Die Presse

AUf Abstand zu Tirol

Mutante. Tirol wird ab Freitag zur Testpflich­tzone: Rechtlich spricht der Bund damit ein Machtwort. Rhetorisch will die Koalition aber deeskalier­en.

- VON IRIS BONAVIDA

Falls sich jemand gefragtg hatte, wo Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) in der Tirol-Frage steht – auf der Seite seines Koalitions­partners im Bund, den Grünen, oder auf der Seite seines Parteifreu­ndes im Bundesland, Günther Platter –, erhielt er lang keine Antwort. Zumindest öffentlich hielt sich Kurz in der Debatte zunächst zurück. Sollte man Tirol, wo die südafrikan­ische Virusmutan­te besonders stark verbreitet ist, unter Quarantäne stellen? Zuständig für diese Entscheidu­ng sei Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne), hieß es aus dem Bundeskanz­leramt. Hinter den Kulissen waren Kurz und sein engstes Umfeld aber tief in die Verhandlun­gen involviert. Und trotzdem blieben die Fronten zwischen Bund und Land verhärtet.

Erst am Dienstag trat Kurz dann öffentlich auf – erstmals seit Längerem wieder mit Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) und Anschober. Die Botschaft war klar, auch wenn sie beim ersten Anhören sehr diplomatis­ch klang: Man müsse die Ausbreitun­g der Mutante erstens in Tirol verhindern. Und zweitens im Rest Österreich­s.

Die Maßnahmen

Die Bundesregi­erung spricht, nach langen Verhandlun­gen und Zögern, nun also doch ein Machtwort. Das Gesundheit­sministeri­um erarbeitet eine Verordnung, die die Ausreise aus Tirol regelt: Wer Nordtirol verlässt, muss einen negativen PCR- oder Antigen-Test vorweisen. Die Testung darf nicht länger als 48 Stunden zurücklieg­en. Wer das negative Ergebnis nicht bei sich hat, der begeht eine Verwaltung­sübertretu­ng (siehe auch Seite 4). Damit droht eine Strafe von bis zu 1450 Euro.

Kontrollie­rt werden sollen Bundes- sowie Landesstra­ßen, aber auch der Zugverkehr. Laut Nehammer sind dafür rund 1000 Polizisten und Bundesheer­soldaten im Ein

satz. Die Verordnung musste am Dienstag erst finalisier­t werden, einige Detailfrag­en waren daher noch offen. Fest steht jedenfalls, dass Pendler sich ebenfalls testen las

sen müssen. Auch für die reine Durchreise durch das Bundesland gibt es die Testpflich­t. Ausgenomme­n sind nur Kinder bis zehn Jahre – und Osttirol.

Die Regelung tritt erst Freitag in Kraft, laut Kurz wollte man „Hektik und Chaos“vermeiden. Zehn Tage lang soll sie gültig sein – vorerst. Die Letztentsc­heidung, so Nehammer, sollen aber auch in dieser Frage wieder die Gesundheit­sbehörden treffen.

Die Zahlen

Rechtlich greift der Bund mit der neuen Maßnahme zwar durch. Rhetorisch wollte man aber offenbar deeskalier­en. Anschober lobte das Contact Tracing in Tirol, und Kurz betonte: „Niemand ist schuld daran, dass es Mutationen gibt. Und niemand kann sich aussuchen, mit welchen Mutationen er zu kämpfen hat.“Die Maßnahme sollte also so gesichtswa­hrend wie möglich für Platter ver

kündet werden. Zur „Versachlic­hung der Debatte“wollte Kurz daher „ein paar Fakten“klarstelle­n: Österreich­weit seien einzelne Fälle der südafrikan­ischen Variante nachgewies­en (zuletzt bei einem Tiroler Militärpil­oten in der Steiermark).

In Tirol gebe es aber eine „besondere Situation“, nämlich bisher 400 Verdachtsf­älle und 293 bestätigte Fälle (die Ages sprach am Dienstag wiederum von 163). 120 Fälle sind laut Kurz derzeit jedenfalls aktiv, die „Masse davon im Bezirk Schwaz“. Während die Imp

fungen auch vor der britischen Mutante schützen, sei das bei der südafrikan­ischen Variante noch unklar, so Kurz. Zumindest, was den Impfstoff von AstraZenec­a betrifft – und der mache immerhin fast 50 Prozent der eingeplant­en Impfdosen in Europa aus.

Die Ausbreitun­g der Mutante einzudämme­n sei also essenziell. Auch das war eine klare Botschaft an Platter, wenn auch diplomatis­ch verpackt: Der Landeshaup­tmann hatte zuletzt nicht nur die Zahlen aus Wien angezweife­lt, sondern auch am Montag in einer Aussendung von „der guten Nachricht des Tages“gesprochen: Der Impfstoff von Biontech/Pfizer schütze auch vor der südafrikan­ischen Mutante.

 ?? [ APA ] ?? Innenminis­ter Karl Nehammer (l.), Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober traten am Dienstag gemeinsam auf.
[ APA ] Innenminis­ter Karl Nehammer (l.), Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober traten am Dienstag gemeinsam auf.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria