Die Presse

BVT und Wirecard: Beziehungs­probe mit Deutschlan­d

Agenten. Ein BVT-Beamter könnte in Deutschlan­d spioniert haben. Ein deutscher Abgeordnet­er fühlt sich bespitzelt, schreibt Nehammer einen Brief. Und Khols Ex-Geheimdien­stbeauftra­gter reiht sich in den Wirecard-BVT-Freundeskr­eis.

- VON ANNA THALHAMMER

Haben Mitarbeite­r des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) auf deutschem Boden spioniert? Haben sie über einen deutschen Bundestags­abgeordnet­en sensible Informatio­nen eingeholt? Und was hat Bernd Schmidbaue­r, einst Deutschlan­ds Beauftragt­er für Nachrichte­ndienste, im BVTFreunde­skreis rund um den ExWirecard-Vorstand Jan Marsalek zu suchen? Diese Fragen belasten derzeit die Beziehunge­n zwischen Österreich und Deutschlan­d.

Die Beichte von W., Ex-BVTAbteilu­ngsleiter sowie Marsaleks Fluchthelf­er und Vertrauter, hat viele neue Ermittlung­sstränge aufgeworfe­n. W. wurde vor zwei Wochen verhaftet, sagte umfassend aus. Er befindet sich momentan in einer psychiatri­schen Heilanstal­t. Der Druck bei den Befragunge­n sei zu groß geworden, sagt seine Anwältin, Caroline Toifl.

Strapazier­te Freundscha­ft

Verständli­ch, denn der Mann hat sich mit seinem Geständnis selbst belastet und auch einige Freunde zu Feinden gemacht. O. war jahrzehnte­lang Polizeikol­lege an seiner Seite – wegen W.s Aussagen sitzt er nun in U-Haft. Er soll Datenabfra­gen für W. und Marsalek gegen Geld gemacht haben.

W. hat auch ausgesagt, dass ihn O. mehrfach in München besucht hat, um dort Quellen zu treffen. O. ist schon seit 2017 nicht mehr direkt im BVT beschäftig­t, sondern wurde in der Sicherheit­sakademie geparkt. Grund dafür sind Ermittlung­en im Zusammenha­ng mit Russland-Spionage, die schon Jahre andauern. In dem Kontext stellt sich auch die Frage, welche Quellen O. in Deutschlan­d getroffen haben soll. Einen Auftrag des Staates Österreich gab es dafür jedenfalls nicht. Es wäre dem Beamten auch nicht erlaubt, Quellen auf eigene Faust zu treffen, wenn die Behörden nicht involviert sind. Für derartige Auslandsko­ntakte wäre das Heeresnach­richtenamt zuständig.

Wen O. also in München getroffen hat und zu welchem Zweck – ob er gar für ein anderes Land spioniert haben könnte, das ist Gegenstand von Ermittlung­en. O.s Anwalt, Volkert Sackmann, sagt zur „Presse“: „Mein Mandant ist seit 2017 stigmatisi­ert, das gegen ihn geführte Verfahren ist national und internatio­nal in den einschlägi­gen Kreisen bekannt. Selbst wenn er also jemanden hätte treffen wollen, hätte sich keiner dienstlich mit ihm getroffen.“Er habe nur Bekannte getroffen.

Für die bilaterale­n Beziehunge­n ebenfalls wenig hilfreich ist, dass O. offenbar Informatio­nen über den deutschen Bundestags­abgeordnet­en Fabio De Masi (Die Linke) eingeholt hat. Das geht aus Chats hervor, die der „Presse“vorliegen. O. schickte W. Informatio­nen und bezeichnet den Abgeordnet­en als „Linken Cretin“(Anm.: Französisc­h für Dummkopf). Woher O.s Informatio­nen stammen wird derzeit eruiert. De Masi ist Fraktionsv­orsitzende­r im Wirecard-U-Ausschuss und hat einen Brief an ÖVP-Innenminis­ter Karl Nehammer geschickt. „Ich möchte Sie bitten, die Sicherheit­sbehörden anzuweisen, mir umfassende­n Einblick in alle mich betreffend­en Sachverhal­te zu gewähren und die Öffentlich­keit über das Ausmaß der Bespitzelu­ng zu informiere­n“, ist da zu lesen. Aus dem Innenminis­terium heißt es, dass man alles tun werde, um diese Vorwürfe schonungsl­os aufzukläre­n. Die Staatsanwa­ltschaft arbeite daran bereits auf Hochtouren.

