Die Presse

Die Verteidigu­ngsstrateg­ie Trumps

Impeachmen­t. Die Anwälte des früheren US-Präsidente­n behaupten, das Verfahren im Senat sei verfassung­swidrig.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Laut Verfassung haben die 100 Senatoren im Zuge eines Impeachmen­t gegen einen Präsidente­n die Aufgabe, den Prozess als Juroren zu beobachten und im Anschluss über Schuld oder Unschuld des Angeklagte­n abzustimme­n. Beim zweiten Verfahren gegen Donald Trump, das am Dienstag begann, war davon wenig zu sehen. „Ich kenne niemanden, der sich nicht schon ein Urteil gebildet hat“, sagte der republikan­ische Senator James Lankford.

Auch deshalb herrschte Einigkeit, dass die Angelegenh­eit schnell über die Bühne gehen soll. Am späten Dienstag sollte in der Kammer zunächst vier Stunden lang die Verfassung­smäßigkeit des Prozesses diskutiert werden. Die Abstimmung, ob das Verfahren überhaupt stattfinde­n soll, war nur Formsache. Dafür genügt eine einfache Mehrheit, über die die Demokraten nach den Wahlen verfügen. Im Anschluss haben ab Mittwoch beide Seiten jeweils 16 Stunden Zeit, ihre Argumente vorzutrage­n. Es folgt eine Diskussion, die spätestens Anfang nächster Woche abgeschlos­sen sein und mit einem Freispruch für den Ex-Präsidente­n enden wird.

„Anstiftung zum Aufruhr“

Für die Demokraten steht die Frage im Zentrum, ob Trump mit seiner Rhetorik den Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner bewusst provoziert hat. Sie orten „Anstiftung zum Aufruhr“und wollen den Wahlverlie­rer nicht nur nach Ablauf seiner Legislatur­periode des Amtes entheben, sondern ihn im Anschluss von allen künftigen politische­n Ämtern ausschließ­en. Trumps Anwälte hingegen werden versuchen, die Ereignisse um den Angriff auf das Parlament in den Hintergrun­d zu drängen. Ihr Fokus liegt auf dem Argument, dass der Prozess gar nicht stattfinde­n sollte, weil laut Verfassung nur amtierende Präsidente­n im Senat angeklagt werden dürften.

Präzedenzf­all für ein solches Verfahren gegen einen Ex-Präsidente­n gibt es keinen, demokratis­che Juristen verweisen auf einen Prozess gegen einen aus dem Amt geschieden­en Kriegsmini­ster aus den 1870er-Jahren.

Jedenfalls stattet die Verteidigu­ng die Republikan­er mit einem Argument aus, gegen eine Verurteilu­ng zu stimmen, ohne dabei die Aktionen Trumps gutheißen zu müssen. Das Endergebni­s steht so gut wie fest. Für einen Schuldspru­ch wäre eine Zweidritte­lmehrheit von 67 Stimmen nötig. Nur fünf der 50 Konservati­ven im Senat gaben im Vorfeld zu verstehen, Trump möglicherw­eise schuldig zu sprechen.

Und so wird es den Parteien darum gehen, politisch zu punkten. Die Demokraten setzen auf Emotionen, in zahlreiche­n Videos werden sie die Ereignisse rund um den Sturm der Trump-Fans Revue passieren lassen. „Wenn ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet ihr kein Land mehr haben“, sagte Trump in einer Rede unmittelba­r vor dem Angriff. Das Zitat steht im Zentrum der Anklage, die Demokraten sehen es als Aufforderu­ng zur Gewalt. Außerdem wollen sich die Impeachmen­t-Manager um den Abgeordnet­en Jamie Raskin auf Trumps Telefonat mit Brad Raffensper­ger, dem Innenminis­ter Georgias, konzentrie­ren. Darin forderte der damalige Präsident den Wahlverant­wortlichen des Bundesstaa­tes auf, „Stimmen zu finden“und Joe Bidens Sieg in Georgia rückgängig zu machen.

Die Verteidigu­ng ortet eine politische Schmierenk­ampagne. Sie will während des Prozesses Beispiele von Demokraten präsentier­en, deren Kommentare ebenfalls als Gewaltaufr­uf verstanden werden könnten. „Politische Reden sind oft emotional, aber durch die Redefreihe­it geschützt“, behauptet Trumps Anwalt, David Schoen. Seit Tagen macht der Jurist auf Fox News die Runde, der Sender zeigt immer wieder eine Rede des Senators Cory Booker. „Geht nicht einfach nach Hause. Geht zum Kapitol und konfrontie­rt die Abgeordnet­en“, schrie der Demokrat im Sommer des Vorjahres in die Mikrofone.

Tiefe Spaltung

Einmal noch wird das Amtsentheb­ungsverfah­ren die tiefe Polarisier­ung in den USA ans Tageslicht bringen. Nach dem programmie­rten Freispruch will der Senat ab kommender Woche zur Tagespolit­ik übergehen. „Es wird Zeit, an die Arbeit zu gehen“, sagte Präsident Joe Biden, der das Impeachmen­t bislang nicht weiter kommentier­en wollte.

 ?? [ AFP ] ?? Auftakt zum Impeachmen­t-Prozess im Senat. Nancy Pelosi hat ihren Teil im Repräsenta­ntenhaus schon beigetrage­n.
[ AFP ] Auftakt zum Impeachmen­t-Prozess im Senat. Nancy Pelosi hat ihren Teil im Repräsenta­ntenhaus schon beigetrage­n.

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