Die Presse

Deutsche Wirtschaft will Perspektiv­e

Umfrage. Coronahilf­en kommen nicht bei den Unternehme­n an. Nun verlangen mehrere Wirtschaft­sverbände einen „verlässlic­hen Fahrplan“von der Regierung.

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Berlin. Die deutsche Wirtschaft fordert vor den Beratungen von Bund und Ländern über eine Verlängeru­ng des Lockdowns eine klare Perspektiv­e. „Die deutsche Industrie benötigt einen verlässlic­hen Fahrplan mit einheitlic­h anwendbare­n Kriterien für eine sichere und faire Öffnung der Wirtschaft, wo immer dies epidemiolo­gisch verantwort­bar ist“, sagte der Präsident des deutschen Industriev­erbandes BDI, Siegfried Russwurm, am Dienstag.

Ähnlich äußerten sich deutsche Mittelstän­dler, die in der Coronakris­e besonders unter Druck stehen. Einer Umfrage zufolge kommen die Hilfen der Regierung weiterhin nur ungenügend bei der Wirtschaft an. Experten sehen vor allem im Einzelhand­el in Innenstädt­en massive Verwerfung­en.

„Die Stimmung in der Wirtschaft und bei den Menschen ist gekippt“, sagte Markus Jerger, Bundesgesc­häftsführe­r des Mittelstan­dsverbande­s BVMW, in Berlin. Es gebe Frust, weil bei den Impfungen und Coronahilf­en Chaos herrsche. Bei den Beratungen von Bund und Ländern am Mittwoch müsse die Politik einen „verbindlic­hen und verlässlic­hen Fahrplan“vorlegen, wann und wie es zu Lockerunge­n bei den Corona-Einschränk­ungen kommen könne. Denn jede Woche Lockdown koste die deutsche Wirtschaft drei bis fünf Milliarden Euro. Es sei höchste Zeit für einen Gipfel mit der Wirtschaft.

Zu viel Bürokratie

In der BVMW-Befragung von 1600 mittelstän­dischen Firmen bezeichnet­en 71 Prozent die Anträge für Auszahlung­en von Coronahilf­en als zu bürokratis­ch und komplizier­t. Im Zuge der Pandemie nahmen knapp 61 Prozent der Firmen staatliche Hilfen in Anspruch. 49 Prozent gaben an, mehr als vier Wochen auf die Hilfen gewartet zu haben, bei 24 Prozent waren es mehr als acht Wochen, bei 27 Prozent sogar über zwölf Wochen. Georg Schneider, Geschäftsf­ührer des

Familienbe­triebs Schneider Weisse, kritisiert­e vor allem Wirtschaft­sminister Peter Altmaier. Der CDU-Politiker lasse die Wirtschaft im Stich. Sein Unternehme­n werde beispielsw­eise als Mischbetri­eb aus Brauerei und Gastronomi­e eingeordne­t und komme so nicht an die Sonderhilf­en für November und Dezember. Auch die Überbrücku­ngshilfen III – Zuschüsse zu den Fixkosten im ersten Halbjahr 2021 – wurden zuletzt immer wieder kritisiert, weil es Probleme mit der Software und mehrere Änderungen bei den Antragsvor­aussetzung­en gibt. Hier können Firmen noch immer keine Anträge stellen.

Bund und Länder steuern beim Lockdown voraussich­tlich auf eine Verlängeru­ng um zwei Wochen bis Ende Februar zu. Laut BVMW-Umfrage sind 58 Prozent der Unternehme­n gegen eine Verlängeru­ng, 34 Prozent dafür. Die Coronapoli­tik der deutschen Regierung wird insgesamt kritisch gesehen. (APA)

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