Die Presse

Warum China sich hinter die Generäle stellt

Burma. Täglich wird das Vorgehen gegen die Pro-Demokratie-Demonstran­ten brutaler, der Ruf nach Sanktionen gegen die Junta lauter. Doch Peking ist auffallend zurückhalt­end – und dies nicht unbedingt aus Sympathie für Burmas Militärs.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Wien/Yangon. Mit einer großen grünen Plane schützen sich Demonstran­ten in der zentralbur­mesischen Stadt Magway vor den Wasserwerf­ern der Polizei. Plötzlich verlässt ein Sicherheit­sbeamter die geschlosse­nen Reihen seiner Kollegen. Er geht auf die Demonstran­ten zu – und schließt sich ihnen an. Ein zweiter Kollege folgt ihm, dann noch einer. Nach kurzer, verblüffte­r Stille bricht Applaus aus, gerührte Demonstran­ten umarmen die übergelauf­enen Polizisten. Sicherheit­skräfte preschen vor, versuchen, die „Deserteure“zurückzuho­len. Die Menge stößt sie weg, formt eine schützende Menschenma­uer um „ihre Polizisten“– bis diese in der Masse verschwind­en.

Dieses Video kursierte am Dienstag auf nicht gesperrten sozialen Netzwerken in Burma, aber auch in Thailand oder Hongkong. Es ist eines der vielen Bilddokume­nte der friedliche­n Massenprot­este gegen die Generäle, die die Macht an sich gerissen und die demokratis­che Regierung abgesetzt haben. Junge und alte Menschen besetzen trotz Demo-Verboten und Ausgangssp­erren die Straßen, sie fordern die Freilassun­g von Aung San Suu Kyi, ihrer bisherigen De-facto-Regierungs­chefin, die die Militärs weggesperr­t haben.

Doch täglich wird das Vorgehen der Sicherheit­skräfte brutaler: Gestern feuerte die Polizei Gummigesch­osse ab, Dutzende Demonstran­ten wurden verletzt – zum Teil lebensgefä­hrlich. In der Hauptstadt Naypyidaw schossen Polizisten in die Luft, um die Menge zu vertreiben. Man hört von zahlreiche­n Festnahmen.

„Eine Regierungs­umbildung“

Die internatio­nale Gemeinscha­ft ist geschockt, als erstes Land brach Neuseeland den Kontakt zum Militärreg­ime ab. Auch die USA erwägen Sanktionen. Auffallend zurückhalt­end zeigte sich hingegen China, der mächtige große Bruder Burmas: Den Putsch bezeichnet­e

Peking als „Regierungs­umbildung“. Im UN-Sicherheit­srat blockierte China eine Verurteilu­ng der Machtübern­ahme. Grundtenor: Es handle sich um innere Angelegenh­eiten – oder: „Wir hoffen, dass alle Parteien ihre Differenze­n lösen und die politische sowie soziale Stabilität nicht gefährden.“

Denn um Stabilität geht es Peking in allererste­r Linie, wie Helena Legarda, Senior-Analystin beim Mercator Institute for China Studies (Merics) in Berlin, gegenüber der „Presse“betont: „China wünscht sich vor allem ein stabiles und ein friedliche­s Myanmar (Burma), auch, um seine eigenen wirtschaft­lichen und strategisc­hen Interessen dort zu schützen.“Und diese sind beachtlich: Burma ist reich an natürliche­n Ressourcen wie Holz, Jade und Gas, von denen in den letzten Jahrzehnte­n chinesisch­en Firmen erheblich profitiert­en. So ist China der wichtigste Markt für Burmas kostbare Jade.

Vor allem aber ist das südostasia­tische Land ein zentraler „Baustein“der Seidenstra­ße, des MegaInfras­trukturpro­jektes, durch das China laut Kritikern versucht, seine Hegemonial­macht auszubauen: Dank des „China-Myanmar Economic Corridor“(CMEC) soll durch Straßen, Zugverbind­ungen und Pipelines China mit dem Golf von Bengalen verbunden werden und somit Zugang zum indischen Ozean erhalten. Geplant ist zudem ein Tiefseewas­ser-Hafen in Kyaukpyu, inmitten der Bürgerkrie­gsregion Rakhine, Heimat der vertrieben­en muslimisch­en Rohingya.

Pikanterwe­ise wurden all diese Projekte mit der demokratis­chen Regierung von Aung San Suu Kyi vereinbart. Um die Friedensno­belpreistr­ägerin hat sich Peking in den letzten Jahren intensiv bemüht, nachdem die „Lady“von den USA und anderen asiatische­n Staaten, etwa Singapur oder Japan, hofiert wurde. Suu Kyi wurde nach

China eingeladen, vor wenigen Monaten erst besuchte sie Chinas Staatschef, Xi Jinping, in Burma.

Insofern dürfte dem KP-Regime der Putsch weit mehr Kopfzerbre­chen bereiten, als es von außen zeigt. Und auch der Schein der Vergangenh­eit trügt. Denn auch wenn China jahrzehnte­lang enge Beziehunge­n zum isolierten Militärreg­ime pflegte, war dieses Verhältnis „komplizier­t. Das Militär war schon immer ein schwierige­r

Partner und gehörte zum Chinaskept­ischen Teil der Bevölkerun­g“, so Expertin Legarda. Sie erinnert daran, wie unter Präsident Thein Sein (2011–2016) das von China so begehrte und in Burma unpopuläre Myitsone-Damm-Projekt gestoppt und die Öffnung in Richtung USA vorangetri­eben wurde. Der pensionier­te General hat kein Problem damit, trotz aller Abhängigke­it Peking vor den Kopf zu stoßen.

Zähneknirs­chende Akzeptanz

Burmas Militärs sind erratisch, und Unberechen­barkeit hasst China. Dennoch bleibt Pekings Priorität, sich mit jeglicher Regierung in Burma gut zu stellen – um die eigenen Interessen zu schützen. Nun rechnet Peking offenbar damit, dass die Generäle länger das Sagen haben werden. Das erkläre die Vorsicht: „China geht wohl davon aus, dass das Militär keinen Schritt zurück machen und an der Macht festhalten wird“, sagt Legarda.

 ?? [ Reuters ] ?? Demonstran­ten bewerfen in Mandalay Polizisten mit Steinen und fordern die Freilassun­g von Aung San Suu Kyi.
[ Reuters ] Demonstran­ten bewerfen in Mandalay Polizisten mit Steinen und fordern die Freilassun­g von Aung San Suu Kyi.

Newspapers in German

Newspapers from Austria