Die Presse

Xi Jinping umgarnt Europa mit chinesisch­en Impfstoffe­n

Neue Seidenstra­ße. Chinas Präsident gab beim „17+1“-Treffen den Impf-Diplomaten, doch manche Staaten stellen ihre Peking-Geschäfte infrage.

- VON CHRISTOPH ZOTTER

Wien. In einer Pandemie muss auch Xi Jinping auf Videotelef­onate ausweichen. Nur, dass der chinesisch­e Präsident dafür nicht Zoom oder Skype verwendet, sondern einen eigenen, verschlüss­elten Kanal. Über diesen sprach Xi am Dienstagvo­rmittag zu hochrangig­en Politikern aus 17 europäisch­en Ländern. Es war das erste Mal im neunjährig­en Bestehen des diplomatis­chen Formats „17+1“, dass er das Treffen persönlich leitete.

An der Spitze der Agenda stand die Coronaviru­s-Pandemie. Xi stellte den teilnehmen­den Staaten von Griechenla­nd bis Estland in Aussicht, Impfstoffe aus China zu erhalten. Dabei erwähnte er auch die bestehende Belieferun­g Serbiens, das bereits rund eine Million Dosen des chinesisch­en Impfstoffs Sinopharm bekommen haben soll. Die offensive Impf-Diplomatie kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem mehrere europäisch­e Staaten ihre Geschäfte mit China infrage stellen.

Balten skeptisch

In Tschechien wurde laut der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“der chinesisch­e Staatskonz­ern CGN aus Sicherheit­sgründen vom Bieterverf­ahren um den Bau eines neuen Kernkraftw­erks ausgeschlo­ssen. In Kroatien soll die Ausschreib­ung für den Betrieb eines Tiefseehaf­ens aufgrund von Druck der EU und der USA zurückgezo­gen worden sein. Ein chinesisch­er Anbieter hatte sich Chancen ausgerechn­et. Und in Rumänien plant die Regierung unter anderem, chinesisch­e Unternehme­n beim Bau von Autobahnen und Zugstrecke­n nicht mehr zuzulassen. Auch der Feldzug der USRegierun­g unter Donald Trump gegen den TelekomRie­sen Huawei blieb in Ost-, Mittel- und Südosteuro­pa nicht verborgen.

Bereits vor dem Gipfeltref­fen wurde bekannt, dass sich aus den baltischen Ländern nur Fachminist­er anstatt wie üblich die Staats- oder Regierungs­chefs in den Video-Call einloggen werden. Die Nachbarlän­der Russlands gelten als sensibel für die Bedürfniss­e der USA, die eine vertiefte chinesisch­europäisch­e Kooperatio­n mit Skepsis betrachten. Aber auch für die EU selbst werfen die

„17+1“-Gipfel Fragen auf. Dem im Jahr 2012 auf chinesisch­e Initiative hin ins Leben gerufenen Format gehören seit Beginn elf EU-Mitgliedss­taaten an, vor zwei Jahren kam Griechenla­nd dazu.

Vor allem Ungarn zeigt sich weiter für die Avancen aus Peking zugänglich. Als erstes EU-Land hat die Regierung von Viktor Orban´ den chinesisch­en Impfstoff Sinopharm zugelassen – auf eigenes Risiko. Zwischen Budapest und Belgrad soll mit chinesisch­er Hilfe eine Eisenbahns­trecke entstehen.

Österreich als Beobachter

Währenddes­sen ringt die EU weiter um eine gemeinsame Linie im Umgang mit den chinesisch­en Infrastruk­turprojekt­en, die unter dem Begriff „Neue Seidenstra­ße“bekannt sind. Im Video-Telefonat mit Xi ging es nicht nur um Impfungen, sondern auch um Tourismus oder Infrastruk­tur. Die EU wiederum schloss vor Kurzem ein Investitio­nsabkommen mit China ab – was bei der neuen US-Regierung unter Joe Biden für Stirnrunze­ln sorgte. „Für Österreich ist wichtig, dass die Beziehunge­n mit China auf gleicher Augenhöhe sind und auf Reziprozit­ät beruhen“, sagte Europamini­sterin Karoline Edtstadler (ÖVP) nach dem Gipfel. „Daher ist es wichtig, dass die EU geeint auftritt.“

Österreich hat bei „17+1“-Treffen zusammen mit der Schweiz, Belarus, der EU und der Europäisch­en Bank für Wiederaufb­au und Entwicklun­g einen Beobachter­status inne. Weil Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag terminlich verhindert war, übernahm die Europamini­sterin. Ein Signal wie die Balten habe man damit aber keinesfall­s setzen wollen, so eine Sprecherin.

Für Österreich ist wichtig, dass die Beziehunge­n zu China auf gleicher Augenhöhe sind.

Karoline Edtstadler, Europamini­sterin (ÖVP)

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