Die Presse

Dieser Mann ist immer jung

Pop. Boris Bukowski ist 75 und wirkt immer noch unverschäm­t jugendlich. Und er brennt schon wieder darauf, auf die Bühnen zu gehen.

- VON SAMIR H. KÖCK

Der Mann ist drahtig, seine Augen strahlen unverminde­rte Abenteuerl­ust aus. Nein, Boris Bukowski sieht auf keinen Fall aus wie ein 75-jähriger Mann. Es ist verführeri­sch, ihn nach seinen Strategien zu fragen, die Schmach der Hinfälligk­eit hintanzuha­lten.

Er erzählt davon, wie gern er sich bewegt. Er fährt Rad, er praktizier­t Rafting, geht viel spazieren. Von seiner Dachwohnun­g in Stammersdo­rf hat man einen prächtigen Blick auf den Bisamberg. Weder erlegt er seinem Körper ein exzessives Regime auf, noch hat er konkrete Ernährungs­tipps, die er teilen wollte. Eine Anekdote aus den Siebzigerj­ahren reflektier­t wohl am besten, warum dieser Mann immer noch auf seine Weise jung ist. Damals teilten sich er und seine Band mit Wilfried einen Proberaum in Graz. Ein ehemaliges Kino. Das ging eines Nachts in Flammen auf. Dabei wurde das gesamte Bandequipm­ent zerstört. Am Vormittag des nächsten Tages sammelte Bukowski seine Mitstreite­r ein, um einen Lokalaugen­schein bei der Brandruine zu machen. Dafür engagierte er einen Fotografen.

„Wir setzten uns in die letzten halb verkohlten Kinosessel, zündeten unser Gewand an. Hinter uns hatten wir einen Satz an die Wand gemalt: Magic – die Rockband, die noch Feuer hat. Es wurden spektakulä­re Fotos. Die Schuhfirma Humanic, die damals für sehr progressiv­e Werbespots bekannt war, war so lieb und hat uns tausend Plakate mit diesem Sujet gesponsert.“

Beharrlich seit „Kokain“

So glückte der Aufbruch aus der Asche leichter. Ein gewisses Mitschwing­en mit den Launen des Schicksals, das ist spätestens seit damals im Repertoire des Boris Bukowski. Aus einem Unglück etwas Gutes mitnehmen, das musste er öfters in seinem Leben. Bezieht es sich allerdings auf Musik, dann kommt jenes Beharrungs­vermögen heraus, das die größten Künstler kennzeichn­et.

Ohne dieses wäre sein größter Hit niemals einer geworden. „Kokain“hatte er nämlich schon in den Siebzigerj­ahren mit seiner Band Magic eingespiel­t. „In meinen AKM-Abrechnung­en habe ich gesehen, dass es nie im Radio gespielt wurde. Das wollte ich nicht akzeptiere­n. Vielleicht war ja die Zeit noch nicht reif dafür, dachte ich mir und spielte es neu ein. Der Eberhard Forcher hat die Neuaufnahm­e dann auf Ö3 gespielt. Seine Moderation werde ich nie vergessen: „Ich höre, dass unsere Chefs einen Song mit diesem Titel auf unserem Sender nicht hören wollen. Aber ich finde ihn so geil, dass ich ihn jetzt trotzdem auflege.“Dann haben alle anderen Sender gewartet, ob der Forcher abserviert wird oder nicht. Wurde er nicht. Und dann haben plötzlich alle ,Kokain‘ gespielt.“

Für Bukowski war es zunächst ein einfaches Liebeslied. Die titelgeben­de Droge hat er in den Achtzigerj­ahren ausprobier­t. „Arbeiten hätte ich damit nicht können. Da hatte ich zu viele Ideen auf einmal.“Dennoch sprach er gern vom „Menschenre­cht auf Exzess“. Hat Entgrenzun­g Erkenntnis­wert? „Auf jeden Fall. Es müssen ja keine Drogen sein, mit der sie praktizier­t wird. Das

Leben wäre ohne diese Art von Erlebnisse­n viel zu monoton. Wenn man sich in alle Richtungen absichert, dann erlebt man nichts mehr.“

Getreu dieser Philosophi­e absolviert­e Bukowski zu seinem Siebziger seinen ersten Fallschirm­sprung. Für den anstehende­n 75er am Freitag hat er keine konkreten Pläne. Der Pandemieal­ltag ist ihm Abenteuer genug. Der Jungverhei­ratete hat in den 60 Jahren, in denen er live musiziert, viele Stimmungsu­mschwüngeg erlebt. Geprägt hat ihn die Über windung des tristen Nachkriegs­alltags durch die erste Jugendbewe­gung dieses Landes.

Jetzt staunt er darüber, wie sehr sich alles in die Gegenricht­ung dreht. „Die Verschwöru­ngstheorie­n werden auch bei uns immer ärger. Schön langsam kenne ich schon ein paar Leute, die an so etwas glauben. Eines ist für mich klar. Wenn es keine gemeinsame Wahrheit mehr gibt, dann ist die Demokratie hin.“Als Mann der Aufklärung zieht es ihn wieder auf die Bühne. Diesmal mit einem gut abgehangen­en Duoprogram­m, gespickt mit Anekdoten. Seine Mutter, die so stolz auf ihn war, weil er sein Jusstudium trotz innerer Widerständ­e zu Ende brachte, hat lang nicht verstanden, warum ihn die Bühne anzieht. Dann war sie einmal bei einem Konzert von Magic dabei. „In der Pause kam sie backstage, hat alle abgebussel­t und gemeint: „Jetzt weiß ich, warum du das machen musst.“Boris Bukowski wird weitermach­en.

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[ Clemens Fabry ] Boris Bukowski pochte stets auf ein „Menschenre­cht auf Exzess“.

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