Virtuelle Hauptversammlungen: Wie kann das funktionieren?
Aktienrecht. Hauptversammlungen virtuell abzuhalten hat durchaus Vorteile, stellt aber Anforderungen an Organisation und Technik.
wien. Aktiengesellschaften können ihre Hauptversammlungen jetzt auch rein virtuell durchführen. Das wurde im Rahmen des Covid-19-Gesetzespakets beschlossen, es gilt vorerst bis zum Ende dieses Jahres. Aber was bedeutet das für Unternehmen und Aktionäre? „Auch in der Vor-CoronaZeit konnte die Satzung der AG vorsehen, Aktionäre auf elektronischem Weg an Hauptversammlungen teilnehmen zu lassen“, sagt Helmut Schmidt, Partner bei Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte. Es musste bisher aber zwingend eine Präsenzveranstaltung stattfinden – das ist nun anders.
Und womöglich bleibt es auch nach Corona dabei – denn die virtuelle Hauptversammlung könnte durchaus in den dauernden Rechtsbestand eingehen. Dann hätten die Unternehmen auch künftig diese Option. Zwingende Voraussetzung dafür ist freilich eine funktionierende Technik: „Gesetzlich gefordert wird eine optische und akustische ZweiwegVerbindung in Echtzeit“, sagt Schmidt. Jedem Teilnehmer muss es möglich sein, sich zu Wort zu melden und an Abstimmungen teilzunehmen – freilich mit gewissen Grenzen. „So können für die Abgabe von Wortmeldungen während der Versammlung zeitliche Beschränkungen festgelegt werden. Und es muss auch nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, sich unmittelbar zu Wort zu melden“, sagt Schmidt.
Beschneidung von Rechten?
Typischerweise werde das so geregelt, dass die Aktionäre ihre schriftlichen Fragen bzw. Anträge in einem Zeitfenster während der Versammlung elektronisch – also schriftlich – an die Gesellschaft zu übermitteln haben. Es kann auch vorgesehen werden, dass Beschlussanträge, Stimmabgaben und Widerspruchserhebungen über einen Stimmrechtsvertreter abzuwickeln sind, der von der Gesellschaft beigezogen wird. Trotzdem hat der Aktionär dann aber das Recht, sein Auskunftsrecht selbst auszuüben – er darf also seine Fragen direkt an die Gesellschaft übermitteln.
Aber soll das wirklich zur Dauerlösung werden? Aktionärsvertreter befürchten zum Teil, dass es Aktionärsrechte aushöhlt, wenn nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gefragt, diskutiert und gestritten werden kann. Andererseits erspart man sich eine womöglich beschwerliche Anreise. Das könnte auch Aktionäre, die nie zu Präsenzveranstaltungen kommen, zu einer Teilnahme motivieren.
Was gilt bei Störungen?
Und was gilt, wenn dann die Technik den Teilnehmern einen Streich spielt? „Die Gesellschaft ist für den Einsatz der von ihr gewählten technischen Kommunikationsmittel nur insoweit verantwortlich, als diese in ihre Sphäre fallen“, sagt Schmidt. Dabei geht es auch um die Frage des gültigen Zustandekommens von Beschlüssen. „Kommunikationsstörungen während einer virtuellen Versammlung führen nur dann zum Risiko einer Beschlussanfechtung, wenn die Gesellschaft diesbezüglich ein Verschulden trifft“, sagt der Jurist. Zu Problemen führen könnten nicht nur schlechte Internetverbindungen, sondern etwa auch temporäre Blockaden der IP-Adressen einzelner Aktionäre. Klarheit schaffen können Lockfiles, durch die manipulationssicher nachvollzogen werden kann, welche Aktionäre sich wann ein- bzw. ausgeloggt haben. Aus Beweisgründen sollte zudem der gesamte Verlauf der Hauptversammlung in einer manipulationssicheren PDF-Datei dokumentiert werden.
„Die anfänglichen Mehrkosten durch technischen Support sollten durch die Ersparnisse im Bereich Saalmiete, Catering etc. kompensiert werden können“, ist Schmidt überzeugt. Regeln, die Wortmeldungen zeitlich beschränken, hält er durchaus für sinnvoll: Überlegenswert sei es, das Fragerecht eines jeden Aktionärs etwa auf zehn bis 15 Minuten zu limitieren. „Man kann aber auch daran denken, die Redezeit des Vorsitzenden zeitlich zu reglementieren.“
Und wann sind tatsächlich Aktionärsrechte in Gefahr? „Bedenklich wird es wohl, wenn die Möglichkeit der Aktionäre, auf aktuelle Entwicklungen bei der Hauptversammlung zu reagieren, ausgeschlossen oder faktisch verunmöglicht wird“, sagt der Anwalt. Vor allem wenn es nur ein schriftliches Fragerecht gibt, das vor Beginn der Hauptversammlung endet. (cka)