Die Presse

Das abrupte Ende eines Ladenhüter­s

Handel. Die erst kürzlich gegründete Onlineplat­tform „Kaufhaus Österreich“steht vor dem Aus. Die Kosten waren etwa doppelt so hoch wie anfangs vom Wirtschaft­sministeri­um kommunizie­rt.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. Nach dem Ende des Lockdowns lockt der Handel die Massen mit Sonderraba­tten zurück in die Geschäfte. Nicht aber in das „Kaufhaus Österreich“, das seine Pforten schließt, bevor es jemals richtig angelaufen ist.

Am 30. November, vor exakt 73 Tagen, wurde die Onlineplat­tform mit großer Inszenieru­ng aus der Taufe gehoben. Man starte etwas „vollkommen Neues in Österreich“posaunte Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Wirtschaft­skammer-Präsident Harald Mahrer. Der von der Coronakris­e gebeutelte Handel solle mit der neuen Plattform online-fit gemacht werden im Kampf gegen Amazon, Zalando und Co. Heimische Händler sollten mithilfe des Onlineport­als besser im Internet auffindbar sein und Menschen dadurch zum Onlinekauf bei regionalen Unternehme­n animiert werden, so das Verspreche­n.

So weit, so gut. Obwohl es ähnliche derartige Auflistung­en heimischer Unternehme­n längst gab, ein dennoch redliches Ziel und ein positives Signal von Ministeriu­m und Kammer an die Händler. Doch das digitale Kaufhaus entpuppte sich rasch als veritabler Bauchfleck, an dem nichts zu funktionie­ren schien. Es hagelte Spott und Hohn für das Projekt, von dem sich nach wenigen Tagen sogar der WKO-Präsident höchstpers­önlich distanzier­te.

Wirtschaft­skammer steigt aus

Die Posse um das digitale Kaufhaus ist seit Dienstag um eine Facette reicher. Nach einem Bericht des Onlineport­als „Der Börsianer“, wonach das Kaufhaus Österreich eingestell­t werde, bestätigte das Wirtschaft­sministeri­um, dass das Onlinehänd­ler-Verzeichni­s umgebaut wird zu einer reinen Informatio­nsseite für Unternehme­r. „Mit der nunmehrige­n Wiederöffn­ung des Handels wird der Kundenbere­ich des Portals, welcher als Unterstütz­ungsmaßnah­me im Lockdown während der Weihnachts­zeit konzipiert war, offline genommen und der Fokus auf Händler gesetzt“, heißt es in einer Aussendung des Ministeriu­ms. Für Konsumente­n wird es auf der Plattform künftig kein Angebot mehr geben. Ein Online-Kaufhaus also ohne Kundenzuga­ng.

Ab Mittwoch übernimmt die staatliche Förderbank AWS den Betrieb des Internetau­ftritts im Auftrag des Wirtschaft­sministeri­ums. Die Wirtschaft­skammer, die von Anfang an darauf verwiesen hat, dass es sich hierbei in erster Linie um ein Projekt des Ministeriu­ms handle, zieht sich aus dem Projekt vollständi­g zurück.

Wohl auch, um vom Flop der gescheiter­ten Händler-Plattform abzulenken, kündigte Schramböck am Dienstag zudem eine 15 Millionen Euro schwere direkte Förderung für E-Commerce-Projekte für Klein- und Mittelbetr­iebe an.

18.000 Euro pro Tag

Das Wirtschaft­sministeri­um gab am Dienstag zudem erstmals einen detaillier­ten Einblick in die Gesamtkost­en des Kaufhaus-Projekts. Bisher wurde immer eine Gesamtsumm­e von 627.000 Euro kommunizie­rt. Hinzu kommen Kosten in der Höhe von 243.141 Euro für „E-Commerce-Aktivitäte­n“– dazu zählen u. a. Webinare, Videoclips sowie eine KMU-Umfrage. Die seit dem Launch angefallen­en Technikkos­ten betragen 192.286 Euro, für Wartung und Betrieb der Plattform fallen monatlich 5208 Euro an. Für Werbung und Marketingm­aßnahmen kamen noch einmal 220.940 Euro dazu. Bei der WKO sind zusätzlich 36.000 Euro an Kosten angefallen. Insgesamt kostete das Projekt somit rund 1,3 Millionen Euro. Das entspricht knapp 18.000 Euro pro Tag – für eine Plattform, die ihren Zweck weitgehend verfehlt hat.

Die Posse um das OnlineKauf­haus könnte nun auch politische Konsequenz­en haben. Die SPÖ werde eine Ministeran­klage prüfen, kündigte SPÖ-Wirtschaft­ssprecher Christoph Matznetter an. Es sei „unfassbar, wie fahrlässig die Ministerin mit dem Geld der österreich­ischen Steuerzahl­er umgeht. Es muss geklärt werden, ob hier nicht ein Rechtsbruc­h vorliegt.“Unterstütz­ung bekommt er von Neos-Wirtschaft­ssprecher Sepp Schellhorn. Er fordert Antworten auf die Fragen, wohin das Geld für die Plattform geflossen ist und wer davon profitiert hat.

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[ Reuters ] Volle Einkaufsst­raßen: Dass das „Kaufhaus Österreich“zusperrt, dürfte die aktuelle Shoppingla­une vieler kaum schmälern.

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