Wenn Wirklichkeit hinter Mystifizierung verschwindet
Ein Denkmal, das Gedenkstätte ist: Letzter Nachtrag zum Thema Schwarzenbergplatz.
Eines vorweg: Ich bin kein begeisterter Verfechter der Denkmalerei. An wen oder was immer adressiert, erzählt ein Denkmal doch stets mehr über Person und Zeit der Errichter als über den Gegenstand, dem es gewidmet sein will. Weshalb es den Blick auf das jeweils zu Würdigende öfter verstellt, als ihn zu erleichtern. Weder war Beethoven der Titan, als den ihn Caspar von Zumbusch an der Wiener Lothringerstraße porträtierte, noch Goethe 82 Jahre seines Lebens lang (wenn überhaupt jemals) der träge Dichterfürst, als den wir ihn am Opernring in seinem Prunkfauteuil lehnen sehen.
Überdies bieten sich Denkmäler seit je als ideale Projektionsflächen für Mythen und Mystifizierungen an, was nicht selten – und wenig überraschend – allseitige Emotionalisierung in geschichtlichen Betrachtungen zur Folge hat. Wirklichkeit verliert sich hinter Symbolwirkung, der Schein triumphiert über das Sein, was im Fall des Debattenfalls unvermeidlich Scheindebatten entstehen lässt, wo einzig das Sein gefragt sein sollte.
So haben auch meine jüngsten Hinweise auf den Schwarzenbergplatz und damit auf das daselbst aufragende „Russendenkmal“in manchen Reaktionen, nun ja, Missverständnisse erkennen lassen: insbesondere hinsichtlich des Denkmalgegenstands. Denn nein, entgegen anderslautenden Behauptungen befindet sich auf dem Schwarzenbergplatz kein – womöglich entbehrliches – Siegesmonument des realen Sozialismus oder gar eine Triumphsäule Stalins, sondern eine Gedenkstätte für die im Kampf um Wien gefallenen Soldaten der Roten Armee; die Gräber einiger von ihnen waren übrigens ursprünglich – und bis 1956 – Teil der Anlage.
Die Gestaltung der Gedenkstätte mag (wie die jeder anderen) diskutabel sein; über ihre Berechtigung sollte unter den gegebenen Umständen – und gut ein Dreivierteljahrhundert nach Kriegsende – Einigkeit herrschen.
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