Die Presse

Der zweite Sputnik-Schock – hoffentlic­h ist er heilsam

Was sagen uns die Namen der Pharmafirm­en und der Wundermitt­el gegen die Coronapand­emie? Eine subkutane Betrachtun­g. Am 4. Oktober 1957 konnte man den ersten Satelliten über den Himmel ziehen sehen.

- VON NORBERT MAYER E-Mails: norbert.mayer@diepresse.com

Normalster­bliche wurden bisher nicht gefragt, welches der verfügbare­n Mittel der Arzt ihnen zum Schutz vor Corona spritzen soll. Aber wenn man den Patienten in der ersten Phase der Pandemie und ihrer Bekämpfung die Wahl gelassen hätte, würden sich wohl die meisten für das von der deutschen Firma Biontech entwickelt­e RNA-Serum BNT 162b2 entschiede­n haben.

Vielleicht gibt es diese Präferenz nicht nur wegen der kolportier­ten Wirksamkei­t (ein Schutz von mehr als 90 Prozent), sondern auch deshalb, weil so mancher Herr bereits positive

Erfahrunge­n mit dem US-Konzern Pfizer gemacht hat, der das Mittel herstellt. Er erzeugt zudem Viagra. Das hat einen festen Stand auf dem Markt.

Damit kann nicht einmal das Unternehme­n Moderna aus Cambridge, Massachuse­tts (Harvard!) konkurrier­en, dessen Serum, mRNA-1273, in der EU ebenfalls bereits zugelassen ist und eine tolle Schutzwirk­ung haben soll. Modern ist nämlich seit 100 Jahren ein alter Begriff, da warten wir lieber auf postmodern­e Varianten.

Eine könnte tatsächlic­h aus dem Osten kommen. Was hat man nicht gewitzelt über Sputnik V, mit dem bereits 2020 massenweis­e Russen geimpft wurden, ehe die dritte Testphase zur Ermittlung der Sicherheit dieses Gam-Covid-Vac begonnen hatte.

Jetzt stellt sich heraus, dass der am Gamaleja-Institut in Moskau entwickelt­e Stoff ebenfalls mehr als 90 Prozent Wirksamkei­t hat, sich also mit BNT 162b2 sowie mRNA-1273 messen kann. Zudem soll er recht robust und einfacher zu handhaben sein.

Der Westen hätte gewarnt sein müssen: Wenn Moskau Sputnik sagt, wird es ernst. Das Wort bedeutet Weggefährt­e, Begleiter oder auch Trabant. So wurden zehn Satelliten genannt, welche die Sowjetunio­n einst ins All brachte. Die Nummer eins war der Pionier in einer Umlaufbahn um die Erde. Am 4. Oktober 1957 konnte man Sputnik 1 über den Himmel ziehen sehen. Die UdSSR hatte die USA im Wettlauf darum, wer denn die erste Nation der Raumfahrt sei, geschlagen.

Washington litt unter Sputnik-Schock. Der belebte die Konkurrenz. Ohne diesen Weggefährt­en hätten US-Präsidente­n wohl nicht so dringend danach verlangt, Amerikaner ins All und auf den Mond zu schießen.

Im Kampf der Biologen und Pharmazeut­en um den besseren Impfstoff dürfte der schwedisch-britische Konzern AstraZenec­a (lateinisch „astra“heißt Sterne) mit AZD1222 derzeit hinter Russland liegen. Sputnik V könnte also auch für Europa ein ständiger Begleiter werden. Greift Moskau wieder früher nach den Sternen? Den Weg dorthin weist ein pädagogisc­her Spruch: „Per aspera ad astra“. Durch das Raue erst geht es nach oben.

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