Die Verteidigungsstrategie Trumps
Impeachment. Die Anwälte des früheren US-Präsidenten behaupten, das Verfahren im Senat sei verfassungswidrig.
New York. Laut Verfassung haben die 100 Senatoren im Zuge eines Impeachment gegen einen Präsidenten die Aufgabe, den Prozess als Juroren zu beobachten und im Anschluss über Schuld oder Unschuld des Angeklagten abzustimmen. Beim zweiten Verfahren gegen Donald Trump, das am Dienstag begann, war davon wenig zu sehen. „Ich kenne niemanden, der sich nicht schon ein Urteil gebildet hat“, sagte der republikanische Senator James Lankford.
Auch deshalb herrschte Einigkeit, dass die Angelegenheit schnell über die Bühne gehen soll. Am späten Dienstag sollte in der Kammer zunächst vier Stunden lang die Verfassungsmäßigkeit des Prozesses diskutiert werden. Die Abstimmung, ob das Verfahren überhaupt stattfinden soll, war nur Formsache. Dafür genügt eine einfache Mehrheit, über die die Demokraten nach den Wahlen verfügen. Im Anschluss haben ab Mittwoch beide Seiten jeweils 16 Stunden Zeit, ihre Argumente vorzutragen. Es folgt eine Diskussion, die spätestens Anfang nächster Woche abgeschlossen sein und mit einem Freispruch für den Ex-Präsidenten enden wird.
„Anstiftung zum Aufruhr“
Für die Demokraten steht die Frage im Zentrum, ob Trump mit seiner Rhetorik den Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner bewusst provoziert hat. Sie orten „Anstiftung zum Aufruhr“und wollen den Wahlverlierer nicht nur nach Ablauf seiner Legislaturperiode des Amtes entheben, sondern ihn im Anschluss von allen künftigen politischen Ämtern ausschließen. Trumps Anwälte hingegen werden versuchen, die Ereignisse um den Angriff auf das Parlament in den Hintergrund zu drängen. Ihr Fokus liegt auf dem Argument, dass der Prozess gar nicht stattfinden sollte, weil laut Verfassung nur amtierende Präsidenten im Senat angeklagt werden dürften.
Präzedenzfall für ein solches Verfahren gegen einen Ex-Präsidenten gibt es keinen, demokratische Juristen verweisen auf einen Prozess gegen einen aus dem Amt geschiedenen Kriegsminister aus den 1870er-Jahren.
Jedenfalls stattet die Verteidigung die Republikaner mit einem Argument aus, gegen eine Verurteilung zu stimmen, ohne dabei die Aktionen Trumps gutheißen zu müssen. Das Endergebnis steht so gut wie fest. Für einen Schuldspruch wäre eine Zweidrittelmehrheit von 67 Stimmen nötig. Nur fünf der 50 Konservativen im Senat gaben im Vorfeld zu verstehen, Trump möglicherweise schuldig zu sprechen.
Und so wird es den Parteien darum gehen, politisch zu punkten. Die Demokraten setzen auf Emotionen, in zahlreichen Videos werden sie die Ereignisse rund um den Sturm der Trump-Fans Revue passieren lassen. „Wenn ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet ihr kein Land mehr haben“, sagte Trump in einer Rede unmittelbar vor dem Angriff. Das Zitat steht im Zentrum der Anklage, die Demokraten sehen es als Aufforderung zur Gewalt. Außerdem wollen sich die Impeachment-Manager um den Abgeordneten Jamie Raskin auf Trumps Telefonat mit Brad Raffensperger, dem Innenminister Georgias, konzentrieren. Darin forderte der damalige Präsident den Wahlverantwortlichen des Bundesstaates auf, „Stimmen zu finden“und Joe Bidens Sieg in Georgia rückgängig zu machen.
Die Verteidigung ortet eine politische Schmierenkampagne. Sie will während des Prozesses Beispiele von Demokraten präsentieren, deren Kommentare ebenfalls als Gewaltaufruf verstanden werden könnten. „Politische Reden sind oft emotional, aber durch die Redefreiheit geschützt“, behauptet Trumps Anwalt, David Schoen. Seit Tagen macht der Jurist auf Fox News die Runde, der Sender zeigt immer wieder eine Rede des Senators Cory Booker. „Geht nicht einfach nach Hause. Geht zum Kapitol und konfrontiert die Abgeordneten“, schrie der Demokrat im Sommer des Vorjahres in die Mikrofone.
Tiefe Spaltung
Einmal noch wird das Amtsenthebungsverfahren die tiefe Polarisierung in den USA ans Tageslicht bringen. Nach dem programmierten Freispruch will der Senat ab kommender Woche zur Tagespolitik übergehen. „Es wird Zeit, an die Arbeit zu gehen“, sagte Präsident Joe Biden, der das Impeachment bislang nicht weiter kommentieren wollte.