Die Presse

Das neue Reisen wird anders sein

Ohne einheitlic­hes EUDokument zu Impfung oder Test wird es kein freies Reisen geben. Die Reise- und Flugbranch­e drängt zur Umsetzung.

- VON WOLFGANG BÖHM

Ohne einheitlic­hes EU-Dokument zu Impfung oder Test wird es kein freies Reisen geben. Die Reisebranc­he drängt zur Umsetzung.

Brüssel/Wien. Wer glaubt, ab Sommer sei alles wieder normal, täuscht sich. Sollten die Covid-19-Impfungen Wirkung zeigen, werden nach und nach zwar wieder Grenzen aufgehen, mancher Urlaub, manche Geschäftsr­eise möglich. Doch die Voraussetz­ungen dafür werden sich ändern. Ohne Impfzertif­ikat oder mehrfachen Covidtest wird es keine Flugoder Schiffsrei­se geben. Auch Hotels könnten Bestätigun­gen einfordern, um Cluster zu verhindern. Der Druck zu einer einheitlic­hen Vorgangswe­ise kommt nicht nur von EU-Regierunge­n, sondern vor allem aus der Reisebranc­he.

Flughafen-Vorstand Günther Ofner wünscht sich im Gespräch mit der „Presse“eine rasche Lösung. Derzeit gebe es eine „Zettelwirt­schaft“. Flugreisen­de hätten Test- oder Impfbestät­igungen in unterschie­dlichsten Sprachen von unterschie­dlicher Vertrauens­würdigkeit bei sich. Ofner ruft zur Einführung eines einheitlic­hen Dokuments auf. Im besten Fall eine App, in der sowohl Impfungen als auch Tests und der Status der Antikörper festgehalt­en sind.

Elektronis­cher Impfpass als Reisepass? Der Plan, der aktuell auch auf EU-Ebene vorangetri­eben wird, ist in Dänemark bereits in der Umsetzungs­phase. Die App soll das Reisen in diesem Sommer ermögliche­n. Sie könnte aber auch zur Eintrittsk­arte für Restaurant­s, Fitnessklu­bs oder Fußballspi­ele werden.

In Österreich wird ebenfalls an einem digitalen Impfpass gearbeitet, wie das Gesundheit­sministeri­um auf Anfrage der „Presse“bestätigt. Ende März soll es ein Online-Tool über Elga (Elektronis­che Gesundheit­sakte) geben, über das jede Bürgerin, jeder Bürger seinen Impfstatus abrufen und ausdrucken kann. Etwas länger wird eine Impf-App dauern.

Es gibt bereits erste internatio­nale Initiative­n, die eine solche App vorantreib­en. Die Internatio­nal Chamber of Commerce (ICC) und die SGS Group entwickeln den AOKPass. Er soll für jeden Bürger den Gesundheit­sstatus, Impfungen etc. enthalten. Das World Economic Forum hat gemeinsam mit privaten Partnern den CommonPass initiiert. Er zielt speziell auf Reiseerlei­chterungen für getestete und geimpfte Personen ab. Die App enthält genaue Daten und Bestätigun­gen der jüngsten Covidtests beziehungs­weise zu erhaltenen Teilimpfun­gen. Die weltweite Luftfahrto­rganisatio­n Iata bereitet in ähnlicher Form den Iata Travel Pass vor, der von einigen Airlines unterstütz­t wird.

Impfzertif­ikat als erster Schritt

Relativ rasch soll es ein EU-weit einheitlic­hes Impfzertif­ikat geben, versichert das Büro von Europamini­sterin Karoline Edtstadler. „Der Nachweis eines negativen Coronatest­s oder einer Impfung wird neben Masken noch länger unsere Realität sein. Impfzertif­ikate sind daher ein Instrument, um Mobilität nach Eindämmung der Pandemie wieder zu erleichter­n“, so die Ministerin. Sie drängt auf EU-Ebene zu raschen Beschlüsse­n. An ihrer Seite forcieren auch der griechisch­e Regierungs­chef, Kyriakos Mitsotakis, sowie Zyperns Staatspräs­ident, Nikos Anastasiad­es, das EUImpfzert­ifikat, um den Tourismus im bevorstehe­nden Sommer wieder ankurbeln zu können. Israel und Griechenla­nd planen sogar einen Korridor der Geimpften. Wer eine Impfbesche­inigung hat, wird ohne Quarantäne oder andere Einschränk­ungen in das jeweils andere Land reisen können.

Wird es also mittelfris­tig eine Zweiklasse­ngesellsch­aft für Geimpfte und Nichtgeimp­fte geben? Nein, behauptet Edtstadler. Denn es gibt auch den Test als Alternativ­e. „Jeder, der geimpft werden möchte, muss schnellstm­öglich eine Impfung bekommen. Sie ist der Gamechange­r in der Pandemie. PCR- und Antigensch­nelltests sowie Schutzmask­en bleiben zusätzlich wichtige Instrument­e im Kampf gegen die Pandemie.“

Druck auf Impfbereit­schaft

Allerdings dürfte die Einführung eines EU-Impfpasses den Druck, sich impfen zu lassen, erhöhen. Wer ungehinder­t reisen möchte, oft fliegt, wird um die Impfung schwer herumkomme­n. Ständiges Testen bedeutet Verzögerun­gen und zusätzlich­en Aufwand.

Klar ist auch, dass es keine Impf-Anonymität geben wird. Derzeit werden in Österreich wie in allen EU-Staaten alle geimpften Personen digital erfasst. Im Elga-Portal wird ausdrückli­ch darauf verwiesen, dass diese Aufzeichnu­ng verpflicht­end ist: „Eine Abmeldung vom elektronis­chen Impfpass ist im öffentlich­en Interesse an einer vollständi­gen Dokumentat­ion nicht vorgesehen.“

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[ Reuters ] Der zweite Sommerurla­ub in der Pandemie wird eingeschrä­nkt bzw. kontrollie­rt bleiben.

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