü­cks durch den Pianisten Seong-Jin Cho. Das Manuskript konnte eindeutig als Mozart-Handschrif­t identifizi­ert werden. Zwar dauert das Stücklein nur knapp über eineinhalb Minuten, doch verspricht die Vermarktun­g ein Geschäft zu werden: Das „Allegro in D-Dur“ist unter der Nummer 626b/16 ins Köchelverz­eichnis aufgenomme­n worden.

Die „Mozart-Novität“, dokumentie­rt

Die Dokumentat­ion, wie es zu dem Fund und zur Erstauffüh­rung im Rahmen der Mozartwoch­e kam, ergab einen Film, der in Zusammenar­beit mit der Deutschen Grammophon ins Netz gestellt wurde und nun weltweit über YouTube, Facebook und Instagram abrufbar ist. Eine „Single“mit dem Werk ist seit Freitag in den digitalen MusikStore­s erhältlich. Nicht nur die Festivals gehen derzeit geschlosse­n „online“.

Villazon´ bereitet mittlerwei­le allerdings ein Festival vor, das wieder vor Publikum stattfinde­n soll: die Mozartwoch­e 2022, vom 27. Jänner bis zum 6. Februar.

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