Das neue Reisen wird anders sein
Ohne einheitliches EUDokument zu Impfung oder Test wird es kein freies Reisen geben. Die Reise- und Flugbranche drängt zur Umsetzung.
Ohne einheitliches EU-Dokument zu Impfung oder Test wird es kein freies Reisen geben. Die Reisebranche drängt zur Umsetzung.
Brüssel/Wien. Wer glaubt, ab Sommer sei alles wieder normal, täuscht sich. Sollten die Covid-19-Impfungen Wirkung zeigen, werden nach und nach zwar wieder Grenzen aufgehen, mancher Urlaub, manche Geschäftsreise möglich. Doch die Voraussetzungen dafür werden sich ändern. Ohne Impfzertifikat oder mehrfachen Covidtest wird es keine Flugoder Schiffsreise geben. Auch Hotels könnten Bestätigungen einfordern, um Cluster zu verhindern. Der Druck zu einer einheitlichen Vorgangsweise kommt nicht nur von EU-Regierungen, sondern vor allem aus der Reisebranche.
Flughafen-Vorstand Günther Ofner wünscht sich im Gespräch mit der „Presse“eine rasche Lösung. Derzeit gebe es eine „Zettelwirtschaft“. Flugreisende hätten Test- oder Impfbestätigungen in unterschiedlichsten Sprachen von unterschiedlicher Vertrauenswürdigkeit bei sich. Ofner ruft zur Einführung eines einheitlichen Dokuments auf. Im besten Fall eine App, in der sowohl Impfungen als auch Tests und der Status der Antikörper festgehalten sind.
Elektronischer Impfpass als Reisepass? Der Plan, der aktuell auch auf EU-Ebene vorangetrieben wird, ist in Dänemark bereits in der Umsetzungsphase. Die App soll das Reisen in diesem Sommer ermöglichen. Sie könnte aber auch zur Eintrittskarte für Restaurants, Fitnessklubs oder Fußballspiele werden.
In Österreich wird ebenfalls an einem digitalen Impfpass gearbeitet, wie das Gesundheitsministerium auf Anfrage der „Presse“bestätigt. Ende März soll es ein Online-Tool über Elga (Elektronische Gesundheitsakte) geben, über das jede Bürgerin, jeder Bürger seinen Impfstatus abrufen und ausdrucken kann. Etwas länger wird eine Impf-App dauern.
Es gibt bereits erste internationale Initiativen, die eine solche App vorantreiben. Die International Chamber of Commerce (ICC) und die SGS Group entwickeln den AOKPass. Er soll für jeden Bürger den Gesundheitsstatus, Impfungen etc. enthalten. Das World Economic Forum hat gemeinsam mit privaten Partnern den CommonPass initiiert. Er zielt speziell auf Reiseerleichterungen für getestete und geimpfte Personen ab. Die App enthält genaue Daten und Bestätigungen der jüngsten Covidtests beziehungsweise zu erhaltenen Teilimpfungen. Die weltweite Luftfahrtorganisation Iata bereitet in ähnlicher Form den Iata Travel Pass vor, der von einigen Airlines unterstützt wird.
Impfzertifikat als erster Schritt
Relativ rasch soll es ein EU-weit einheitliches Impfzertifikat geben, versichert das Büro von Europaministerin Karoline Edtstadler. „Der Nachweis eines negativen Coronatests oder einer Impfung wird neben Masken noch länger unsere Realität sein. Impfzertifikate sind daher ein Instrument, um Mobilität nach Eindämmung der Pandemie wieder zu erleichtern“, so die Ministerin. Sie drängt auf EU-Ebene zu raschen Beschlüssen. An ihrer Seite forcieren auch der griechische Regierungschef, Kyriakos Mitsotakis, sowie Zyperns Staatspräsident, Nikos Anastasiades, das EUImpfzertifikat, um den Tourismus im bevorstehenden Sommer wieder ankurbeln zu können. Israel und Griechenland planen sogar einen Korridor der Geimpften. Wer eine Impfbescheinigung hat, wird ohne Quarantäne oder andere Einschränkungen in das jeweils andere Land reisen können.
Wird es also mittelfristig eine Zweiklassengesellschaft für Geimpfte und Nichtgeimpfte geben? Nein, behauptet Edtstadler. Denn es gibt auch den Test als Alternative. „Jeder, der geimpft werden möchte, muss schnellstmöglich eine Impfung bekommen. Sie ist der Gamechanger in der Pandemie. PCR- und Antigenschnelltests sowie Schutzmasken bleiben zusätzlich wichtige Instrumente im Kampf gegen die Pandemie.“
Druck auf Impfbereitschaft
Allerdings dürfte die Einführung eines EU-Impfpasses den Druck, sich impfen zu lassen, erhöhen. Wer ungehindert reisen möchte, oft fliegt, wird um die Impfung schwer herumkommen. Ständiges Testen bedeutet Verzögerungen und zusätzlichen Aufwand.
Klar ist auch, dass es keine Impf-Anonymität geben wird. Derzeit werden in Österreich wie in allen EU-Staaten alle geimpften Personen digital erfasst. Im Elga-Portal wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass diese Aufzeichnung verpflichtend ist: „Eine Abmeldung vom elektronischen Impfpass ist im öffentlichen Interesse an einer vollständigen Dokumentation nicht vorgesehen.“