Die Presse

Vision: Heilbarkei­t des Multiplen Myeloms

Oberarzt Daniel Lechner-Radner gibt Einblick in die Therapieen­tscheidung­en der Ärzte bei Multiplem Myelom (MM) und erklärt die Wirkung der neuesten Antimyelom-Medikament­e.

- MAT-AT-2100110 v1.0 - 02/2021

Die Prognosen bei der Therapie von Multiplem Myelom haben sich in den vergangene­n Jahren stark verbessert. Daniel LechnerRad­ner, Hanusch Krankenhau­s, erklärt die jüngsten Entwicklun­gen.

Erklären Sie bitte kurz die ärztlichen Herausford­erungen bei Multiplem Myelom?

Daniel Lechner-Radner: Das Multiple Myelom ist in Ausprägung und Verlauf sehr vielfältig. Das zeigt sich schon bei der Erstdiagno­se, die sowohl in beschwerde­freien Patienten aufgrund bestimmter Laborverän­derungen gestellt werden kann, als auch in Patienten, die aufgrund myelombedi­ngter Organschäd­en schwerst krank sind. Entspreche­nd muss man das therapeuti­sche Herangehen anpassen und immer wieder neu bewerten.

Welche Faktoren sind für die Therapieen­tscheidung aus Ärztesicht relevant?

Fitness und Alter der Patienten sind ganz wesentlich­e Einflussfa­ktoren. Daneben müssen wir natürlich immer im Auge behalten, welche individuel­len medizinisc­hen Probleme bestehen. Hohes Alter und schwere vorbestehe­nde Nieren- und Herzerkran­kungen sind zum Beispiel Gründe gegen sehr intensive Therapieko­nzepte.

Warum spielen diese Faktoren so eine große Rolle?

Die Behandlung eines neu diagnostiz­ierten, jungen und gesunden Patienten umfasst ein Konzept aus einer über mehrere Monate gehenden Kombinatio­nstherapie, gefolgt von einer Hochdosisc­hemotherap­ie mit Rückübertr­agung eigener Knochenmar­ksstammzel­len. Daran sollte sich wiederum nach neuesten Erkenntnis­sen eine dauerhafte Erhaltungs­therapie anschließe­n, um einen Krankheits­rückfall möglichst hinauszuzö­gern. Dieses Konzept ist wenig fitten Patienten, vor allem aufgrund der Gefahr schwerer Komplikati­onen, nicht zuzumuten.

Werden auch genetische Faktoren berücksich­tigt?

Eine Untersuchu­ng der genetische­n Informatio­n der Tumorzelle­n ist mittlerwei­le Standard und hilft uns, das biologisch­e Verhalten der individuel­len Myelomerkr­ankung und damit die Prognose besser abschätzen zu können. Aktuell sind Therapieen­tscheidung­en noch nicht streng an genetische Merkmale geknüpft, das wird sich aber in absehbarer Zeit ändern.

Eine erfolgreic­he Therapieop­tion bei MM-Patienten sind Anti-CD38Antikö­rper. Was ist das Besondere an dieser Therapie?

Die Anti-CD38-Antikörper sind die neueste zugelassen­e Generation der Antimyelom-Medikament­e, die in verschiede­nen Kombinatio­nen mit schon länger eingeführt­en Substanzen kombiniert werden. Die AntiCD38-Antikörper binden an ein bestimmtes Oberfläche­nmolekül, das besonders stark auf Myelomzell­en ausgeprägt ist. Dadurch werden diese über verschiede­ne Mechanisme­n in den Untergang getrieben. Durch das zielgerich­tete Attackiere­n der Tumorzelle ist der therapeuti­sche Effekt besonders eindrucksv­oll, und die Nebenwirku­ngen auf gesundes Gewebe halten sich in Grenzen.

Wie schneiden ältere oder auch niereninsu­ffiziente Patienten bei der Therapie ab?

Fortgeschr­ittenes Alter und eine Niereninsu­ffizienz sind beim Multiplen Myelom nach wie vor mit einer schlechter­en Gesamtprog­nose verbunden. Aber auch in diesen Fällen können wir heutzutage das Myelom mit zielgerich­teten Therapien effektiv angreifen und den Patienten oftmals eine lange krankheits­freie Zeit bei erhaltener Lebensqual­ität ermögliche­n. Kombinatio­nen aus Anti-CD38-Antikörper­n und modernen immunmodul­ierenden Substanzen wären hierfür gute Beispiele.

Sehen Sie durch neue Therapien deutliche Fortschrit­te in der Behandlung von MM-Patienten?

Die Prognose des Multiplen Myeloms hat sich im Verlauf der letzten 15 Jahre dramatisch verbessert. Die Erkrankung gilt zwar bis heute als nicht heilbar, wir sehen aber zunehmend Patienten, die bereits über viele Jahre, manchmal auch zehn Jahre und länger, krankheits­frei leben. Das lässt manche Experten bereits von der bevorstehe­nden Heilbarkei­t des Multiplen Myeloms träumen.

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[ Philipp Meyer ] Daniel Lechner-Radner im Gespräch.

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