Das abrupte Ende eines Ladenhüters
Handel. Die erst kürzlich gegründete Onlineplattform „Kaufhaus Österreich“steht vor dem Aus. Die Kosten waren etwa doppelt so hoch wie anfangs vom Wirtschaftsministerium kommuniziert.
Wien. Nach dem Ende des Lockdowns lockt der Handel die Massen mit Sonderrabatten zurück in die Geschäfte. Nicht aber in das „Kaufhaus Österreich“, das seine Pforten schließt, bevor es jemals richtig angelaufen ist.
Am 30. November, vor exakt 73 Tagen, wurde die Onlineplattform mit großer Inszenierung aus der Taufe gehoben. Man starte etwas „vollkommen Neues in Österreich“posaunte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer. Der von der Coronakrise gebeutelte Handel solle mit der neuen Plattform online-fit gemacht werden im Kampf gegen Amazon, Zalando und Co. Heimische Händler sollten mithilfe des Onlineportals besser im Internet auffindbar sein und Menschen dadurch zum Onlinekauf bei regionalen Unternehmen animiert werden, so das Versprechen.
So weit, so gut. Obwohl es ähnliche derartige Auflistungen heimischer Unternehmen längst gab, ein dennoch redliches Ziel und ein positives Signal von Ministerium und Kammer an die Händler. Doch das digitale Kaufhaus entpuppte sich rasch als veritabler Bauchfleck, an dem nichts zu funktionieren schien. Es hagelte Spott und Hohn für das Projekt, von dem sich nach wenigen Tagen sogar der WKO-Präsident höchstpersönlich distanzierte.
Wirtschaftskammer steigt aus
Die Posse um das digitale Kaufhaus ist seit Dienstag um eine Facette reicher. Nach einem Bericht des Onlineportals „Der Börsianer“, wonach das Kaufhaus Österreich eingestellt werde, bestätigte das Wirtschaftsministerium, dass das Onlinehändler-Verzeichnis umgebaut wird zu einer reinen Informationsseite für Unternehmer. „Mit der nunmehrigen Wiederöffnung des Handels wird der Kundenbereich des Portals, welcher als Unterstützungsmaßnahme im Lockdown während der Weihnachtszeit konzipiert war, offline genommen und der Fokus auf Händler gesetzt“, heißt es in einer Aussendung des Ministeriums. Für Konsumenten wird es auf der Plattform künftig kein Angebot mehr geben. Ein Online-Kaufhaus also ohne Kundenzugang.
Ab Mittwoch übernimmt die staatliche Förderbank AWS den Betrieb des Internetauftritts im Auftrag des Wirtschaftsministeriums. Die Wirtschaftskammer, die von Anfang an darauf verwiesen hat, dass es sich hierbei in erster Linie um ein Projekt des Ministeriums handle, zieht sich aus dem Projekt vollständig zurück.
Wohl auch, um vom Flop der gescheiterten Händler-Plattform abzulenken, kündigte Schramböck am Dienstag zudem eine 15 Millionen Euro schwere direkte Förderung für E-Commerce-Projekte für Klein- und Mittelbetriebe an.
18.000 Euro pro Tag
Das Wirtschaftsministerium gab am Dienstag zudem erstmals einen detaillierten Einblick in die Gesamtkosten des Kaufhaus-Projekts. Bisher wurde immer eine Gesamtsumme von 627.000 Euro kommuniziert. Hinzu kommen Kosten in der Höhe von 243.141 Euro für „E-Commerce-Aktivitäten“– dazu zählen u. a. Webinare, Videoclips sowie eine KMU-Umfrage. Die seit dem Launch angefallenen Technikkosten betragen 192.286 Euro, für Wartung und Betrieb der Plattform fallen monatlich 5208 Euro an. Für Werbung und Marketingmaßnahmen kamen noch einmal 220.940 Euro dazu. Bei der WKO sind zusätzlich 36.000 Euro an Kosten angefallen. Insgesamt kostete das Projekt somit rund 1,3 Millionen Euro. Das entspricht knapp 18.000 Euro pro Tag – für eine Plattform, die ihren Zweck weitgehend verfehlt hat.
Die Posse um das OnlineKaufhaus könnte nun auch politische Konsequenzen haben. Die SPÖ werde eine Ministeranklage prüfen, kündigte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter an. Es sei „unfassbar, wie fahrlässig die Ministerin mit dem Geld der österreichischen Steuerzahler umgeht. Es muss geklärt werden, ob hier nicht ein Rechtsbruch vorliegt.“Unterstützung bekommt er von Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn. Er fordert Antworten auf die Fragen, wohin das Geld für die Plattform geflossen ist und wer davon profitiert hat.