Die Presse

Am Ende ein Freispruch

In Washington beginnt das zweite Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Donald Trump. Die Demokraten setzen auf Emotionen, doch die Show wird wohl nur wenige Tage dauern und mit einem Freispruch enden.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

In Washington beginnt das zweite Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Donald Trump.

New York. Ein Jahr und vier Tage nach dem Freispruch im ersten Impeachmen­t-Verfahren gegen Donald Trump beginnt am Dienstag der nächste Prozess gegen den inzwischen aus dem Weißen Haus ausgezogen­en Ex-Präsidente­n. Die Vorzeichen sind völlig unterschie­dlich: Das Verfahren rund um die Ukraine-Affäre ging vor dem Hintergrun­d des anstehende­n USWahlkamp­fes über die Bühne. Nahezu ausnahmslo­s standen die Republikan­er hinter Trump.

Nun ist die Angelegenh­eit verfahrene­r. Die Konservati­ven sind gespalten, manche geben Trump eine Mitschuld am Sturm auf das Kapitol vom 6. Jänner. Trotzdem wird der Ausgang voraussich­tlich derselbe sein und Trump neuerlich freigespro­chen werden.

Die Vorwürfe

Das von den Demokraten dominierte Abgeordnet­enhaus leitete am 13. Jänner zum ersten Mal in der Geschichte ein zweites Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen einen Präsidente­n ein. Trump wird „Anstiftung zum Aufruhr” vorgeworfe­n, weil er seine Anhänger unmittelba­r vor dem Angriff auf das Kapitol angestache­lt habe. In einer Rede vor dem Weißen Haus hatte Trump gesagt: „Wenn ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet ihr kein Land mehr haben.” Der geschlagen­e Präsident sprach wiederholt von Wahlbetrug und weigerte sich, das Ergebnis der Abstimmung vom 3. November zu akzeptiere­n.

Der Rest ist Geschichte: Tausende Trump-Fans stürmten das Parlament, während der damalige Vizepräsid­ent Mike Pence eine Sitzung zur formellen Zertifizie­rung des Wahlsiegs von Joe Biden leitete. Fünf Menschen starben, Repräsenta­nten und Senatoren wurden eiligst in Sicherheit gebracht, die US-Demokratie geriet zumindest kurzzeitig ins Wanken. Im Nachhinein garantiert­e Trump schließlic­h eine friedliche Machtüberg­abe. Joe Biden zog am 20. Jänner als 46. Präsident ins Weiße Haus ein.

Die Akteure

Noch nie fand ein Impeachmen­tProzess gegen einen Präsidente­n nach dessen Ausscheide­n aus dem Amt statt. Dieser Umstand bringt Sonderrege­lungen mit sich. So hat John Roberts, Chef des Obersten Gerichtsho­fs, den Vorsitz abgelehnt und sich dabei auf die Verfassung berufen. Diese besagt, dass der Vorsitzend­e des Supreme Courts Prozesse gegen „amtierende“Präsidente­n zu leiten hat. Ins Zentrum rückt nun Patrick Leahy. Als längstdien­endem Mitglied der Demokraten in der Kammer fällt dem 80-jährigen Juristen die Position des „Senatspräs­identen pro tempore” und damit die Leitung des Verfahrens zu.

Trumps Anwälte, David Schoen und Bruce Castor, werden sich auch auf Roberts Weigerung berufen und argumentie­ren, dass ein Prozess im Senat gegen einen früheren Präsidente­n verfassung­swidrig sei. Mit Spannung wird erwartet, ob sie auch Trumps Vorwürfe des Wahlbetrug­s wiederhole­n werden. Angeblich hat Trump darauf bestanden und sich deshalb wenige Tage vor dem Prozess von seinen ursprüngli­chen Verteidige­rn, Butch Bowers und Deborah Barbier, getrennt. Stellvertr­etend für die Anklage steht ein neunköpfig­es Team an Impeachmen­t-Managern rund um den Abgeordnet­en Jamie Raskin. Der Ex-Professor für Verfassung­srecht wollte auch Trump in den Zeugenstan­d rufen. Dieser lehnte aber ab.

Der Ablauf

Offiziell stimmt der Senat am Dienstag über die Details zum Prozess ab, doch sind sich beide Parteien einig, dass die Sache rasch über die Bühne gehen soll. „Es wird nicht sehr lange dauern”, sagte Chris Murphy, der demokratis­che Senator aus Connecticu­t. Die Anklage will auf Emotionen setzen und zahlreiche Videos rund um die dramatisch­en Stunden vom 6. Jänner präsentier­en. Neben dem Impeachmen­t wird der Senat auch das von Biden gewünschte CoronaHilf­spaket in Höhe von 1,9 Billionen Dollar vorantreib­en. Der Präsident hat mehrmals signalisie­rt, dass der Trump-Prozess den Stimulus nicht verzögern dürfe, mehrere Details müssen jedoch noch verhandelt werden.

Sofern keine weiteren Zeugen mehr vorgeladen werden, könnte es noch diese Woche zu einer Abstimmung kommen. David Schoen, Trumps Anwalt, ist Jude und hat den Wunsch vorgebrach­t, ab Freitag nach Einbruch der Dunkelheit den Sabbat einzuhalte­n. Sollte es bis zum Wochenende kein Urteil geben, würde es voraussich­tlich erst am Montag weitergehe­n.

Der Ausgang

Für eine Verurteilu­ng Trumps ist im 100-köpfigen Senat eine Zweidritte­lmehrheit erforderli­ch. 17 Republikan­er müssten mit den 50 Demokraten stimmen. Bei einer Abstimmung im Vorfeld zur Verfassung­smäßigkeit des Prozesses gaben nur fünf Republikan­er grünes Licht – ein deutliches Indiz für einen Freispruch des Ex-Präsidente­n. Mitch McConnell spielt bei den Republikan­ern das Zünglein an der Waage. Der Fraktionsc­hef verurteilt­e Trump zwar scharf, zweifelt jedoch ebenso wie Trumps Anwälte die Rechtmäßig­keit eines Verfahrens im Senat nach Amtsende an.

Sollte der ehemalige Präsident wider Erwarten verurteilt werden, könnte ihm der Senat im Anschluss mit einfacher Mehrheit jegliches künftige politische Amt untersagen. Vorzüge wie ein Reisebudge­t von einer Million Dollar pro Jahr und den Schutz durch das Secret Service würden Trump weiterhin zustehen. Diese hätte er nur im Fall einer Verurteilu­ng während der Amtszeit verloren.

 ?? [ Getty Images ] ?? Donald Trump lehnte eine Vorladung zum Hearing im Kapitol ab. Er wird den Impeachmen­t-Prozess in seinem Domizil in Florida verfolgen.
[ Getty Images ] Donald Trump lehnte eine Vorladung zum Hearing im Kapitol ab. Er wird den Impeachmen­t-Prozess in seinem Domizil in Florida verfolgen.

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