Vision: Heilbarkeit des Multiplen Myeloms
Oberarzt Daniel Lechner-Radner gibt Einblick in die Therapieentscheidungen der Ärzte bei Multiplem Myelom (MM) und erklärt die Wirkung der neuesten Antimyelom-Medikamente.
Die Prognosen bei der Therapie von Multiplem Myelom haben sich in den vergangenen Jahren stark verbessert. Daniel LechnerRadner, Hanusch Krankenhaus, erklärt die jüngsten Entwicklungen.
Erklären Sie bitte kurz die ärztlichen Herausforderungen bei Multiplem Myelom?
Daniel Lechner-Radner: Das Multiple Myelom ist in Ausprägung und Verlauf sehr vielfältig. Das zeigt sich schon bei der Erstdiagnose, die sowohl in beschwerdefreien Patienten aufgrund bestimmter Laborveränderungen gestellt werden kann, als auch in Patienten, die aufgrund myelombedingter Organschäden schwerst krank sind. Entsprechend muss man das therapeutische Herangehen anpassen und immer wieder neu bewerten.
Welche Faktoren sind für die Therapieentscheidung aus Ärztesicht relevant?
Fitness und Alter der Patienten sind ganz wesentliche Einflussfaktoren. Daneben müssen wir natürlich immer im Auge behalten, welche individuellen medizinischen Probleme bestehen. Hohes Alter und schwere vorbestehende Nieren- und Herzerkrankungen sind zum Beispiel Gründe gegen sehr intensive Therapiekonzepte.
Warum spielen diese Faktoren so eine große Rolle?
Die Behandlung eines neu diagnostizierten, jungen und gesunden Patienten umfasst ein Konzept aus einer über mehrere Monate gehenden Kombinationstherapie, gefolgt von einer Hochdosischemotherapie mit Rückübertragung eigener Knochenmarksstammzellen. Daran sollte sich wiederum nach neuesten Erkenntnissen eine dauerhafte Erhaltungstherapie anschließen, um einen Krankheitsrückfall möglichst hinauszuzögern. Dieses Konzept ist wenig fitten Patienten, vor allem aufgrund der Gefahr schwerer Komplikationen, nicht zuzumuten.
Werden auch genetische Faktoren berücksichtigt?
Eine Untersuchung der genetischen Information der Tumorzellen ist mittlerweile Standard und hilft uns, das biologische Verhalten der individuellen Myelomerkrankung und damit die Prognose besser abschätzen zu können. Aktuell sind Therapieentscheidungen noch nicht streng an genetische Merkmale geknüpft, das wird sich aber in absehbarer Zeit ändern.
Eine erfolgreiche Therapieoption bei MM-Patienten sind Anti-CD38Antikörper. Was ist das Besondere an dieser Therapie?
Die Anti-CD38-Antikörper sind die neueste zugelassene Generation der Antimyelom-Medikamente, die in verschiedenen Kombinationen mit schon länger eingeführten Substanzen kombiniert werden. Die AntiCD38-Antikörper binden an ein bestimmtes Oberflächenmolekül, das besonders stark auf Myelomzellen ausgeprägt ist. Dadurch werden diese über verschiedene Mechanismen in den Untergang getrieben. Durch das zielgerichtete Attackieren der Tumorzelle ist der therapeutische Effekt besonders eindrucksvoll, und die Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe halten sich in Grenzen.
Wie schneiden ältere oder auch niereninsuffiziente Patienten bei der Therapie ab?
Fortgeschrittenes Alter und eine Niereninsuffizienz sind beim Multiplen Myelom nach wie vor mit einer schlechteren Gesamtprognose verbunden. Aber auch in diesen Fällen können wir heutzutage das Myelom mit zielgerichteten Therapien effektiv angreifen und den Patienten oftmals eine lange krankheitsfreie Zeit bei erhaltener Lebensqualität ermöglichen. Kombinationen aus Anti-CD38-Antikörpern und modernen immunmodulierenden Substanzen wären hierfür gute Beispiele.
Sehen Sie durch neue Therapien deutliche Fortschritte in der Behandlung von MM-Patienten?
Die Prognose des Multiplen Myeloms hat sich im Verlauf der letzten 15 Jahre dramatisch verbessert. Die Erkrankung gilt zwar bis heute als nicht heilbar, wir sehen aber zunehmend Patienten, die bereits über viele Jahre, manchmal auch zehn Jahre und länger, krankheitsfrei leben. Das lässt manche Experten bereits von der bevorstehenden Heilbarkeit des Multiplen Myeloms träumen.