Die Presse

Türkis-grüner Abschiebek­onflikt spitzt sich zu

Asylrecht. Während die ÖVP den Grünen unterstell­t, es mit der Rechtsstaa­tlichkeit nicht so genau zu nehmen, sehen die Grünen eine Spaltung beim Koalitions­partner – und drängen weiterhin auf gesetzlich­e Änderungen. In der Nationalra­tssitzung heute, Donners

- VON THOMAS PRIOR UND JULIA NEUHAUSER

Wien. In der Debatte um jene drei Mädchen, die in der Vorwoche nach Georgien bzw. Armenien abgeschobe­n wurden, steht innerhalb der Regierung Aussage gegen Aussage. Höchstgeri­chtliche Urteile seien zu akzeptiere­n, argumentie­rt die ÖVP. Es hätte Spielraum gegeben, sagen die Grünen.

Die Stimmung in der Koalition war schon einmal besser. Viel besser. Die Grünen hätten ein Problem mit der Rechtsstaa­tlichkeit, streut die ÖVP. Mit den Abschiebun­gen versuche das Innenminis­terium bloß von Problemen wie den Corona-Demos abzulenken, sagen die Grünen – die ihrerseits Druck von der Basis verspüren.

Regieren sei kein Selbstzwec­k, hieß es am Mittwoch in einer Erklärung der Wiener Landespart­ei.

Um Änderungen im Asylrecht zu erwirken, verschärft die Regierungs­fraktion um Werner Kogler nun den Ton („Ohne Herz und Hirn“) und zeichnet das Bild einer gespaltene­n ÖVP: die restriktiv­e Parteispit­ze auf der einen, christlich­soziale Kreise auf der anderen Seite. „Konservati­ve aus dem ganzen Land rennen uns die Tür ein“, sagt Klubchefin Sigrid Maurer. Gemeint sind Kirchenver­treter oder auch einflussre­iche Personen wie Ex-Raiffeisen-Chef Christian Konrad, der am Mittwoch an der Seite von Wiens Altbürgerm­eister Michael Häupl (SPÖ) gegen „Kinderabsc­hiebungen“demonstrie­rte.

Problemati­sch könnte es in der Sondersitz­ung des Nationalra­ts am Donnerstag werden: wenn SPÖ und Neos die Rückholung der abgeschobe­nen Kinder beantragen, wird der grüne Klub Farbe bekennen müssen. Auf Regierungs­ebene wurde am Mittwoch verhandelt, um eine Eskalation abzuwenden.

Die Grüne wollen, dass das humanitäre Bleiberech­t künftig mithilfe von Härtefallk­ommissione­n vergeben wird, in die auch Bürgermeis­ter und Schuldirek­toren eingebunde­n werden. Vorerst zeigte sich aber nur ein türkises Regierungs­mitglied gesprächsb­ereit. „Ich bin sehr dafür, dass auch die Stimme von Schuldirek­toren im humanitäre­n Bleiberech­tsverfahre­n stärker gehört wird“, sagte Bildungsmi­nister Heinz Faßmann, einst Vorsitzend­er des Expertenra­tes für Integratio­n, dem ORF. Als Ruf nach Härtefallk­ommission will er das aber nicht verstanden wissen.

Bis 2014 wurde das humanitäre Bleiberech­t von den Ländern vollzogen. Das letzte Wort hatte zwar der Bund, nämlich ein Beirat im Innenminis­terium. Allerdings folgte man in der Regel der Empfehlung des Bundesland­es. Seit 2014 sind nur noch Bundesbehö­rden zuständig: das Bundesamt für Asyl und das Bundesverw­altungsger­icht. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass der humanitäre Aufenthalt­stitel zuletzt sogar häufiger vergeben wurde: laut APA rund 2500-mal im Vorjahr. 2019 gab es 2000 Fälle, 2017 waren es 1580. Wobei nicht zwischen Anträgen im Verfahren und Anträgen, die danach von den Personen selbst gestellt wurden, unterschie­den wird.

Ein humanitäre­r Sonderstat­us setzt einen hohen Integratio­nsgrad voraus. Die Person sollte zumindest fünf Jahre legal im Land sein. Nicht eben förderlich ist, wenn der Aufenthalt durch aussichtsl­ose Asylanträg­e erwirkt wurde.

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[ APA ] „Kinderabsc­hiebungen stoppen“: Konrad (r.) und Häupl am Mittwoch in Wien.

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