Mario Draghi soll Italien retten
Kampf um Kabinett. Der Ex-Chef der Europäischen Zentralbank hat Auftrag zur Bildung der Regierung erhalten. Eine schwierige Mission.
Die Versuche, nach dem Ausbruch der Regierungskrise in Italien eine alternative Regierungsmehrheit zu bilden, sind gescheitert. Nun soll Mario Draghi, der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank, das Land aus der Krise führen. Roberto Fico, Präsident der Abgeordnetenkammer, hatte bereits am Dienstagabend dem Staatpräsidenten, Sergio Mattarella, mitgeteilt, dass seine Sondierungen fehlgeschlagen sind. Die Positionen der gewählten Parteien liegen zu weit auseinander, und die seit Wochen andauernden Machtspiele der Politiker haben einen einfachen Umbau der Regierungskoalition unmöglich gemacht.
Am Mittwochmittag erteilte Präsident Mattarella deshalb Draghi das Mandat zur Bildung einer neuen Regierung. Was sich das Staatsoberhaupt davon erhofft, einen Experten anstelle eines Politikers an die Spitze der Regierung zu stellen, ist klar: ein möglichst unpolitisches und europafreundliches Kabinett, das die vielen Baustellen des Landes angeht, ohne sich im Dauerwahlmodus und in Machtkämpfen zu verlieren.
Präsident gegen Neuwahlen
Draghi, der international große Anerkennung genießt, hatte in der ersten Eurokrise die Stabilität der Gemeinschaftswährung mit seinem Ausspruch „Whatever it takes“(„Was immer nötig ist“) garantiert, mit dem er 2012 den wirtschaftlich stark angeschlagenen EU-Ländern die uneingeschränkte Unterstützung der EZB zugesichert hatte. Nun nahm Draghi das Mandat mit Vorbehalt an. Er wird in den kommenden Tagen versuchen, das Parlament in Rom davon zu überzeugen, eine von ihm geführte Regierung zu unterstützen.
Mit diesem Schritt entschied sich Mattarella dagegen, Neuwahlen auszurufen. Eine Entscheidung, die er in einer Rede ausführlich begründete, wohl auch, weil die Oppositionsparteien schon lang Neuwahlen fordern.
Doch Mattarella machte klar, wieso eine Auflösung des Parlaments in diesem Moment verheerend wäre: So erklärte er, dass Italien nicht nur für das angemessene Management der Coronapandemie und der Impfkampagne eine handlungsfähige Regierung brauche. Er erinnerte auch daran, dass die Regierung sich darum kümmern müsse, so schnell wie möglich den Plan für die Verwendung der Milliarden des Maxi-Wiederaufbauprogramms Next Generation EU fertigzustellen. Da dieser bis April von der EU-Kommission bestätigt werden muss, ist es ratsam, den Plan so bald wie möglich zu vollenden, um auf mögliche Änderungsvorschläge und Korrekturen aus Brüssel eingehen zu können.
Bei Neuwahlen, so Mattarella weiter, würde es Monate dauern, bis Italien eine neue Regierung hätte. So seien zuletzt vom Auflösen des Parlaments bis zum Arbeitsbeginn der neuen Regierung einmal vier und einmal fünf Monate vergangen – Zeit, die Italien in diesem Moment nicht hat.
Aufbrechende Allianzen
Ob es Draghi gelingen wird, ein Regierungsprogramm zu erarbeiten und ein Kabinett zusammenzustellen, das vom Parlament unterstützt wird, ist indes noch nicht klar. Denn die verschiedenen Parteien müssen erst noch entscheiden, wie sie sich zu Draghis Vorschlägen positionieren.
Dabei könnten Allianzen aufbrechen. Etwa im Block der rechten Oppositionsparteien: Dort ist es möglich, dass etwa Silvio Berlusconis europafreundliche Forza Italia für Draghi stimmt, während die Rechtsaußenpartei Fratelli d’Italia sich gegen ihn ausspricht. Matteo Salvini, Chef der rechten Lega, hat sich bisher noch nicht festgelegt. Er zeigte sich offen dafür, Draghis Vorschläge anzuhören, bevor er eindeutig Stellung bezieht.
Vito Crimi, der Vorsitzende der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, die mit Abstand über die meisten Sitze im Parlament verfügt, lehnte in ersten Stellungnahmen eine Zusammenarbeit mit Draghi ab. Doch diese Position könnte die Partei spalten. Viele der Abgeordneten der Fünf Sterne dürften nämlich daran interessiert sein, Neuwahlen zu verhindern. Die große Mehrheit der Abgeordneten sieht keine Chance, wiedergewählt zu werden: einerseits wegen des starken Stimmenverlusts, den die Partei wohl erleiden würde, und andererseits, weil in der kommenden Legislaturperiode das Parlament auf die Hälfte verkleinert werden soll.