Schleppende Investitionen der Stadt
Coronahilfen. Die Stadt Wien beteiligt sich an Traditionsunternehmen, nach zehn Monaten ist jedoch erst ein Bruchteil des Geldes geflossen. Ein Kaffeehaus musste nun Insolvenz anmelden.
Wien. Die Bugholzsessel von Thonet, der Kaffee aus der nahen Meinl-Fabrik, die goldenen, geschwungenen Jugendstil-Lampen, der Ober mit trockenem Schmäh – das Cafe´ Ritter in Ottakring ist der Inbegriff von Wiener Tradition. Und schlägt damit in genau jene Kerbe, die sich Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) für sein Vorzeigeprojekt vorgestellt hatte.
Mit der eigens dafür gegründeten „Stolz auf Wien“-GmbH – eine Tochter der Wien Holding und der Wirtschaftskammer – wollte sich die Stadt selbst an Wiener Unternehmen beteiligen, die durch die Coronakrise ins Straucheln geraten sind, anstatt einfach nur Hilfsgelder auszuschütten. Wichtiges Kriterium dabei: Die Unternehmen müssen nicht nur gesund, sondern auch ein „starker Teil der Wiener Identität“sein. Eben etwas, worauf die Wiener stolz sind.
Doch trotz der schon im September angekündigten Investitionen der Stadt meldete das 1907 gegründete Cafe´ Ritter am Montag Insolvenz an. Was ist passiert?
Kam die Hilfe nicht rasch genug? Wo sind die zugesagten Millionen geblieben?
Die Wiener FPÖ und ÖVP bemängeln jedenfalls die schleppend vorangehende Abwicklung der Beteiligungen, die als kurzfristige Überbrückung der Finanzmittel gedacht waren. Und tatsächlich wurde nur ein Bruchteil der zugesagten Summe ausgezahlt.
Doch von vorne: Im April sagte Stadtrat Hanke 20 Mio. Euro für den Fördertopf zu, hinzu kamen weitere 20 Mio. von privaten Partnern, wie Erste Bank oder Bank Austria. Teilnehmende Unternehmen bekommen maximal eine Million Euro bzw. 20 Prozent des Unternehmenswerts. Nach höchstens sieben Jahren werden die Anteile wieder verkauft.
Rund drei der 40 Mio. Euro sind bis dato zugesagt – an acht Unternehmen. Nur vier davon haben den Vertrag mit der „Stolz auf Wien“-GmbH tatsächlich bereits unterzeichnet und Geld erhalten, darunter finden sich etwa der Schmuckhersteller Frey Wille oder der Schmierölspezialist Adamol. Vor einem Vertragsabschluss wird umgehend geprüft. Ein Prozess, der eben länger dauern könne, sagt Barbara Forsthuber, „Stolz auf Wien“-Geschäftsführerin, zur „Presse“. „Wir könnten ihn auch in acht Wochen abwickeln. Es hängt davon ab, wie schnell wir die Unterlagen bekommen.“Auf Druck beschleunigen könne man jedenfalls nicht, schließlich sei man den Steuerzahlern und Investoren gegenüber verpflichtet.
Lockdown stoppt Vertrag
Auch das Cafe´ Ritter habe nach der Prüfung eine positive Empfehlung erhalten, die Verträge seien bereits aufgesetzt worden. Gewisse Sachverhalte hätten jedoch „eine Beteiligung zu diesem Zeitpunkt nicht zugelassen“. Das Geld kam also nie an, hätte eine Insolvenz aber vermutlich nicht verhindert, sagt Forsthuber.
Es war der zweite Lockdown, der dazwischengekommen ist. „Die Beteiligung wurde nicht umgesetzt, weil ich seit November zu habe“, sagt Martina Postl, Geschäftsführerin des Cafe´ Ritter, zur „Presse“. Das Insolvenzverfahren sei unvermeidlich gewesen bei
Verbindlichkeiten in der Höhe von 940.000 Euro. „Wir hatten als junges Unternehmen keine Reserven.“Die ersten drei Jahre war das Cafe´ ein Verlustgeschäft, 2020 hatte Postl ihren ersten Gewinn budgetiert. Doch in sieben von zwölf Monaten keinen Umsatz zu machen sei eben zu wenig gewesen.
Den Mut verloren hat Postl deswegen nicht. „Die Stadt wird investieren.“Sie rechnet mit einem Vertragsabschluss, sobald das Sanierungsverfahren abgeschlossen ist. Den Betrieb werde sie, sobald es möglich sei, wieder aufsperren. Denn im Unterschied zu vielen Innenstadtcafes´ sei sie nicht von Touristen abhängig. Die Stammgäste würden wiederkommen. „Wir werden uns von Corona nicht unterkriegen lassen.“
Auch Forsthuber steht einer Beteiligung am Cafe´ Ritter nach wie vor positiv gegenüber. Und was passiert mit dem restlichen Geld im Fördertopf? Das ist noch lang nicht ausgeschöpft. Neun Unternehmen werden derzeit geprüft, zwölf weitere seien angemeldet, sagt Forsthuber. Wer Interesse habe, solle sich unbedingt melden.