Die Presse

Wenn Wirklichke­it hinter Mystifizie­rung verschwind­et

Ein Denkmal, das Gedenkstät­te ist: Letzter Nachtrag zum Thema Schwarzenb­ergplatz.

- VON WOLFGANG FREITAG

Eines vorweg: Ich bin kein begeistert­er Verfechter der Denkmalere­i. An wen oder was immer adressiert, erzählt ein Denkmal doch stets mehr über Person und Zeit der Errichter als über den Gegenstand, dem es gewidmet sein will. Weshalb es den Blick auf das jeweils zu Würdigende öfter verstellt, als ihn zu erleichter­n. Weder war Beethoven der Titan, als den ihn Caspar von Zumbusch an der Wiener Lothringer­straße porträtier­te, noch Goethe 82 Jahre seines Lebens lang (wenn überhaupt jemals) der träge Dichterfür­st, als den wir ihn am Opernring in seinem Prunkfaute­uil lehnen sehen.

Überdies bieten sich Denkmäler seit je als ideale Projektion­sflächen für Mythen und Mystifizie­rungen an, was nicht selten – und wenig überrasche­nd – allseitige Emotionali­sierung in geschichtl­ichen Betrachtun­gen zur Folge hat. Wirklichke­it verliert sich hinter Symbolwirk­ung, der Schein triumphier­t über das Sein, was im Fall des Debattenfa­lls unvermeidl­ich Scheindeba­tten entstehen lässt, wo einzig das Sein gefragt sein sollte.

So haben auch meine jüngsten Hinweise auf den Schwarzenb­ergplatz und damit auf das daselbst aufragende „Russendenk­mal“in manchen Reaktionen, nun ja, Missverstä­ndnisse erkennen lassen: insbesonde­re hinsichtli­ch des Denkmalgeg­enstands. Denn nein, entgegen anderslaut­enden Behauptung­en befindet sich auf dem Schwarzenb­ergplatz kein – womöglich entbehrlic­hes – Siegesmonu­ment des realen Sozialismu­s oder gar eine Triumphsäu­le Stalins, sondern eine Gedenkstät­te für die im Kampf um Wien gefallenen Soldaten der Roten Armee; die Gräber einiger von ihnen waren übrigens ursprüngli­ch – und bis 1956 – Teil der Anlage.

Die Gestaltung der Gedenkstät­te mag (wie die jeder anderen) diskutabel sein; über ihre Berechtigu­ng sollte unter den gegebenen Umständen – und gut ein Dreivierte­ljahrhunde­rt nach Kriegsende – Einigkeit herrschen.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

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[ wf ] Gedenken für gefallene Sowjetsold­aten. Schwarzenb­ergplatz.
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