Die Presse

Der Reifeproze­ss einer Rotzpipn

Marco Djuricin spielte als 14-Jähriger an der Seite von David Alaba, mit 17 landete Austrias Neuzugang auf den Titelseite­n der Berliner Gazetten. Über Versuchung­en, Abenteuer und Gefühle. Porträt. Wir hatten mit 17 schon ein bisschen was verdient, sind in

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Noch ist alles etwas ungewohnt für Marco Djuricin. Nach zwölfeinha­lb Jahren und neun Stationen ist der Wiener seit wenigen Tagen zurück in seiner Heimat. Von der Wohnung im 23. Bezirk führt ihn sein Weg in die Arbeit nun an den Verteilerk­reis nach Favoriten. Am Dienstag unterschri­eb der Stürmer bei der Austria. Ablöse hat er keine gekostet, nachdem der Vertrag mit Karlsruhe vorzeitig aufgelöst worden war. Der 28-Jährige ist glücklich über seine Heimkehr, aber plötzlich wieder zu Hause aufzuwache­n „ist schon ein komisches Gefühl. Ich werde noch ein paar Tage brauchen.“

Djuricin verbringt seine Kindheit in Kaisermühl­en, die Affinität für Fußball liegt in der Familie. Schon Vater Goran „Gogo“Djuricin, später Rapid-Trainer, war einst Profi, brachte es Mitte der Neunzigerj­ahre auf immerhin zehn Bundesliga-Einsätze für die Austria. Auch Marco trägt als Jugendlich­er das violette Dress, spielt eine Saison in der U14 und schießt mit dieser Mannschaft in der Wiener Liga alles in Grund und Boden. Djuricin, er ist für das Toreschieß­en zuständig, erinnert sich an „10:0- und 12:0-Siege“, die Teamkolleg­en heißen unter anderem David Alaba, Christoph Knasmüllne­r und Karim Onisiwo.

Zwei Tore, viele Titelseite­n

Djuricin hat Spaß am Fußball und am Leben, und er ist nicht der einzige Bursche in seinem Alter, der gelegentli­ch über die Stränge schlägt. „Ich war eine Rotzpipn, hab Blödsinn gemacht. Manche Freunde von damals waren kein guter Umgang.“Als er mit 15 Jahren in die Jugendakad­emie von Hertha BSC wechselt, eröffnet sich Djuricin eine völlig neue Welt.

Es ist eine Welt voller Chancen und Verlockung­en, auf und abseits des Fußballpla­tzes. Mit 17 unterschre­ibt Djuricin seinen ersten

Profivertr­ag. Am 20. August 2010 gibt er sein Debüt für die Hertha. 48.385 Zuschauer im Berliner Olympiasta­dion erleben, wie der eingewechs­elte Teenager aus Österreich beim 3:2 über Rot-Weiß Oberhausen mit zwei Toren zum Matchwinne­r wird. „Am nächsten Tag war ich bei fast allen Berliner Tageszeitu­ngen auf dem Titelblatt. Es war schön und irgendwie surreal zugleich. Ich habe mich nicht richtig gespürt, konnte es nicht verarbeite­n.“

Djuricin kommt bis Februar 2012 noch zu zehn Kurzeinsät­zen für Hertha, Tor gelingt ihm dabei keines mehr. Er ist oft verletzt oder angeschlag­en, und anstatt im Kraftraum an seiner Fitness zu arbeiten und alles der Karriere unterzuord­nen, hat er andere Gedanken. Im Interview mit der „Presse“erinnert sich Djuricin: „Wir haben nicht wie die heutige Generation Playstatio­n gespielt, wir wollten etwas erleben, hatten ja mit 17 schon ein bisschen was verdient. Also sind wir oft um die Häuser gezogen, zu oft. Wenn meine Eltern mich am Telefon ermahnt hatten, hatte ich das zwei Tage später vergessen und bin wieder fortgegang­en. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht, habe mein Leben genossen. Im Endeffekt hat mir das bei Hertha das Genick gebrochen.“

Genug der Abenteuer

Djuricin verlässt Berlin und wird zum Reisenden, er läuft in achteinhal­b Jahren für sieben Klubs auf. Sportlich richtig glücklich wird er bei Sturm Graz (Juli 2013 bis Jänner 2015). Für die Steirer trifft er in 44 Pflichtspi­elen 24 Mal. Diese Bilanz öffnet ihm die Tür zu LigaKrösus Salzburg, wo Djuricin nach wenigen Monaten aber „keine Rolle mehr gespielt hat, ohne Begründung. Das war ein Schlag ins Gesicht.“Wieder ereilt ihn der Ruf des Auslands, er kickt in England, Ungarn, der Schweiz und zuletzt wieder in Deutschlan­d beim Karlsruher SC.

Als die Austria Interesse an einer Verpflicht­ung signalisie­rt, sind die bereits eingelangt­en Angebote aus Griechenla­nd, Zypern und Polen schnell vergessen. Djuricin, mittlerwei­le Vater von zwei Kindern, hatte ohnehin den Plan gehegt, zurück nach Österreich zu kommen. Die Lust auf Abenteuer ist gestillt. Also setzt er sich heute wieder ins Auto und fährt zum Training nach Favoriten. „Ich kann es noch gar nicht glauben.“

ZUR PERSON

Marco Djuricin, 28, heuerte am Dienstag ablösefrei bei der Wiener Austria an, über die Vertragsde­tails wurden keine Angaben gemacht.

Zuvor lief der Wiener in seiner Profikarri­ere bereits für Hertha BSC, Jahn Regensburg, Sturm Graz, Red Bull Salzburg, FC Brentford, Ferencvaro­s´ Budapest, Grasshoppe­rs Zürich und den Karlsruher SC auf.

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[ picturedes­k.com ] Marco Djuricin würde Österreich und Wien nach vielen Jahren im Ausland am liebsten „gar nicht mehr verlassen“.

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