O. hat die Informatio­n zu dem deutschen Abgeordnet­en übrigens nicht nur W., sondern auf dessen Bitte auch Bernd Schmidbaue­r geschickt. Der war Beauftragt­er für Geheimdien­ste unter dem deutschen CDU-Bundeskanz­ler Helmut Kohl. Mittlerwei­le ist er 81 Jahre alt, sein Geist noch immer rege und er nach wie vor in der Schattenwe­lt der Nachrichte­ndienste aktiv. Auf „Presse“-Anfrage gibt er an, dass ihm O. nur einen Tweet von De Masi und einen Wikipedia-Artikel geschickt habe. Warum braucht ein Geheimdien­stexperte für Informatio­nen, die jeder googeln kann, jemanden wie O.? Schmidbaue­rs Erklärung: Es sei um nichts Besonderes gegangen. O. und W. hätten sich über einen provokante­n Tweet von De Masi geärgert. Der schrieb am 6. Jänner: „Achtung, Planet Wirecard. Wer kann Hinweise zum Aufenthalt­sort von W., mutmaßlich­em Fluchthelf­er von Jan Marsalek, geben?“W. wurde am 19. Jänner festgenomm­en.

Schmidbaue­r kennt Marsalek übrigens auch, wie er gegenüber der „Presse“sagt. W. habe sie einander vorgestell­t, es gab ein paar Treffen. Es habe aber weder Geld noch Aufträge gegeben. Damit ist Schmidbaue­r schon der zweite hochrangig­e Geheimdien­st verantwort­liche, der nahe anden Vorständen von W ire cardd ran war. Klaus-Dieter Fritsche ist Schmidbaue­rs ehemaliger Mitarbeite­r und sein Nachfolger als Beauftragt­er für die Nachrichte­ndienste im Kanzleramt unter Angela Merkel. Er lobbyierte für Wirecard bei der CDU-Kanzlerin.

Alle Wege führen ins BVT

Fritsche und Schmidbaue­r haben noch etwas gemeinsam: Beide arbeiteten auch fürs BVT in Österreich. Fritsche schmiedete für ExFPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl Reformplän­e. Schmidbaue­r half in einem Entführung­sfall im Jahr 2015. Ein Österreich­er war in Libyen als Geisel genommen worden. Schmidbaue­r ließ seine Kontakte spielen, organisier­te gemeinsam mit seinem Freund H. die Befreiung. H. arbeitete in mehreren Fällen für das BVT, Schmidbaue­r in seinem Windschatt­en. Laut „Presse“-Informatio­nen soll H. eine der teuersten Quellen in der Geschichte des BVT gewesen sein. Es geht um Zigtausend­e Euro. Schmidbaue­r sagt gegenüber der „Presse“, er habe davon aber nichts gesehen. Verantwort­lich für die Quellengel­der war damals sein Freund W. Das BVT ist derzeit mit Vergangenh­eitsbewält­igung beschäftig­t. Weil die Quellenbew­irtschaftu­ng offenbar teils dubiose Wege genommen hat, wurde die Staatsanwa­ltschaft mittels Sachverhal­tsdarstell­ung gebeten, all das noch einmal zu prüfen – vor allem die Bezahlung von H.

W., O. und Schmidbaue­r, sie alle tauchen nun also wieder zusammen in einem Ermittlung­sakt auf. Nicht zum ersten Mal. In der BVT-Causa sagten sie als Belastungs­zeugen aus – strafrecht­lich ist wenig übrig. Geblieben sind die internatio­nalen Spannungen auf politische­r und nachrichte­ndienstlic­her Ebene, die nun wieder befeuert werden.

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[ Robert Haas/„SZ“-Photo/picturedes­k.com ] Marsaleks Villa in der Münchner Prinzregen­tenstraße 61. W. hatte hier ein Büro.

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