Türkis-grüner Abschiebekonflikt spitzt sich zu
Asylrecht. Während die ÖVP den Grünen unterstellt, es mit der Rechtsstaatlichkeit nicht so genau zu nehmen, sehen die Grünen eine Spaltung beim Koalitionspartner – und drängen weiterhin auf gesetzliche Änderungen. In der Nationalratssitzung heute, Donners
Wien. In der Debatte um jene drei Mädchen, die in der Vorwoche nach Georgien bzw. Armenien abgeschoben wurden, steht innerhalb der Regierung Aussage gegen Aussage. Höchstgerichtliche Urteile seien zu akzeptieren, argumentiert die ÖVP. Es hätte Spielraum gegeben, sagen die Grünen.
Die Stimmung in der Koalition war schon einmal besser. Viel besser. Die Grünen hätten ein Problem mit der Rechtsstaatlichkeit, streut die ÖVP. Mit den Abschiebungen versuche das Innenministerium bloß von Problemen wie den Corona-Demos abzulenken, sagen die Grünen – die ihrerseits Druck von der Basis verspüren.
Regieren sei kein Selbstzweck, hieß es am Mittwoch in einer Erklärung der Wiener Landespartei.
Um Änderungen im Asylrecht zu erwirken, verschärft die Regierungsfraktion um Werner Kogler nun den Ton („Ohne Herz und Hirn“) und zeichnet das Bild einer gespaltenen ÖVP: die restriktive Parteispitze auf der einen, christlichsoziale Kreise auf der anderen Seite. „Konservative aus dem ganzen Land rennen uns die Tür ein“, sagt Klubchefin Sigrid Maurer. Gemeint sind Kirchenvertreter oder auch einflussreiche Personen wie Ex-Raiffeisen-Chef Christian Konrad, der am Mittwoch an der Seite von Wiens Altbürgermeister Michael Häupl (SPÖ) gegen „Kinderabschiebungen“demonstrierte.
Problematisch könnte es in der Sondersitzung des Nationalrats am Donnerstag werden: wenn SPÖ und Neos die Rückholung der abgeschobenen Kinder beantragen, wird der grüne Klub Farbe bekennen müssen. Auf Regierungsebene wurde am Mittwoch verhandelt, um eine Eskalation abzuwenden.
Die Grüne wollen, dass das humanitäre Bleiberecht künftig mithilfe von Härtefallkommissionen vergeben wird, in die auch Bürgermeister und Schuldirektoren eingebunden werden. Vorerst zeigte sich aber nur ein türkises Regierungsmitglied gesprächsbereit. „Ich bin sehr dafür, dass auch die Stimme von Schuldirektoren im humanitären Bleiberechtsverfahren stärker gehört wird“, sagte Bildungsminister Heinz Faßmann, einst Vorsitzender des Expertenrates für Integration, dem ORF. Als Ruf nach Härtefallkommission will er das aber nicht verstanden wissen.
Bis 2014 wurde das humanitäre Bleiberecht von den Ländern vollzogen. Das letzte Wort hatte zwar der Bund, nämlich ein Beirat im Innenministerium. Allerdings folgte man in der Regel der Empfehlung des Bundeslandes. Seit 2014 sind nur noch Bundesbehörden zuständig: das Bundesamt für Asyl und das Bundesverwaltungsgericht. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass der humanitäre Aufenthaltstitel zuletzt sogar häufiger vergeben wurde: laut APA rund 2500-mal im Vorjahr. 2019 gab es 2000 Fälle, 2017 waren es 1580. Wobei nicht zwischen Anträgen im Verfahren und Anträgen, die danach von den Personen selbst gestellt wurden, unterschieden wird.
Ein humanitärer Sonderstatus setzt einen hohen Integrationsgrad voraus. Die Person sollte zumindest fünf Jahre legal im Land sein. Nicht eben förderlich ist, wenn der Aufenthalt durch aussichtslose Asylanträge erwirkt wurde.