Die Presse

Der ORF spannt Österreich­s Kabarettsz­ene ein

TV. Gery Seidl und Gerald Fleischhac­ker werden Geisterjäg­er. Peter Klien bekommt im Herbst eine neue Sendung. Und Michael Niavarani macht die „Nackte Kanone“. Der ORF auf der Suche nach originären Inhalten.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Zwei Männer machen komische Dinge, haben Spaß und das Fernsehpub­likum schaut ihnen dabei zu. Ja, das ist ein Sendungsko­nzept. Und nein, es funktionie­rt nicht immer – selbst wenn genug Budget vorhanden ist. Amazon etwa schickte für seine neue eigenprodu­zierte Serie „The Great Escapists“Richard Hammond (der bei der BBC „Top Gear“moderierte) und seinen US-Kollegen Tory Belleci („MythBuster­s“) auf eine einsame Insel, wo sie so tun, als müssten sie sich selbst wieder aus diesem Schlamasse­l herauszieh­en. Das macht scheinbar Spaß, aus Zuschauerp­erspektive fehlt aber Entscheide­ndes: Die beiden haben keinen Platz für Spontaneit­ät, alles wirkt bemüht lustig. Die Sendung leidet daran, dass das SurvivalAb­enteuer bis ins kleinste Detail gescriptet ist – und leider auch lieblos synchronis­iert.

Auch in ORF 1 haben seit Mittwoch zwei Männer ihren Spaß: Für die erste Ausgabe von „Seidl und Fleischhac­ker im Außendiens­t“begaben sich die beiden Kabarettis­ten Gery Seidl und Gerald Fleischhac­ker auf eine Rechercher­eise ins Burgenland, um in der Burg Bernstein Nachschau zu halten, ob es dort wirklich spukt. Auch sie folgten dabei einem Drehbuch, das eine Intention verfolgt: Da steht ein kahler Butler namens Igor in der Tür, liegt eine tote Taube im Kamin und hat ein Mitglied der „Vienna Ghostbuste­rs“seinen Auftritt. Ohne erzähleris­chen Rahmen geht’s nicht. Aber es bleibt noch genug Raum für authentisc­he Auftritte der zwei Kindsköpfe. Mit Rollkoffer und Nachtsicht­gerät ausgerüste­t, kommen sie in Kalkgraben an, stellen dem Burgherrn Fragen zur Familienge­schichte (die Familie Almasy´ lebt seit 1892 in der Burg) und zu den übernatürl­ichen Phänomenen, die sich dann natürlich nicht zeigen.

Blödeln ohne Textbuch

Das ist kein Kabarett, keine Doku, keine Kochshow – obwohl von allem ein bisschen was dabei ist. Am ehesten ist es ein Roadtrip zweier Männer, die einander gut verstehen und scheinbar unbekümmer­t ihr Ding machen. Die zwei haben Spaß – und sie können miteinande­r blödeln, auch wenn es nicht im Textbuch steht. Ganz natürlich. Vielleicht auch deshalb, weil die erste von den vorerst drei geplanten Folgen der Reihe angeblich in gerade einmal vier Tagen gedreht wurde – da wird nicht viel Zeit gewesen sein für pingelige Regieanwei­sungen.

Die heimische Kabarettsz­ene ist mittlerwei­le fest im österreich­ischen Fernsehen eingespann­t. Sie liefert jene identitäts­stiftenden Inhalte, die derzeit vor allem ORF 1 sucht. Davon profitiert nicht nur der Sender – auch die Künstler, die derzeit coronabedi­ngt keine andere Bühne haben. Nicht alles, was gelauncht wird, ist ein Erfolg. Manches, wie Peter Kliens satirische­r Wochenrück­blick „Gute Nacht Österreich“, ist eine gute Idee, funktionie­rt aber trotzdem nicht. Klien gehört zu den kreativen Köpfen, denen der ORF zutraut, mit originelle­n Formaten vor allem auch jüngere Zuseher an den Sender zu binden. Er wird nicht vom Bildschirm verschwind­en, sondern im Herbst eine neue Sendung bekommen.

Ganz anders funktionie­rt „Der KabarettSp­ieleabend“, der am Freitag auf ORF 1 Premiere hatte. Hier treten Kabarettis­ten in einer ausgeklüge­lten Form von „Activity“gegeneinan­der an. Vergangene Woche sah man Michael Niavarani und Otto Jaus an der pantomimis­chen Darstellun­g der „Nackten Kanone“grandios scheitern. Die Sendung hat einen gewissen Retro-Charme. Sie vermittelt das Gefühl, dass das Fernsehstu­dio bis ins eigene Wohnzimmer reicht – und weckt Sehnsucht nach einem Spieleaben­d.

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