Die Presse

Wie Politik die Coronareze­ssion am Laufen hält

Von Brüssel bis Innsbruck: Wir brauchen dringend Korrekture­n.

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Weiterhin träge“: Die jüngste Einschätzu­ng des Wirtschaft­sforschung­sinstituts für die Konjunktur­aussichten ist leider, freundlich gesagt, sehr verhalten. Während China die Epidemie wirtschaft­lich bereits hinter sich gelassen hat und die USA knapp davorstehe­n, stolpert Europa gerade in eine veritable Double-DipRezessi­on. Österreich in eine besonders heftige.

Das hat viel mit dem offensicht­lichen Vollversag­en der EU in Sachen Impfung zu tun. Und hierzuland­e ebenso viel mit der alpenländi­schen Form des Föderalism­us, die es präpotente­n Landes- und Regionalka­isern ermöglicht, sinnvolle Eindämmung­smaßnahmen konsequenz­enlos zu konterkari­eren.

Beides führt zu einer endlosen Abfolge von wirtschaft­sschädlich­en Lockdowns. Was bewirkt, dass wir als Letzte aus der Corona-Flaute herauskomm­en werden.

Der deutsche Kreditvers­icherer Euler Hermes hat das in einer in der Vorwoche veröffentl­ichten Studie am Beispiel des Impfversag­ens sehr schön herausgear­beitet: Die EU liegt in Sachen Impfung derzeit fünf Wochen zurück. Diese Verzögerun­g wird, wenn sie nicht aufgeholt werden kann, heuer gut 90 Mrd. Euro an BIP-Verlusten kosten. Österreich verliert pro LockdownWo­che 500 Mio. Euro.

Um die Lücke gegenüber erfolgreic­heren Industriel­ändern – etwa den USA oder Großbritan­nien – rechtzeiti­g zu schließen, müsste das Impftempo versechsfa­cht werden. Denn in der Impfökonom­ie gebe es nur schwarz und weiß: Volkswirts­chaften, die das Rennen um die Herdenimmu­nität als Erste beenden, würden schon in der zweiten Jahreshälf­te mit starken wirtschaft­lichen Multiplika­toreffekte­n belohnt, während die EU bei dem herrschend­en Impftempo wohl bis 2022 im Krisenmodu­s herumgrund­eln und mit erhebliche­n Kosten konfrontie­rt werden wird. Wirtschaft­lich und politisch, etwa in Form eines weiteren starken Vertrauens­verlusts.

Da stehen jetzt dringend Korrekture­n an. Bei der bisher vermurkste­n Impfstoffb­eschaffung und bei der umfassende­n Neuordnung eines fehlgeleit­eten Föderalism­us, der uns alle jetzt Wohlstand kostet.

josef.urschitz@diepresse.com

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